Nach TV-Duell in Thüringen Ein neuer Umgang mit der AfD?
Wenn sich Landespolitiker vor Wahlen im Fernsehen duellieren, interessiert das in Berlin meist kaum. Beim Duell Voigt gegen Höcke war es anders. Die Parteien blicken nervös nach Ostdeutschland.
Nach Duellen werden Noten verteilt und Sieger gekürt - auch diesmal. Und doch ist alles anders. Denn die Frage ist, ob es überhaupt etwas zu gewinnen gab? Der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke musste gar nicht gewinnen. Er wollte die Bühne - das Duell auf Augenhöhe zur Primetime.
Und der CDU-Landesvorsitzende Mario Voigt konnte nur zwischen zwei schlechten Optionen wählen. Wenn er mit Höcke redet, gibt er ihm die Bühne. Redet er nicht, dann sonnt sich die AfD in der Opferrolle. Voigt hat sich für das Reden entschieden. Und das war riskant.
Ein Risiko, das auch vielen in der Union bewusst war. In den sozialen Netzwerken versammeln sich viele zum Public Viewing. Wenige Minuten nach dem Duell trifft sich die "Unions-Bubble" zu einer Audio-Diskussionsrunde im Netzwerk X.
Die stellvertretende CDU-Vorsitzende Karin Prien gibt dort zu, sie sei nervös gewesen, habe sich die Frage gestellt, ob man sich mit Faschisten auf eine Bühne setzt. Und sie lobt den Thüringer CDU-Chef für seinen "Mut": "Mario Voigt ist ein hohes Risiko eingegangen für sein Land, aber er hat es richtig gemacht."
Nicht alle sind voll des Lobes
Generalsekretär Carsten Linnemann sagt der Rheinischen Post, Voigt habe gezeigt, dass er Ministerpräsident könne. "Sein mutiger Kurs, die Rechtsextremen inhaltlich zu stellen, hat sich als goldrichtig erwiesen."
Schon vor dem Duell hatte Linnemann den Thüringer CDU-Chef Voigt gegen Kritik verteidigt. Es reiche nicht aus nur von Brandmauern zu sprechen, "sondern wir müssen uns inhaltlich mit dieser Partei auseinandersetzen". Die AfD suche sich ihre Kanäle - über Netzwerke wie TikTok, "wo sie ihre Aussagen ohne Widerspruch einfach sagt. Und da ist es doch besser, dass wir diesen Widerspruch aufdecken. Öffentlich - inhaltlich sie stellen, als es einfach so laufen zu lassen."
Doch nicht alle sind voll des Lobes. David Begrich beobachtet schon seit vielen Jahren Rechtsextremismus in Ostdeutschland. Das Duell war ein Fehler, sagt der Sozialwissenschaftler aus Magdeburg: "Ich glaube, dass das passiert ist, was ich ehrlich gesagt befürchtet habe. Nämlich dass dieses Duell dazu beiträgt, im wahrsten Sinne des Wortes Björn Höcke dabei zu helfen, sich selbst zu verharmlosen."
Kein "Game-Changer"
Julia Reuschenbach, Politikwissenschaftlerin der Freien Universität Berlin, sagt, aus dem Duell könne man lernen, dass man sich mit so einem Format auch auf eine Normalisierung von rechtsextremen Positionen einlässt. Und genau das wünsche sich die AfD.
Aber eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der rechtsextremen Partei könne durchaus lohnenswert sein, so Reuschenbach. Viele Menschen wünschten sich das, das finde sie richtig. "Ich würde aber auch davor warnen, solchen Veranstaltungen jetzt im Nachhinein zu viel Gewicht beizumessen." Solche Duelle seien kein "Game-Changer".
Mario Voigt ist Landeschef und Spitzenkandidat der Thüringer CDU. Er will, das sagt er deutlich, stärkste Kraft bei den Wahlen am 1. September werden. Doch bislang führt die AfD in den Umfragen, sie liegt laut infratest dimap bei 29 Prozent, danach abgeschlagen die Union mit 20 Prozent. Linke und das neu gegründete Bündnis Sahra Wagenknecht folgen mit 16 beziehungsweise 15 Prozent.
Voigt glaubt, dass er das aufholen kann - und er sieht nicht den amtierenden Ministerpräsidenten von der Linken, Bodo Ramelow, als den wichtigsten Gegner. Sondern Björn Höcke, einen Rechtsextremisten. Einen Mann, der gerade wieder vor Gericht steht, weil er in einer Rede eine verbotene Losung der SA verwendet haben soll.
Der thüringische AfD-Landeschef Björn Höcke wurde bereits mehrfach wegen Volksverhetzung angeklagt. Seine Immunität als Landtagsabgeordneter wurde aus diesem Grund bereits acht Mal aufgehoben.
Aktuell gibt es Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Halle, weil Höcke bei einer Versammlung eine in Deutschland verbotene Losung der Sturmabteilung (SA), der paramilitärischen Kampforganisation der NSDAP, verwendet haben soll. Ab dem 18. April muss sich Höcke vor dem Landgericht in Halle verantworten.
Wegen eines Beitrags bei Telegram wurde zudem eine Anklage am Landgericht Mühlhausen wegen des Vorwurfs der Volksverhetzung zugelassen. Das Verwaltungsgericht Meiningen entschied außerdem im September 2019, dass es aufgrund seiner Äußerungen und Veröffentlichungen zulässig ist, Björn Höcke als Faschist zu bezeichnen.
"Dieser Partei würde ich keine Plattform geben"
Im Duell sagt der ehemalige Geschichtslehrer Höcke, er habe nicht gewusst, dass diese Parole verboten ist. Ebenso kann er sich angeblich nicht erinnern, was er in seinem Buch über Bundestagsvizepräsidentin Aydan Özoğuz geschrieben hat.
Das alles läuft zur besten Sendezeit im Fernsehen und Voigt muss dem etwas entgegensetzen. Vor dieser Augenhöhe hatten ihn einige gewarnt - auch in der eigenen Partei. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff sagte der "Zeit": "Dieser Partei würde ich keine Plattform geben." Es gäbe kluge Leute, die vor einem solchen Duell warnten. Denn es setze rechtsextreme Ideen auf Augenhöhe und stelle Höcke als "ernstzunehmende Alternative" dar.
"Fatales Signal"
Voigt hat sich anders entschieden. Es sei einfach, Höcke einen Faschisten zu nennen, sagt er. Ihm geht es darum, den AfD-Spitzenkandidaten inhaltlich zu stellen. Zehn Jahre sei man der Diskussion aus dem Weg gegangen. Gebracht habe es nichts. In der Union kommt das überwiegend gut an, in der AfD-Blase kursieren bald wilde Theorien. Voigt habe die Fragen vorher gekannt. Das beweise sein Zettel, der auf dem Pult vor ihm lag.
Das alles führt zu der Frage: Kann die Union mit einem solchen Duell gewinnen? Rechtsextremismus-Experte Begrich sagt Nein. "Ich fürchte, es geht eben nicht um gewinnen und verlieren, sondern es geht um Reichweite und Deutungshoheit." Für Begrich bleibt am Ende die Botschaft, Björn Höcke sei ein ganz normaler Politiker wie andere demokratische Politiker auch. "Und dieses Signal halte ich ehrlich gesagt für fatal."
Politikwissenschaftlerin Reuschenbach sagt, die CDU müsse konkrete Lösungen für Thüringen anbieten. Um Landespolitik sei es im Duell sehr wenig gegangen.