Umsetzung von Sanktionen Wenn die Oligarchen kein Vermögen melden
Sanktionierte Oligarchen und russische Firmen müssen seit Ende Mai den deutschen Behörden ihre Vermögen melden. Doch bislang wird dies ignoriert. Wie kann das sein?
Eine der zentralen Maßnahmen des neuen Sanktionsdurchsetzungsgesetzes läuft offenbar bislang ins Leere. Sanktionierte Oligarchen und sanktionierte russische Firmen ignorieren nach Informationen des ARD-Hauptstadtstudios die Pflicht, ihre Vermögen in Deutschland den Behörden zu melden. Das Gesetz ist seit Ende Mai in Kraft.
In den ersten sechs Wochen hat es bislang aber noch keine Meldung bei den zuständigen Behörden gegeben. Die Taskforce "Sanktionen" der Bundesregierung soll das Problem beheben.
Eiliges Sanktionsdurchsetzungsgesetz I
Das Sanktionsdurchsetzungsgesetz I war von der Bundesregierung im Frühjahr eilig auf den Weg gebracht worden, als deutlich wurde, dass es bei der Umsetzung der Sanktionen gegen russische Oligarchen und Firmen erhebliche Probleme gab. Mit dem Gesetz sollten den vielen Behörden, die an der Umsetzung der Sanktionen in Deutschland beteiligt sind, schnell neue Befugnisse eingeräumt werden. Diese betreffen den Datenaustausch, die Klärung von Zuständigkeiten und neue Möglichkeiten, Eigentumsverhältnisse zu klären.
Anzeigepflicht ohne Folgen
Ein zentraler Baustein des neuen Gesetzes ist eine Anzeigepflicht für sanktionierte Personen und Firmen. Sie wurden damit verpflichtet, ihre Vermögenswerte in Deutschland, die laut den Sanktionen einer Verfügungsbeschränkung unterliegen, den Behörden offenzulegen. Der Deutschen Bundesbank müssen sie Gelder melden, über die sie in Deutschland verfügen, andere wirtschaftliche Ressourcen, beispielsweise Jachten, Kunstwerke oder Immobilien, müssen sie dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) anzeigen. Das muss laut Gesetz "unverzüglich" erfolgen.
Die neue Anzeigepflicht gilt seit dem 28. Mai. Auf Anfrage des ARD-Hauptstadtstudios räumt das Bundeswirtschaftsministerium jetzt allerdings ein, dass bisher "noch keine Anzeigen eingegangen sind." Im Ministerium wird dieser Zustand offenbar als Problem betrachtet. So teilt ein Sprecher mit, dass die Taskforce "Sanktionen", die vom Bundeswirtschafts- und Bundesfinanzministerium geleitet wird, "intensiv daran" arbeite, "über die Anzeigepflicht detailliert zu informieren und die Anzeige technisch zu vereinfachen."
Mehr Informationen geplant
Offenbar besteht die Sorge, dass sanktionierte Personen und Firmen bislang noch nicht ausreichend über die Anzeigepflicht informiert wurden. Beim BAFA findet sich auf der Homepage mittlerweile eine Erläuterung und eine E-Mail-Adresse für Meldungen. Zudem gibt es den Hinweis, dass "an einem Formular bzw. an der Einrichtung eines elektronischen Meldeportals" gearbeitet werde.
Auf der Homepage der Bundesbank finden sich bislang keine Informationen zu der neuen Anzeigepflicht. Auf Anfrage teilt die Bank mit, sie plane einen solchen Hinweis auf der "Internetseite aufzunehmen". Anzeigen könnten schriftlich oder per Mail beim Servicezentrum Finanzsanktionen der Bundesbank eingereicht werden.
Und Strafen?
Mit der Anzeigepflicht sollten Vermögenswerte identifiziert werden, die bislang den Behörden nicht bekannt sind. Dabei war auch den zuständigen Ministerien klar, dass sanktionierte Personen kein Interesse daran haben, ihre oft aufwendig verschleierten Vermögen offenzulegen. Daher ist die Anzeigepflicht strafbewehrt. Das heißt: Wer dagegen verstößt, dem drohen nicht nur Haft- oder Geldstrafen, sondern sogar der Verlust von nicht angezeigten Vermögenswerten.
Fragen des ARD-Hauptstadtstudios, ob entsprechende Strafen bislang verhängt wurden, beantwortete das Wirtschaftsministerium nicht. Dass zunächst aber detaillierter über die Anzeigepflicht informiert werden soll, spricht dagegen.
Mehr Vermögen eingefroren
Während die Anzeigepflicht bislang verpufft, hat es zuletzt aber auch Fortschritte gegeben. So ist aus den Bundesländern zu hören, dass die Zusammenarbeit der Behörden mittlerweile deutlich besser läuft. Der Austausch über die Taskforce, die im März eingerichtet wurde, sei dabei hilfreich.
Zudem konnten zuletzt deutlich mehr Gelder und Vermögenswerte eingefroren werden. Laut Angaben des Bundesfinanzministeriums betrug der Gesamtwert bis Ende Juni 4,39 Milliarden Euro. Dabei ist der deutliche Anstieg - Ende April wurden noch 137,9 Millionen genannt - zum einen darauf zurückzuführen, dass mittlerweile auch die festgesetzten Luxusjachten und Unternehmensanteile in die Berechnung einfließen. Zum anderen hat es aber auch bei den Geldern, die deutsche Kreditinstitute eingefroren haben, einen sprunghaften Anstieg auf jetzt 2,26 Milliarden Euro gegeben. Zur Erklärung verweist das Finanzministerium auf das sechste Sanktionspaket der EU.
Berechnungsgrundlage geändert
Mittlerweile zählt Deutschland damit auch innerhalb der EU zu den Staaten, in denen vergleichsweise viel Vermögen eingefroren wurde. Ein Sprecher der EU-Kommission teilte auf Anfrage mit, dass in der EU bislang 13,9 Milliarden Euro Oligarchen-Vermögen eingefroren wurden. Länderspezifische Daten gibt die Kommission allerdings nicht heraus und verweist auch darauf, dass in ihrer Berechnung die Zahlen für Deutschland etwas anders seien.
Auch die EU hatte zuletzt ihre Berechnungsgrundlage geändert. So hatte sie im April noch von eingefrorenen Vermögen von knapp 30 Milliarden Euro berichtet. Da es zu eingefrorenen Geldern der russischen Zentralbank allerdings keine neuen Zahlen gebe, werden diese laut einem Sprecher der EU-Kommission mittlerweile nicht mehr berücksichtigt. Darum bereinigt habe es seit dem April einen Anstieg von 6,7 auf jetzt 13,9 Milliarden Euro eingefrorene Vermögen gegeben.
Eine Reform soll kommen
Derzeit arbeiten das Finanzministerium und das Wirtschaftsministerium am Entwurf für einen zweiten Teil des Sanktionsdurchsetzungsgesetzes, das grundlegendere Reformen bei der Sanktionsdurchsetzung vorsieht.
Der Entwurf soll im Spätsommer vom Bundeskabinett gebilligt werden, damit das Gesetz bis Jahresende verabschiedet werden kann. Der Opposition dauert das deutlich zu lange.
Matthias Hauer, Finanzpolitiker der CDU/CSU-Fraktion, sagte dem ARD-Hauptstadtstudio, es verstreiche wichtige Zeit, in der Vermögen auch ins Ausland abfließen könnten. Dabei wären das auch Gelder, so Hauer, "die dringend notwendig wären", um sie beispielsweise für den Wiederaufbau der Ukraine zu verwenden.