Union und Migration Mehr als eine Frage von Ton und Stil
Seit Jahren ist Migration für CDU und CSU ein Konfliktthema, die Ansichten gehen zum Teil weit auseinander. Nun will die Union einen klaren Kurs finden. Aber wie soll der aussehen?
Deutschland ist ein Einwanderungsland, Fachkräfte sind willkommen - soweit stimmt die Union mit SPD, Grünen und FDP überein. Doch ansonsten will sich die Oppositionsfraktion beim Thema Migration und Integration abgrenzen. Dazu findet heute die erste von mehreren Sonderfraktionssitzungen statt, an deren Ende ein klarer Kurs von CDU und CSU stehen soll. Die Union hat heute auch sachkundige Experten eingeladen.
Andrea Lindholz, stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, sieht bereits eine große Übereinstimmung in vielen Bereichen. Aber die CSU-Politikerin räumt ein: "Wir haben natürlich auch durch die Debatten der Vergangenheit, auch in der letzten Legislatur als Fraktion, ich nenne es mal, Federn lassen müssen." Es gehe jetzt darum, sich zusammenzuschließen.
Denn schon als CDU und CSU noch regierten, gingen die Ansichten weit auseinander: Von einer Kanzlerin Angela Merkel, die 2015 die Grenzen für Geflüchtete bewusst offen ließ, bis zu einem Innenminister Horst Seehofer, der nicht lange darauf eine Obergrenze für Geflüchtete forderte. Zwischen diesen Polen sucht die Union nun ihre Position.
Scharfe Töne oder sensible Sprache?
CDU-Chef Friedrich Merz fiel bisher eher mit scharfen Tönen auf. Im Herbst bezichtigte er Geflüchtete aus der Ukraine des "Sozialtourismus", wofür er sich tags darauf entschuldigte. Nach den Silvesterkrawallen in Berlin sprach Merz von "kleinen Paschas" und forderte harte Konsequenzen für Jugendliche aus dem arabischen Raum, die Regeln missachten. "Und wer sich nicht daran hält, man muss es deutlich sagen, der hat in diesem Land nichts zu suchen", so formulierte er es vor zwei Wochen im ZDF.
Dafür, dass er ein Problem klar benennt, bekommt Merz viel Zustimmung aus den eigenen Reihen. Doch der Ton sorgt für Kritik, wenn auch nur wenige sie so offen äußern wie Daniel Günther, Ministerpräsident in Schleswig-Holstein. Der CDU-Politiker forderte im "Tagesspiegel", seine Partei müsse weltoffener sein, Zuwanderung positiver sehen und sich sensibler ausdrücken.
Da gehe er mit, sagte CDU-Generalsekretär Mario Czaja im ZDF. Er verweist auf notwendige Zuwanderung, Fachkräfte, die in den Arbeitsmarkt integriert werden sollten: Deshalb müsse man "eine Zugehörigkeitskultur leben, wo wir auf Augenhöhe Integration gestalten".
Abweichler in der Fraktion
Dass die Union bisher nicht geschlossen ist, zeigte sich im Dezember im Bundestag. SPD, Grüne und FDP brachten ihre Pläne ein, gut integrierten Flüchtlingen, die seit mindestens fünf Jahren in Deutschland nur geduldet sind, ein Aufenthaltsrecht und Zugang zum Arbeitsmarkt zu ermöglichen.
Die Union stimmte dagegen - aber 20 Abgeordnete der Fraktion enthielten sich, weil sie die Regierungspläne teilweise richtig fanden. Sie begründeten das sogar schwarz auf weiß, mit persönlicher Unterschrift. Ein Zehntel der Fraktion ist ein kleiner Teil, dennoch ist so viel Abweichung gerade für die Union unüblich.
Fraktionsvize Lindholz spricht von unterschiedlichen Auffassungen. Das müsse man aushalten, so die CSU-Politikerin: "Nur bei uns schwingt bei Migration und Integration immer gleich mit: Tut sich hier ein Graben auf? Sind das unterschiedliche Lager?"
Tiefe Gräben sieht Lindholz nicht, denn grundsätzlich sei man sich einig: gezielte Einwanderung von Fachkräften ja, illegale und ungesteuerte Zuwanderung nein. In den kommenden Wochen wollen CDU und CSU ihren Kurs abstecken. Auch Stilfragen und Details sind dann entscheidend, denn die nächste Nagelprobe kommt bestimmt. SPD, Grüne und FDP wollen im Frühjahr die Einbürgerung und die doppelte Staatsangehörigkeit erleichtern.