Krieg gegen die Ukraine Scholz verurteilt "Massaker" in Butscha
"Kriegsverbrechen", "entsetzliche Bilder", "tief erschüttert". Kanzler Scholz hat erneut den russischen Krieg gegen die Ukraine und die Gräueltaten in Butscha verurteilt. Er kündigte weitere Waffenlieferungen an.
Bundeskanzler Olaf Scholz hat dem russischen Militär Kriegsverbrechen in der ukrainischen Stadt Butscha vorgeworfen. Russische Soldaten hätten dort "ein Massaker an ukrainischen Zivilisten verübt, darunter Kinder, Frauen und alte Menschen", sagte der SPD-Politiker im Bundestag. "Die Ermordung von Zivilisten ist ein Kriegsverbrechen."
Täter "müssen zur Rechenschaft gezogen werden"
Die "entsetzlichen Bilder" aus Butscha hätten "uns alle tief erschüttert", sagte Scholz. Behauptungen der russischen Führung, wonach entsprechende Aufnahmen gefälscht seien, wies er scharf zurück: "Die von Russland verbreitete zynische Behauptung, es handele sich bei diesem Thema um eine Inszenierung, fällt auf diejenigen zurück, die diese Lügen verbreiten." Die Täter und ihre Auftraggeber "müssen zur Rechenschaft gezogen werden", verlangte Scholz.
"Das Töten des russischen Militärs" in der Ukraine gehe unterdessen unvermindert weiter, sagte der Kanzler. Es müsse damit gerechnet werden, dass es weitere Bilder wie aus Butscha geben werde. Scholz forderte den russischen Präsidenten Wladimir Putin erneut auf, den "zerstörerischen und selbstzerstörerischen" Krieg in der Ukraine sofort zu beenden.
Zuvor hatte auch Bundestagspräsidentin Bärbel Bas die Vorkommnisse in Butscha verurteilt. Dort seien "unbegreifliche Gräueltaten" verübt worden, sagte die SPD-Politikerin zu Beginn der Bundestagssitzung. An vielen Orten in der Ukraine würden Städte belagert, "Evakuierungen und humanitäre Hilfe blockiert, die Versorgung mit Lebensmitteln, Wasser und Strom wird systematisch gekappt." Es gehe "offensichtlich um Terror gegen das ganze Volk", sagte Bas und fügte hinzu: "Der Deutsche Bundestag verurteilt diese Kriegsverbrechen aufs Schärfste."
Waffenlieferungen in Abstimmung mit EU und NATO
Scholz kündigte zudem weitere Waffenlieferungen an die Ukraine an. Man werde der Ukraine in Abstimmung mit den EU- und NATO-Partnern auch weiter Waffen liefern und den Druck auf Russland über Sanktionen erhöhen. "All das, was sinnvoll ist und schnell wirkt, das wird geliefert", sagte er. Seine Regierung werde "alles, was richtig und sinnvoll ist, auf den Weg bringen". Diese Lieferungen sollten zum Ziel der Bundesregierung beitragen, "dass Russland diesen Krieg nicht gewinnt". Dieses Ziel stehe "hinter den Aktivitäten, die wir unternehmen, wenn es nun um Waffenlieferungen geht", sagte der Kanzler.
Ausdrücklich nahm Scholz Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht gegen den Vorwurf in Schutz, nicht schnell genug auf den Bewaffnungsbedarf der Ukraine zu reagieren. Lambrecht unternehme "alles, was angesichts der Beschlusslage unserer Alliierten und mit Blick auf die Fähigkeiten der Bundeswehr machbar ist", sagte der Kanzler. Er betonte, dass seine Regierung mit der Praxis der Vorgängerregierungen gebrochen habe, keine Waffen in Kriegsgebiete zu liefern. Dies sei ein "Bruch mit langen Traditionen", sagte Scholz. "Das ist eine richtige Entscheidung, die wir abgewogen, aber auch schnell getroffen haben."
Die deutschen Waffen hätten bereits einen "erheblichen Beitrag" im Kampfgeschehen in der Ukraine geleistet. Als Beispiele nannte Scholz die von Deutschland gelieferten Panzer- und Flugabwehrsysteme samt Munition. Über weitere Lieferungen werde bereits mit der Ukraine verhandelt, sagte Scholz. Dies betreffe nicht nur Waffen aus Beständen der Bundeswehr, sondern auch Systeme, die neu auf dem Rüstungsmarkt erworben werden könnten.
