Das stillgelegte Kernkraftwerk Gundremmingen ist hinter einer Überflutungsfläche zu sehen.
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Ausschuss nimmt Arbeit auf Warum der Atomausstieg noch einmal untersucht wird

Stand: 04.07.2024 13:25 Uhr

Haben Wirtschaftsminister Habeck und Umweltministerin Lemke den Weiterbetrieb von Atommeilern 2022 vorbehaltlos geprüft? Vor allem mit dieser Frage befasst sich nun ein Untersuchungsausschuss im Bundestag.

Der Bundestag befasst sich von heute an in einem Untersuchungsausschuss mit der Aufarbeitung von Entscheidungen zum deutschen Atomausstieg. Parlamentspräsidentin Bärbel Bas wird die konstituierende Sitzung am Abend eröffnen.

Neben dem noch laufenden Ausschuss zum Abzug deutscher Truppen aus Afghanistan ist es der zweite Untersuchungsausschuss dieser Wahlperiode. Die Unionsfraktion im Bundestag hatte ihn Mitte Juni beantragt. Das Plenum wird davor noch am Nachmittag über den Antrag zur Einberufung beraten, die Annahme gilt aber als Formsache.

Worum genau geht es?

Deutschland war Mitte April 2023 aus der Nutzung von Atomenergie ausgestiegen. Die letzten drei Meiler wurden endgültig abgeschaltet. Davor hatte die Bundesregierung aufgrund der Energiekrise infolge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine entschieden, die Meiler noch für ein paar Monate länger laufen zu lassen. Ursprünglich sollte der Atomausstieg bereits zum 31. Dezember 2022 vollzogen sein.

Die Dauer des Weiterbetriebs der Kraftwerke sowie die Entscheidung zum endgültigen Atomausstieg hatten sowohl regierungsintern als auch in der Opposition für heftige Debatten und Streit gesorgt.

Wie kam es zum deutschen Atomausstieg?

Erstmals wurde der deutsche Atomausstieg im Jahr 2000 von der damaligen rot-grünen Regierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder verhandelt. 2002 wurde er vom Bundestag beschlossen.

Im Herbst 2010 wurde eine Laufzeitverlängerung beschlossen. Diese wurde 2011 nach der Atomkatastrophe im japanischen Fukushima allerdings wieder zurückgenommen. Die damalige schwarz-gelbe Bundesregierung unter Kanzlerin Angela Merkel beschloss den schrittweisen Ausstieg aus der Atomenergie für Deutschland.

Wie lief es nach Ausbruch des Kriegs gegen die Ukraine?

Die Grünen hatten sich lange gegen jede Form der Laufzeitverlängerung gewehrt, schließlich aber das von Wirtschaftsminister Robert Habeck und den AKW-Betreibern im September 2022 vorgelegte Konzept einer vorübergehenden Einsatzreserve für zwei der drei letzten Meiler unterstützt.

Die FDP hatte sich für eine über April 2023 hinausgehende Laufzeit eingesetzt. Im Oktober 2022 sprach Kanzler Olaf Scholz dann ein Machtwort, das zum Weiterbetrieb aller drei Meiler bis spätestens zum Frühjahr 2023 führte.

Warum will die Union das Verfahren untersuchen?

Bei dem Untersuchungsausschuss gehe es um nichts Geringeres als um die Frage, "ob die Öffentlichkeit bei der Entscheidung zur Abschaltung der letzten drei Kernkraftwerke getäuscht wurde", sagte der CSU-Bundestagsabgeordnete und Energiepolitiker Andreas Lenz der Nachrichtenagentur dpa. "Es geht um den begründeten Verdacht, dass die versprochene ergebnisoffene Prüfung eines Weiterbetriebs nie erfolgte."

Seine Fraktion werde bei der Aufarbeitung die notwendige Transparenz einfordern und die Verantwortung für die Abläufe rund um den Atomausstieg klären. Lenz gehört zu den 14 Mitgliedern, die der neue Ausschuss haben wird.

Wie begründet die Union den Verdacht?

Wie es im Unionsantrag zur Einberufung des Untersuchungsausschusses heißt, habe Wirtschaftsminister Habeck am 27. Februar 2022 eine ergebnisoffene Prüfung zu einem möglichen Weiterbetrieb der Atomkraftwerke in Deutschland zugesagt und am 1. März desselben Jahres eine Prüfung angekündigt, bei der es "keine Tabus" geben werde.

Nur kurze Zeit später, am 7. März 2022, hätten dann das Ministerium von Habeck und das ebenfalls grün geführte Bundesumweltministerium von Steffi Lemke einen gemeinsamen Prüfvermerk veröffentlicht und darin einen Weiterbetrieb abgelehnt - unter anderem aus Sicherheitsgründen.

Es sei nicht auszuschließen, "dass fachliche Expertise politischen und parteipolitischen Vorgaben weichen musste", heißt es im Antrag. Daher soll insbesondere geklärt werden, ob die von Habeck zugesagten Prüfungen einer Laufzeitverlängerung stattgefunden hätten und ob "kritische Stimmen systematisch unterdrückt" worden seien, wie der CSU-Politiker Lenz weiter erklärte.

Was sagt Wirtschaftsminister Habeck dazu?

Umweltministerin Lemke und Wirtschaftsminister Habeck selbst weisen die Anschuldigungen von sich. In mehreren Anhörungen in den Fachausschüssen und Debatten im Plenum versicherten sie, stets nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt zu haben.

Das Ministerium von Lemke hält die Vorwürfe nach eigenen Angaben für "ausgeräumt". Habeck hatte nach einer Anhörung im April versichert: "Die Versorgungssicherheit hatte für mich absolute Priorität und das ganze Haus hat ohne Denkverbote, allerdings natürlich immer auf der Basis von Fakten, von Daten und auch von Rechtsnormen gearbeitet."

Ob sich diese Aussage halten lässt, wird sich in den kommenden Wochen zeigen. Dann werden auch die beiden Minister als Zeugen dem Ausschuss Rede und Antwort stehen müssen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 04. Juni 2024 um 06:44 Uhr.