Geplantes Selbstbestimmungsgesetz Es geht um Menschenwürde
Mit seinem Vorschlag zum Selbstbestimmungsgesetz ist das Bundeskabinett einen so wichtigen wie juristisch überfälligen Schritt gegangen. Die Frage der Geschlechtsidentität ist höchst persönlich und nicht verhandelbar.
Es ist ein großes Missverständnis: Das Selbstbestimmungsrecht sei Gender-Ideologie - so, wie es jetzt von Kritikern aus der Union oder der AfD zu hören ist. Diese Kritiker denken bei Geschlechtern an Mann und Frau. Etwas anderes scheint es für sie nicht zu geben. Das Leben ist aber zum Glück bunter als schwarz und weiß.
Biologisches Geschlecht und geschlechtliche Identität sind zwei unterschiedliche Dinge. Sie müssen nicht übereinstimmen. Und es steht Staat und Politik nicht zu, darüber zu urteilen.
Es gibt Menschen, die sich keinem Geschlecht zuordnen wollen. Andere, die sich dem falschen Geschlecht zugeordnet fühlen. Der Staat hat diese Menschen bisher behandelt, als seien sie krank. Bundesjustizminister Marco Buschmann stellt jetzt richtigerweise fest: Sie sind nicht krank, sie sind nicht abnormal. Ein wichtiger Fortschritt.
Kritiker arbeiten mit Unterstellungen
Mit diesem Gesetz wird die Ampel ihrem eigenen Anspruch gerecht, den Rechtsstaat zu modernisieren. Doch das hat länger gedauert als geplant. Und ist komplizierter geworden als nötig. Es wirkt, als wollte die Regierung vorab jeden Einzelfall regeln - nur, um ihren Kritikern entgegenzukommen.
Dabei arbeiten diese Kritiker oft mit Unterstellungen und falschen Annahmen. Als ob Männer jetzt reihenweise zum Standesamt gingen und ihr Geschlecht ändern ließen, um anschließend in der Frauensauna zu gaffen. Als ob Menschen, die Diskriminierung erfahren haben, jetzt den Konflikt suchen würden. Als ob Minderjährige massenhaft ihr Geschlecht wechselten, weil das gerade angesagt ist. Und als ob Eltern kurz nach der Geburt ihres Kindes leichtfertig den Geschlechtseintrag ihres Babys ändern ließen.
Staat muss Grundrecht garantieren
Das Selbstbestimmungsrecht ist nicht nur eine gesellschaftspolitische Notwendigkeit, sondern auch eine juristische. Das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach Teile des bisherigen Transsexuellengesetzes gekippt. Neue Regeln sind allein deshalb überfällig. Der Bundestag sollte sie rasch beschließen.
Das Gesetz nimmt niemandem etwas weg, es zwingt niemandem irgendetwas auf, aber es macht einer Gruppe das Leben leichter. Zahlenmäßig mag das eine kleine sein. Aber beim Selbstbestimmungsgesetz geht es im Kern um die Frage, wie sehr der Staat die Menschenwürde und die freie Entfaltung der Persönlichkeit für alle garantiert. Den Kritikern sei ein Blick auf die ersten Artikel des Grundgesetzes empfohlen.