Deutschrussen in Untersuchungshaft "Agententätigkeit für Putins Verbrecher-Regime"
Dass der russische Botschafter einbestellt wurde, zeigt, wie ernst der Fall ist: Zwei Deutschrussen sollen für den Kreml spioniert und sogar Anschläge geplant haben - mit dem Ziel, die deutsche Unterstützung für die Ukraine zu schwächen.
Die Bundesanwaltschaft hat zwei Deutschrussen in Bayern wegen des Verdachts der Spionage im Auftrag Russlands festnehmen lassen. Einem von ihnen wird zudem vorgeworfen, einen Anschlag geplant zu haben. Beide sitzen inzwischen in Untersuchungshaft.
Den beiden Männern ging es nach Angaben des Generalbundesanwalts um Sabotageaktionen, die insbesondere dazu dienen sollten, "die aus Deutschland der Ukraine gegen den russischen Angriffskrieg geleistete militärische Unterstützung zu unterminieren".
Offenbar auch US-Stützpunkt ausgekundschaftet
Die Männer seien "dringend verdächtig, in einem besonders schweren Fall für einen ausländischen Geheimdienst tätig gewesen zu sein", teilte der Generalbundesanwalt am Bundesgerichtshof mit. Dem Hauptbeschuldigten werden zudem Planungen zu einer Sprengstoffexplosion sowie zur Brandstiftung, Agententätigkeit zu Sabotagezwecken und Ausspähen militärischer Anlagen vorgeworfen.
Beide wurden gestern in Bayreuth festgenommen. Ermittler durchsuchten Wohn- und Arbeitsort der Männer in der Region um die oberfränkische Stadt. Nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa und des Spiegel sollen sie unter anderem den US-Stützpunkt Grafenwöhr ausgekundschaftet haben, der etwa 35 Kilometer südöstlich von Bayreuth liegt.
Der Hauptbeschuldigte ist der 39-jährige Dieter S. Nach Informationen des ARD-Hauptstadtstudios und SWR wurden die deutschen Sicherheitsbehörden auf ihn aufmerksam, nachdem sie einen Hinweis eines ausländischen Nachrichtendienstes erhalten hatten. Im Zuge der Ermittlungen zu den mutmaßlichen Sabotageplänen stellte sich heraus, dass Dieter S. von Dezember 2014 bis September 2016 für eine Brigade der Separatisten der "Volksrepublik Donezk" gegen die Ukraine gekämpft haben soll. Das Gebiet im Osten der Ukraine wurde von Russland später völkerrechtswidrig annektiert.
Scholz: Spionage "niemals hinnehmen"
Bundeskanzler Olaf Scholz erklärte in einer ersten Reaktion, dass die Abwehr solcher Aktivitäten hohe Priorität haben müsse. "Wir können niemals hinnehmen, dass solche Spionageaktivitäten in Deutschland stattfinden", sagte er nach dem EU-Gipfel in Brüssel. Man müsse deshalb hohe Anforderungen an die Sicherheitsbehörden stellen.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser sprach von einem "besonders schweren Fall der mutmaßlichen Agententätigkeit für Putins Verbrecher-Regime". Deutschland werde die Ukraine weiter unterstützen und sich nicht einschüchtern lassen. Bundesjustizminister Marco Buschmann sagte, "wir wissen, dass der russische Machtapparat auch unser Land in den Fokus nimmt". Auf diese Bedrohung müsse Deutschland wehrhaft und entschlossen reagieren.
Kiesewetter: "AfD-Sympathisanten" in den Blick nehmen
Der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums im Bundestag, Konstantin von Notz, sprach von einem "hochalarmierenden Vorgang". Die Mitglieder des Kontrollgremiums hätten die Bundesregierung "sehr deutlich aufgefordert, den vielfachen Hinweisen auf derartige, sehr weitgehende Spionage- und Einflussoperationen nachzugehen, die Tragweite der Bedrohung zu erkennen und entsprechend zu reagieren", so der Grünen-Politiker. Deutschland müsse sich "zukünftig deutlich robuster, resilienter und wehrhafter aufstellen".
Das Parlamentarische Kontrollgremium - ein Gremium des Bundestages - ist für die Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes zuständig und überwacht den Bundesnachrichtendienst (BND), den Militärischen Abschirmdienst (MAD) und das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV). Die Bundesregierung ist nach dem Kontrollgremiumgesetz dazu verpflichtet, das Gremium umfassend über die allgemeinen Tätigkeiten der Nachrichtendienste und über Vorgänge von besonderer Bedeutung zu unterrichten.
Auch der Vize-Vorsitzende des Kontrollgremiums, Roderich Kiesewetter, forderte Konsequenzen. "Es zeigt sich, dass wir vergleichsweise schlecht bei der Spionageabwehr aufgestellt sind und es in vielen Bereichen noch wenig Sensibilität für die Gefährdung durch Russland nahestehende Bürger gibt", sagte der CDU-Politiker dem Handelsblatt. Kiesewetter sprach sich auch dafür aus, "extremistische Bereiche" in den Blick zu nehmen. Konkret nannte er "AfD-Sympathisanten, die sich Russland freiwillig andienen" sowie deutsche Kämpfer bei russischen Söldner-Truppen oder anderen russischen Kampftruppen, die nach Deutschland zurückkehrten.
Baerbock bestellt Botschafter ein
Wegen der Spionage-Ermittlungen bestellte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock den russischen Botschafter in Berlin ein. "Wir werden nicht zulassen, dass Putin seinen Terror nach Deutschland trägt. Das wurde dem russischen Botschafter heute bei einer Einbestellung mitgeteilt", so Baerbock. Der Sprecher des russischen Präsidialamts in Moskau, Dmitri Peskow, sagte, ihm lägen über den Fall keine Informationen vor.
Die russische Botschaft in Berlin wies alle Vorwürfe zurück. "Es wurden keine Beweise vorgelegt, die von den Plänen der Festgenommenen und ihren möglichen Beziehungen zu russischen Strukturen zeugen", hieß es in einer Stellungnahme. Die Einbestellung des Botschafters sei eine "offene Provokation".