Holocaust-Äußerung im Kanzleramt Kritik an Abbas - und an Scholz
Der Holocaust-Vergleich von Palästinenserpräsident Abbas sorgt unter deutschen Parteien und in Israel für Empörung. Die Kritik richtet sich auch gegen Bundeskanzler Scholz - und sein Schweigen im falschen Moment.
Nach dem Vergleich des Vorgehens Israels gegen Palästinenser mit dem Holocaust steht der Präsident der palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmoud Abbas, zunehmend im Fokus scharfer Kritik. Doch auch gegenüber Bundeskanzler Olaf Scholz mehren sich die kritischen Töne.
Der neue deutsche Botschafter in Israel und ehemalige Regierungssprecher Steffen Seibert beschränkte seine Kritik per Tweet auf Abbas. Seine Äußerung bei einer Pressekonferenz in Berlin sei "falsch und inakzeptabel" gewesen, schrieb Seibert per Tweet. "Deutschland wird niemals einen Versuch dulden, die Einzigartigkeit der Verbrechen des Holocaust zu leugnen", so der neue Botschafter.
Aus Sicht des Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung, Felix Klein, habe der Palästinenserpräsident mit seiner Aussage "jegliche Sensibilität gegenüber uns deutschen Gastgebern vermissen lassen". Abbas "erweist den berechtigten palästinensischen Anliegen dadurch keinen Dienst", so Klein weiter.
Pressekonferenz nach Abbas' Aussage beendet
Nach Gesprächen mit Kanzler Scholz hatte sich Abbas bei der anschließenden Pressekonferenz wie folgt geäußert: "Israel hat seit 1947 bis zum heutigen Tag 50 Massaker in 50 palästinensischen Orten begangen". Und Abbas fügte hinzu: "50 Massaker, 50 Holocausts."
Der heutige Regierungssprecher Steffen Hebestreit beendete die Pressekonferenz daraufhin. Von Scholz, dem die Empörung laut ARD-Korrespondent Christian Feld zwar deutlich anzusehen gewesen sei, kamen keine direkten Widerworte auf Abbas' Aussage.
Union prangert fehlende Reaktion des Kanzlers an
Und genau dafür gerät nun auch der Kanzler zunehmend in die Kritik. "Ein unfassbarer Vorgang im Kanzleramt", schrieb CDU-Chef Friedrich Merz auf Twitter. Der Kanzler hätte dem Palästinenserpräsidenten "klar und deutlich widersprechen" müssen.
Ähnlich äußerten sich der CDU-Abgeordnete Matthias Hauer: "Nach einer solchen Entgleisung zu schweigen ist unverzeihlich." Die stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Karin Prien hielt ihre Kritik kurz und knapp, aber deutlich: "Zu wenig, zu spät", schrieb sie, gemünzt auf Scholz, ebenfalls per Tweet.
FDP-Fraktionsvize Alexander Graf Lambsdorff hingegen stellte sich vor den Bundeskanzler, immerhin sei dessen Empörung "klar sichtbar" gewesen.
"Relativierung unerträglich und inakzeptabel"
In einem Gespräch mit der "Bild" wies Scholz später den Holocaust-Vorwurf mit deutlichen Worten zurück. "Gerade für uns Deutsche ist jegliche Relativierung des Holocaust unerträglich und inakzeptabel", so der Bundeskanzler.
So äußerte sich der SPD-Politiker später auch auf Twitter. Er verurteile jeden Versuch, "die Verbrechen des Holocaust zu leugnen", schrieb Scholz.
Scholz hatte Abbas bereits vorher in der Pressekonferenz kritisiert, weil er die israelische Politik als "Apartheidssystem" bezeichnet hatte. "Ich will ausdrücklich hier an dieser Stelle sagen, dass ich mir das Wort 'Apartheid' nicht zu eigen mache, und dass ich das nicht für richtig halte für die Beschreibung der Situation", sagte Scholz.
Abbas hatte zuvor gesagt, die "Umwandlung in die neue Realität eines einzigen Staates in einem Apartheid-System" diene nicht der Sicherheit und Stabilität in der Region.
Israels Regierungschef: "Moralische Schande"
Der israelische Ministerpräsident Jair Lapid wies den Holocaust-Vorwurf mit deutlichen Worten zurück. "Dass Mahmud Abbas Israel beschuldigt, "50 Holocausts" begangen zu haben, während er auf deutschem Boden steht, ist nicht nur eine moralische Schande, sondern eine ungeheuerliche Lüge", schrieb Lapid auf Twitter und verwies auf die sechs Millionen Jüdinnen und Juden, die im Holocaust ermordet wurden. Die Geschichte werde Abbas niemals verzeihen.
Lapid ist selbst Sohn eines Holocaust-Überlebenden.
Auschwitz-Komitee übt scharfe Kritik
Auch das Internationale Auschwitz-Komitee kritisierte Abbas' Aussage und die Reaktion der deutschen Seite scharf. Zu Abbas sagte der Exekutiv-Vizepräsident Christoph Heubner, der Präsident habe "die politische Bühne Berlins gezielt genutzt, um die deutsche Erinnerungskultur und die Beziehungen zum Staat Israel zu diffamieren. Mit seinem schändlichen und unangemessenen Holocaust-Vergleich hat Abbas erneut versucht, antiisraelische und antisemitische Aggressionen in Deutschland und Europa zu bedienen."
Auch an der Bundesregierung übte Heubner Kritik. "Es ist erstaunlich und befremdlich, dass die deutsche Seite auf Abbas' Provokationen nicht vorbereitet war und seine Äußerungen zum Holocaust in der Pressekonferenz unwidersprochen geblieben sind".
Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland verurteilte die Äußerungen von Abbas "auf das Schärfste". Der Palästinenserpräsident relativiere damit nicht nur die Schoah und die nationalsozialistische Vernichtungspolitik. Schuster betonte:
Er tritt das Andenken an sechs Millionen ermordete Jüdinnen und Juden mit Füßen und beschädigt die Erinnerung an alle Opfer des Holocaust.
Doch auch in Richtung Bundesregierung richtete der Zentralratspräsident mahnende Worte: "Dass eine Relativierung des Holocaust, gerade in Deutschland, bei einer Pressekonferenz im Bundeskanzleramt, unwidersprochen bleibt, halte ich für skandalös."