Scholz und Cum-Ex Schatten der Vergangenheit
Olaf Scholz gelingt es nicht, den Warburg-Bank-Skandal abzuschütteln. Das ist nicht nur für den Kanzler eine Belastung - sondern auch für seine Partei. Heute stellt er sich den Fragen des U-Ausschusses in Hamburg.
Es ist dem Bundeskanzler anzumerken, dass ihn die Fragen zur Cum-Ex-Affäre um die Hamburger Warburg-Bank zunehmend nerven. Vergangene Woche wird das Thema bei seiner Sommerpressekonferenz in Berlin von gleich sechs Journalistinnen und Journalisten angesprochen. Olaf Scholz möchte an diesem Tag eigentlich über das geplante dritte Entlastungspaket für die Bürgerinnen und Bürger sprechen, doch erneut holt den Kanzler seine Zeit als Erster Bürgermeister Hamburgs ein.
Hat es 2016 und 2017 eine politische Einflussnahme auf die Entscheidungen der Hamburger Finanzbehörde gegeben, viele Millionen Euro an durch Cum-Ex-Geschäfte geklautem Steuergeld von der Warburg-Bank nicht zurückzufordern?
Scholz stellt sich Untersuchungsausschuss
Mit dieser Frage beschäftigt sich in der Hamburgischen Bürgerschaft ein Untersuchungsausschuss. Heute Nachmittag wird Scholz sich dort erneut den Fragen der Abgeordneten stellen. Doch auch in Berlin muss er sich dazu seit mittlerweile mehr als zwei Jahren immer wieder äußern - zunächst als Bundesfinanzminister, mittlerweile als Bundeskanzler. Die Botschaft von Scholz ist dabei stets die gleiche: Es habe damals in Hamburg keinen politischen Einfluss auf die Entscheidungen der Finanzbehörde gegeben.
Bei der Pressekonferenz vergangene Woche wird deutlich: Der Kanzler möchte das Thema endlich abräumen. Statt auf konkrete Fragen zu antworten, wird er mehrfach grundsätzlich. Alles was er berichten könne, habe er bereits berichtet.
Wir haben jetzt wirklich alle Scheinwerfer angeschaltet. Wir haben jeden befragt. Wir haben jede Unterlage eingesehen. Und wir haben rausgefunden, es gibt kein einziges Indiz für eine Einflussnahme durch politische Entscheidungsträger auf das, was dort jeweils fachlich erörtert und entschieden worden ist in der Finanzverwaltung.
Scholz' Botschaft: Zeit für einen Schlussstrich
Er habe zwar keinen Anspruch darauf, aber er sei "Mensch genug", dass er sich darüber freuen würde, wenn der ein oder andere es "mal über sein Herz" brächte, einzugestehen, dass in zweieinhalb Jahren nichts herausgefunden wurde. Die Botschaft des Bundeskanzlers ist klar: Es ist Zeit für einen Schlussstrich.
Doch so sehr Scholz sich auch darum bemüht - es gelingt ihm nicht, die Diskussionen zu beenden. Gründe dafür gibt es gleich mehrere. Zum einen sorgen immer neue Enthüllungen dafür, dass neue Fragen aufkommen.
Sei es ein Frühstück eines engen Scholz-Mitarbeiters mit dem Eigner der Warburg-Bank - zu einem Zeitpunkt, als die Ermittlungen längst öffentlich bekannt waren. Seien es Chat-Protokolle einer Hamburger Finanzbeamtin, die von einem "teuflischen Plan" schreibt. Seien es Meldungen darüber, dass die Kölner Staatsanwaltschaft auch E-Mail-Postfächer von Scholz und einer engen Mitarbeiterin durchsuchen ließ und dem Verdacht nachgeht, dass in Hamburg Daten gelöscht wurden. Oder seien es Nachrichten über einen hohen Bargeldfund in einem Schließfach des ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs.
Stets werden Fragen laut, ob es nicht doch eine politische Einflussnahme in Hamburg gegeben hat.
Keine strafrechtlichen Ermittlungen
Es ist wichtig zu betonen: Gegen Scholz wird nicht strafrechtlich ermittelt. Die Generalstaatsanwaltschaft Hamburg hat das diese Woche noch einmal ausdrücklich klargestellt. Doch damit ist die Sache für Scholz und die SPD politisch noch nicht ausgestanden. Denn dass es "kein einziges Indiz" für eine Einflussnahme gebe, wird unter anderem von der Opposition grundsätzlich anders bewertet. Auch das macht einen baldigen Schlussstrich unwahrscheinlich.
Der Obmann der CDU/CSU-Fraktion im Finanzausschuss des Bundestags, Matthias Hauer, wirft Scholz etwa vor, bei dem Thema Cum-Ex "völlig unglaubwürdig" zu sein. Der Bundeskanzler antworte auf Fragen "auffällig patzig, einsilbig, ausweichend". Man spüre, dass ihm diese Fragen "maximal unangenehm" seien, so der CDU-Politiker im Gespräch mit dem ARD-Hauptstadtstudio.
Und deshalb werde auch er weiter an dem Thema dranbleiben. Hauer wirft dem Kanzler vor, stets nur das einzuräumen, was bereits öffentlich bekannt geworden sei. Die von Scholz angeführten Erinnerungslücken zu Treffen mit dem Eigner der Warburg-Bank in Hamburg, nimmt er ihm nicht ab. Es sei "völlig lebensfremd", dass er sich an einen Vorgang dieser Dimension nicht mehr erinnern könne.
Schlechte Umfragewerte
Aktuell sind die Umfragewerte der SPD auf Bundesebene mäßig, im Oktober stehen wichtige Landtagswahlen in Niedersachsen an. Die öffentlichen Diskussionen über die Glaubwürdigkeit von Olaf Scholz sind für die SPD nicht hilfreich und bieten der Opposition eine willkommene Angriffsfläche. Dennoch ist fraglich, wie bedrohlich das Thema für den Kanzler und seine Partei tatsächlich ist.
Ein Blick in die Vergangenheit zeigt: Bereits mehrfach waren Fragen zur Warburg-Bank zu Zeiten hochgekocht, die für die SPD unangenehm waren. So etwa wenige Tage vor der Bürgerschaftswahl 2020 in Hamburg und ebenfalls unmittelbar vor der Bundestagswahl 2021. Obwohl die anderen Parteien auch damals die SPD scharf kritisierten, ließen die Wählerinnen und Wähler sich davon kaum beeindrucken. Die SPD siegte bei beiden Wahlen und stellte den Ersten Bürgermeister in Hamburg und nun den Bundeskanzler.
Auch jetzt scheint die SPD darauf zu vertrauen, dass es für sie am besten ist, möglichst wenig zu dem Thema zu kommunizieren. Interviewanfragen des ARD-Hauptstadtstudios an den SPD-Parteivorstand und die SPD-Bundestagsfraktion wurden höflich und zügig abgesagt.
Und so richten sich heute alle Blicke auf den Auftritt von Scholz in Hamburg. Dass er dort allerdings Neues verkünden wird, ist unwahrscheinlich. Vergangene Woche sagte Scholz in Berlin, er habe bereits "alles präzise beschrieben, was möglich ist". Und er werde "genau diese präzise Beschreibung, die ich schon einmal vorgetragen habe, gerne wiederholen". Für einen Schlussstrich wird das kaum reichen.