Abhängigkeit von russischer Energie reduzieren
Scholz stellte sich auch grundsätzlich hinter die geplanten neuen Sanktionen gegen Russland, äußerte sich aber nicht zu Details. Das fünfte Sanktionspaket sei in der finalen Debatte, "es wird noch einmal präzise dazu beitragen, dass Russland die Folgen dieses Krieges spürt, auch um zu erreichen, dass es den Krieg beendet", sagte er.
Zugleich betonte der Kanzler das Ziel der Reduzierung der Abhängigkeit vom Import russischer Energie. "Wir wissen alle: Diese Abhängigkeiten sind über Jahrzehnte gewachsen, und sie lassen sich nicht von einem Tag auf den anderen beenden." Deshalb sei hier ein gemeinsamer europäischer Kurs wichtig. Die Weichen seien gestellt, "und sie werden auch nach dem Krieg weiter einen Kurs vorgeben, den wir zu gehen haben". Die EU-Kommission hatte ein Embargo gegen Kohle aus Russland vorgeschlagen. Beschließen kann das EU-Parlament solche Sanktionen jedoch nicht, das machen die EU-Staaten.
Scholz sprach sich allerdings dagegen aus, die Kernkraftwerke in Deutschland länger zu nutzen. Das sei "kein guter Plan", sagte er. Die Atomkraftwerke seien nicht für einen Weiterbetrieb vorbereitet, außerdem habe sich Deutschland "aus gutem Grund" entschieden, den Betrieb auslaufen zu lassen. Wolle man die Kernkraftwerke deswegen länger laufen lassen, seien neue Brennstäbe und andere nukleare Ressourcen nötig, sagte Scholz. Diese seien jedoch nicht einfach verfügbar. Scholz sprach von einer "Milchmädchenrechnung" und wies darauf hin, dass sich auch lange nicht alle fossilen Importe durch Atomenergie ersetzen ließen. So würden etwa Öl-Importe auch zur Herstellung chemischer Produkte gebraucht.
Sicherheitsgarantien "noch nicht ausbuchstabiert"
Die von der Ukraine angebotene Neutralität bei einem Ende des russischen Angriffskriegs ist aus Sicht von Scholz ein "großes Zugeständnis gegenüber dem Aggressor". Er stellte mit Blick auf die Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine zugleich klar: "Es darf nicht auf einen Diktatfrieden hinauslaufen." Wenn er mit dem russischen Präsidenten Putin spreche, mache er immer klar: "Es sind die Ukrainerinnen und Ukrainer, die über das, was sie zu vereinbaren bereit sind, verhandeln. Niemand sonst."
Die aufgekommene Frage von Sicherheitsgarantien für die Ukraine sei "noch nicht ausbuchstabiert", sagte der SPD-Politiker. "Selbstverständlich reden wir darüber - aber das auch in der notwendigen Vertraulichkeit - mit der Ukraine und tun das auch mit den anderen, die angesprochen sind." Dies lasse sich im Moment aber noch nicht weiter konkretisieren. Zunächst müssten erst die Fragen, die garantiert werden sollen, geregelt werden.
Appell an Bundesländer
Einen Tag vor der Bund-Länder-Runde rief Scholz die Länder auf, sich bei der Aufnahme von Flüchtlingen aus der Ukraine nicht in einen Streit über die Finanzierung zu verstricken. "Ich wünsche mir, dass wir nicht eine ewig lange Diskussion über die finanziellen Fragen zwischen den verschiedenen Ebenen unseres Landes haben, sondern dass wir uns schnell und zügig einigen zwischen dem Bund, den Ländern", sagte er. Die eigentliche Aufgabe sei, den Flüchtlingen zu helfen, die in Deutschland Schutz gesucht hätten.
Die große Solidarität der Zivilbevölkerung müsse dabei Ansporn sein. "Diese Hilfe ist wichtig und sie tut gut", so der Bundeskanzler. Bei dem Bund-Länder-Gipfel soll es unter anderem um die Kosten für die geleisteten Hilfen für geflüchtete Ukrainer und um die Verteilung zwischen Bund und Ländern gehen.