Scholz mahnt zu Abschreckung "Damit wir uns wirksam verteidigen können"
Zum zweiten Jahrestag des russischen Überfalls auf die Ukraine hat Kanzler Scholz zu einer Politik der Abschreckung aufgerufen. Deutschland und Europa müssten noch mehr tun, um sich wirksam verteidigen zu können.
Zwei Jahre Krieg mitten in Europa: Bundeskanzler Olaf Scholz hat anlässlich des zweiten Jahrestages des russischen Überfalls auf die Ukraine zu größeren Anstrengungen in Deutschland und Europa für eine effektive Verteidigung aufgerufen. Russland trete den Grundsatz, dass man Grenzen nicht durch Gewalt verändere, "jeden Tag mit Füßen", sagte der Kanzler in seiner wöchentlichen Videobotschaft. "Russland greift damit nicht nur die Ukraine an, sondern zerstört die Friedensordnung Europas."
Die Ukraine werde deswegen bei ihrer Selbstverteidigung unterstützt - "und zwar so lange wie nötig", unterstrich der Kanzler. "Und wir, Deutschland und Europa, tun mehr - und müssen noch mehr tun - damit wir uns wirksam verteidigen können."
"...dass niemand es wagt, uns anzugreifen"
Eine Rückkehr zur Politik der Abschreckung sei nötig. Wörter wie "Abschreckung" und "Verteidigungsbereitschaft" seien "ungewohnte Worte für manche aus dem Mund eines Bundeskanzlers", meinte Scholz. Sie stünden aber für eine wichtige Aufgabe: "Zusammen mit unseren Verbündeten müssen wir so stark sein, dass niemand es wagt, uns anzugreifen. So sorgen wir für unsere Sicherheit. Und so verteidigen wir den Frieden in Europa."
Die beste Garantie dafür bleibe die NATO - "und zwar auf beiden Seiten des Atlantiks", betonte der Kanzler. Deutschland stärke seine Bundeswehr und die Verteidigung Europas. "Das ist unser Beitrag zu einer starken NATO."
Damit ging der Kanzler indirekt noch einmal auf die zuletzt von Ex-US-Präsident Donald Trump befeuerte Debatte um die Höhe der Militärausgaben der NATO-Mitglieder ein.
Scholz und die Zeitenwende
Deutschland investiere in diesem Jahr erstmals seit Jahrzehnten zwei Prozent seiner Wirtschaftsleistung in die Verteidigung, sagte der Kanzler mit Blick auf das geforderte Ziel der NATO für seine Mitglieder. "Und dabei wird es auch in den kommenden Jahren und Jahrzehnten bleiben", versprach er. Zugleich räumte er ein, "dass die Bundeswehr über viele Jahre vernachlässigt wurde". Das sei auch kein Geheimnis. "Seit der Zeitenwende ist Schluss damit", sagte er in Anspielung auf seine "Zeitenwende"-Rede im Bundestag am 27. Februar 2022. Damals kündigte er auch das 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Bundeswehr an.
Neue Hubschrauber und Kampfjets
Scholz wies darauf hin, dass von dem Sondervermögen für die Bundeswehr bereits 80 Milliarden Euro fest verplant seien, "um unsere Soldatinnen und Soldaten besser auszustatten". So seien neue Hubschrauber und Kampfjets bestellt worden, die Marine erhalte neue Fregatten und U-Boote und das Heer modernisierte Schützenpanzer. Zugleich werde die Luftverteidigung gegen Raketen und Drohnen ausgebaut.
Wichtig seien auch Kooperationen mit europäischen Partnern, um eine leistungsfähige Verteidigungsindustrie in Deutschland und Europa aufzubauen, hob Scholz hervor. "Die wichtigsten Waffensysteme und vor allem auch Munition müssen kontinuierlich vom Band laufen." Dafür müssten die Europäer ihre Bestellungen bündeln. "Das alles verlangt uns einiges ab, auch finanziell", räumte Scholz ein. "Aber eins ist doch ganz klar: Ohne Sicherheit ist alles andere nichts." Ohne Sicherheit gebe es keine Freiheit, keine Demokratie und keine Menschenrechte. Deutschland sei auf dem richtigen Weg: "Wir verteidigen unsere Sicherheit - mit Entschlossenheit und mit Augenmaß."
Ukraine in der Defensive
Vor zwei Jahren, am 24. Februar 2022, hatten russische Truppen das Nachbarland in einer großangelegten Operation überfallen. Seither wehrt sich die Ukraine gegen die Angreifer, auch mit Hilfe westlicher Waffen. Nach langem Zögern gehört Deutschland inzwischen zu den größten militärischen Unterstützern Kiews. Nichtsdestotrotz befindet sich das Land gegen den übergroßen Aggressor seit einiger Zeit in der Defensive - auch wegen eines Mangels an Munition. Zuletzt hatten russische Truppen nach monatelangen Kämpfen das im Osten liegende Awdijiwka erobert. Dies gilt als größter Erfolg der russischen Armee in dem Krieg seit der Einnahme der nahegelegenen Stadt Bachmut im Mai vorigen Jahres.
Schraffiert: von Russland besetzte Gebiete