Verhandlung in Karlsruhe Keine Steuermittel für Verfassungsfeinde?
Das Bundesverfassungsgericht verhandelt zum ersten Mal darüber, einer Partei die staatlichen Zuschüsse zu entziehen. Liegen bei der rechtsextremen NPD, die nun "Die Heimat" heißt, die Voraussetzungen dafür vor?
Parteien haben eine wichtige Aufgabe in der Demokratie. Laut Grundgesetz wirken sie bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Nach dem Parteiengesetz finanzieren die Parteien sich zum einen über Beiträge und Spenden, zum anderen über die so genannte staatliche Teilfinanzierung.
Die Höhe der Zuschüsse durch den Staat ergibt sich aus der "Verwurzelung in der Gesellschaft". Und die ergibt sich laut Parteiengesetz nach ihrem Erfolg bei Europa-, Bundestags- und Landtagswahlen sowie der Höhe der Spenden und Beiträge aus der Bevölkerung.
Verbot der NPD war 2017 gescheitert
2017 war am Bundesverfassungsgericht das zweite Parteiverbotsverfahren gegen die NPD gescheitert. Die Richterinnen und Richter hatten der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands zwar klar verfassungsfeindliche Ziele bescheinigt. Im Urteil vom 17. Januar 2017 hieß es unter anderem:
Die Antragsgegnerin strebt nach ihren Zielen und dem Verhalten ihrer Anhänger die Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung an. Sie zielt auf eine Ersetzung der bestehenden Verfassungsordnung durch einen an der ethnischen "Volksgemeinschaft" ausgerichteten autoritären "Nationalstaat". Dieses politische Konzept missachtet die Menschenwürde aller, die der ethnischen Volksgemeinschaft nicht angehören, und ist mit dem grundgesetzlichen Demokratieprinzip unvereinbar.
Allerdings ließ Karlsruhe die verfassungsfeindlichen Ziele allein für ein Verbot nicht ausreichen. Weil es keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass die NPD diese Ziele irgendwie umsetzen könne, sei die Hürde für ein Parteiverbot nicht erreicht.
Bundesverfassungsgericht hatte Anstoß gegeben
Doch das Bundesverfassungsgericht beließ es nicht bei dieser Aussage. Vielmehr wiesen die Richterinnen und Richter gleich an mehreren Stellen im Urteil darauf hin, dass durch eine Änderung des Grundgesetzes auch andere, weniger einschneidende Sanktionen gegen verfassungsfeindliche Parteien vorgesehen werden könnten.
Der damalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, sagte in der mündlichen Urteilsverkündung: "Ob in einer solchen Situation auch andere Reaktionsmöglichkeiten sinnvoll sind - wie zum Beispiel der Entzug der staatlichen Finanzierung -, hat nicht das Bundesverfassungsgericht, sondern der verfassungsändernde Gesetzgeber zu entscheiden."
Grundgesetzänderung 2017 schafft Voraussetzungen
Der "verfassungsändernde Gesetzgeber" ließ nicht lange auf sich warten. Im Juni 2017 beschloss der Bundestag mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit das Gesetz zum Ausschluss verfassungsfeindlicher Parteien von der Parteienfinanzierung. Im Juli 2017 stimmte der Bundesrat einstimmig für die Änderung des Grundgesetzes. Wer die Verfassung und den Staat bekämpfen wolle, solle nicht dafür Geld von diesem Staat bekommen.
Malu Dreyer, Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz und damalige Präsidentin des Bundesrats, drückte es damals so aus: "Wir wollen damit dafür sorgen, dass nicht Steuermittel dafür verwendet werden, dass rechtsextreme und rechte Politik gemacht wird in Deutschland und die NPD sich eben auch bedienen kann von den Steuern, um ihre Ideologie weiter voranzutreiben."
Bundesverfassungsgericht muss entscheiden
Mit der Änderung des Grundgesetzes wurden die Voraussetzungen für einen Entzug der Parteienfinanzierung geschaffen. Damit es aber tatsächlich für eine Partei dazu kommt, muss das Bundesverfassungsgericht darüber entscheiden, und dies passiert nur auf Antrag von Bundestag, Bundesrat oder Bundesregierung.
Im Juli 2019 haben alle drei den Antrag gemeinsam in Karlsruhe eingereicht. Nun verhandelt Karlsruhe, ob die Voraussetzungen vorliegen. Es ist das erste Verfahren dieser Art. Dabei dürfte es zum einen noch einmal darum gehen, ob die Umsetzung der Grundgesetzänderung mit der Verfassung vereinbar ist. Zum anderen muss das Gericht prüfen, ob sich die NPD, die sich inzwischen in "Die Heimat" umbenannt hat, darauf ausgerichtet ist, die freiheitlich demokratische Grundordnung zu beseitigen - also ob sie nach wie vor verfassungsfeindlich ist oder ob sich daran seit 2017 etwas geändert hat.
Auswirkungen des Urteils
Die Partei hat seit dem Bundesverfassungsgerichtsurteil weiter an politischer Bedeutung verloren. Bei der letzten Bundestagswahl erhielt sie noch 0,1 Prozent der Zweitstimmen. Damit wurde die für die Teilfinanzierung erforderliche Schwelle von 0,5 Prozent deutlich unterschritten. Seit 2021 bekommt die Partei deshalb ohnehin keine staatlichen Zuschüsse mehr. Davor waren es jährlich zwischen 300.000 und 400.000 Euro.
Der Parteivorsitzende Frank Franz findet, die Chancengleichheit der Parteien sei verletzt: "Wir sehen uns als politischen Mitbewerber in unseren Möglichkeiten beschränkt, wenn wir in irgendeiner Weise wieder in die staatliche Parteienfinanzierung kommen sollten. Denn die hilft ja insbesondere auch kleineren Parteien. Dann hätten wir einen erheblichen Nachteil im Wettbewerb. Und das sehen wir als erheblichen Eingriff in den Gleichbehandlungsgrundsatz."
Wenn das Bundesverfassungsgericht die Partei von der staatlichen Teilfinanzierung ausschließen würde, hätte dies noch eine andere Folge: Auch Spenden an die "Die Heimat", von der die Partei inzwischen hauptsächlich lebt, könnten dann nicht mehr von der Steuer abgesetzt werden. Ein Urteil wird in einigen Monaten erwartet.