Gerhard Schröder (Archivbild)
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Sonderrechte für Altkanzler Schröder versus Bundestag

Stand: 04.05.2023 05:32 Uhr

Im Frühjahr vergangenen Jahres entzog der Haushaltsausschuss des Bundestags Altkanzler Schröder das Anrecht auf Büro und Mitarbeiter. Dagegen wehrt er sich vor Gericht. Wie stehen seine Chancen?

Von Kerstin Anabah, ARD-Rechtsredaktion, ARD-Rechtstredaktion

Die Ausgangslage

Gerhard Schröder war von 1998 bis 2005 Bundeskanzler. Nach dem Ende seiner Amtszeit erhielt er ein Büro samt Mitarbeitern. Die Mittel dafür kamen aus der Staatskasse. Das entspricht jahrzehntelanger Praxis: Ehemalige Kanzler sollen so fortwirkende Aufgaben aus ihrem früheren Amt abwickeln können.

Im Mai 2022 aber beschloss der Haushaltsausschuss des Bundestags, das Büro "ruhend zu stellen". Das Personal sollte anderweitige Aufgaben wahrnehmen. Das Ganze geschah zu einer Zeit, als Gerhard Schröder wegen seiner Nähe zu Russlands Präsident Wladimir Putin heftig kritisiert wurde. Nun klagt der Altkanzler vor dem Verwaltungsgericht Berlin wegen der Streichung der Mittel für das Büro und die Mitarbeiter. Heute ist die Verhandlung.

Was fordert Schröder?

Der Bundeskanzler a. D. verlangt vom Bundestag, seine zum Teil entzogenen Sonderrechte wiederherzustellen. Das heißt, er will wieder ein Altkanzler-Büro mit der bisherigen Sach- und Stellenausstattung. Der Anspruch ergebe sich aus der bisherigen Staatspraxis, entstandenem Gewohnheitsrecht und dem Gleichbehandlungsgrundsatz aus Artikel 3 Grundgesetz.

Alle ehemaligen Bundeskanzler und Bundeskanzlerinnen hätten bisher ein Büro auf Lebenszeit erhalten, ohne dass darauf abgestellt worden sei, ob und wie lange sie fortwirkende Aufgaben aus ihrem Amt wahrgenommen hätten. Im Übrigen übernehme er solche Aufgaben weiterhin.

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Andre Kartschall, RBB, tagesschau, 04.05.2023 12:00 Uhr

Wie wird der Entzug der Sonderrechte begründet?

Die beklagte Seite argumentiert unter anderem, ein Verstoß gegen Artikel 3 Grundgesetz liege nicht vor, da Schröder - seit 17 Jahren nicht mehr Bundeskanzler - keine fortwirkenden Verpflichtungen aus seinem Amt mehr wahrnehme. Mit Schröders Arbeit für die Energiefirmen oder seiner Haltung zum russischen Krieg in der Ukraine wurde die Entscheidung gerade nicht begründet.

Welche Chancen hat Schröder?

Schröder müsste einen Anspruch auf das Büro samt Mitarbeiter haben. Das heißt, es müsste eine rechtliche Grundlage für eine derartige Ausstattung von Altkanzlern geben. Die Bundeshaushaltsordnung schließt einen Anspruch ausdrücklich aus. Dort heißt es in Paragraph 3 Absatz II: "Durch den Haushaltsplan werden Ansprüche oder Verbindlichkeiten weder begründet noch aufgehoben".

Für Joachim Wieland, Professor für Öffentliches Recht an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer, steht fest: "Gegen dieses gesetzliche Verbot kann sich kein Gewohnheitsrecht bilden. Vielmehr darf der Staat kein Geld verschenken. Er kann also ein Büro nur finanzieren, wenn er darin einen Nutzen für die Allgemeinheit sieht. Wenn das in der Vergangenheit nicht beachtet worden sein sollte, ist das nunmehr dringend nötig."

Bei der Einschätzung, ob die Finanzierung eines Büros im Interesse der Allgemeinheit ist, habe der Haushaltsgesetzgeber ein weites Ermessen. Der Gleichheitssatz des Artikels 3 Grundgesetz erlaube durchaus eine unterschiedliche Behandlung, je nachdem wie die Einschätzung konkret ausfalle.

An die jeweilige Entscheidung sei das Bundeskanzleramt dann gebunden. "Keinesfalls", so die Auffassung von Rechtswissenschaftler Wieland, "besteht in irgendeinem Fall ein Anspruch darauf, dass ein Büro auf Lebenszeit zur Verfügung gestellt wird". Für Schröder sieht der Professor für Öffentliches Recht deshalb keine Erfolgschancen vor Gericht.

Gab es schon einmal so einen Fall?

Dass ein Altkanzler 17 Jahre nach dem Ausscheiden aus seinem Amt vor Gericht um sein Büro kämpft, ist einmalig. Vergleichbare Fälle gab es bisher nicht.

Wie läuft die Verhandlung ab?

Die Verhandlung des Verwaltungsgerichts Berlin beginnt um 9.30 Uhr. Laut Gerichtssprecher ist eine Entscheidung am gleichen Tag möglich.

Die Entscheidung dürfte auf breites Interesse stoßen - nicht zuletzt deshalb, weil auch andere ehemalige Repräsentanten Deutschlands nach dem Ausscheiden Büros zur Verfügung gestellt bekommen. Bundespräsidenten etwa erhalten bisher lebenslang eine umfangreiche Ausstattung zum Betrieb eines Büros. Bei Bundestagspräsidenten ist die Bereitstellung zeitlich auf vier Jahre befristet.

Kai Küstner, ARD Berlin, tagesschau, 04.05.2023 06:43 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Inforadio am 04. Mai 2023 um 07:03 Uhr.