Streit in der Ampel Die Gegeneinander-Koalition
Im Streit über das Heizungsgesetz offenbaren sich die Risse in der Ampelkoalition. Es knirscht nicht zum ersten Mal. Zunehmend regieren die drei Partner nebeneinander - oder sogar gegeneinander.
Im Bundestag herrschte diese Woche verkehrte Welt. Oppositionschef Friedrich Merz beklagt, dass die Regierungsfraktion FDP Oppositionsarbeit mache - "so kann man auf Dauer kein Land regieren". Der CDU-Chef fordert von Bundeskanzler Olaf Scholz Führung ein. Er wirkt dabei ein wenig wie der Aufsichtsratsvorsitzende der Bundesrepublik, der seinen Vorstand vorführt. Aber glücklich kann er kaum sein, dass ihm die FDP die Oppositionsarbeit abnimmt. Was bleibt da noch übrig für Merz?
Schon bei der Ukraine-Politik und den Entlastungspaketen zur Abfederung der hohen Energiekosten bot die Ampelkoalition wenig Fläche für echte Oppositionsangriffe seitens der CDU. Und jetzt? Das Dreierbündnis aus SPD, Grünen und FDP gibt bei einem seiner zentralen Reformprojekte ein verheerendes Bild ab: Das Gebäudeenergiegesetz (GEG) spaltet die Koalition derzeit bei inhaltlicher Ausrichtung, aber auch beim Zeitplan - vor allem die FDP stellt sich quer. Und das, obwohl sie im Koalitionsausschuss und auch im Kabinett alle Entschließungen dazu bis hin zum Kabinettsentwurf mit unterstützt hatte.
Lediglich eine Protokollnotiz des Finanzministers wies auf Gesprächs- und Änderungsbedarf im parlamentarischen Gesetzesverfahren hin. Inzwischen hat die FDP sogar dieses ausgebremst. Und ob die FDP-Abgeordneten wirklich so großen Wert auf eine Verabschiedung des Gesetzes noch vor der Sommerpause legen, darf bezweifelt werden.
Es knirscht nicht zum ersten Mal
Im Herbst stehen die wichtigen Landtagswahlen in Hessen und Bayern an, für den Wahlkampf könnte sich die langgezogene Debatte über die Wärmewende in deren Augen durchaus eignen. Dagegen steht das Argument, dass ein Dauerstreit bei dem Thema über den Sommer hinweg der gesamten Ampelkoalition schadet, die ohnehin bereits viel Vertrauen bei der Wählerschaft verloren hat.
Wohl deswegen zogen die Grünen in dieser Woche verbale rote Karten. Die Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann warnte vor einem Schaden für die Handlungs- und Regierungsfähigkeit der Ampelkoalition, Vizekanzler Robert Habeck sprach von "Wortbruch", den die FDP begehe.
Es ist nicht das erste Mal, dass es bei Ampel-Gesetzesvorhaben knirscht: Die Nationale Sicherheitsstrategie wird laufend vertagt, weil die Einigung so mühsam ist, die damit verbundene China-Strategie auch. Das Demokratiefördergesetz steckt im parlamentarischen Verfahren fest, nach grüner Darstellung wegen der Blockade der FDP. Und auch die Eckpunkte des Haushalts, üblicherweise im März bekannt, bleibt der Finanzminister den Parlamentariern weiter schuldig, die am Ende den Bundeshaushalt verantworten müssen.
Politik im Revanche-Stil
Doch auch die Grünen begeben sich nun auf das Niveau der Blockade. Man ist bei einer Politik im Revanche-Stil angekommen, das dem öffentlichen Image der Ampel auch nicht gerade nutzen wird: Wer sich nicht an den verabredeten Zeitplan beim GEG halte, der bekomme eben auch im Gegenzug so lange nicht die verabredete Planungsbeschleunigung im Gesetzesverfahren.
Wo ist in dem komplizierten Gerangel eigentlich der Kanzler, fragen sich manche. Der Ruf nach einem Machtwort wird lauter. Ein Regierungschef, der Zeitpläne von einem Koalitionspartner einfach zerfleddern lässt, die in den von ihm geführten Gremien Kabinett und Koalitionsausschuss verabredet wurden - welche Autorität hat der noch? Im zweiten Jahr der Merkel-Kanzlerschaft titelte der "Spiegel" einmal "Angela Mutlos" - Scholz muss aufpassen, dass er nicht bald als "Olaf Machtlos" gilt.
Wo bleibt Scholz?
Unter seiner Kanzlerschaft profiliert sich die FDP gern mal als Dagegen-Partei. Und erkennbar lässt die SPD auch die ampelinterne Kritik am GEG mit den Grünen nach Hause gehen, deren Gegner das Image der "Verbotspartei" damit gern wieder herauskramen. Auch wenn sich die Sozialdemokraten auf Nachfrage zu diesem Klimaschutz-Instrument bekennen. "Das ist eine erhitzte Debatte - ich sage auch selbstkritisch, da haben wir als politisch Verantwortliche auch mit dazu beigetragen, dass die Verunsicherung gerade so groß ist", sagte SPD-Chef Lars Klingbeil kürzlich im Bericht aus Berlin. Manche würden den Eindruck erwecken, man könnte man auf Klimapolitik jetzt auf einmal so verzichten - das sei nicht der Fall, die Wärmewende müsse eingeleitet werden.
Mit dem "manche" dürfte Klingbeil nicht nur den Oppositionschef gemeint haben. Die SPD gibt sich in der Gemengelage gern als der Partner, der auf sozialen Ausgleich bei all den anstehenden Veränderungen achtet. Man unterscheidet sich hier kaum von den Grünen, aber offensive Unterstützung würde doch anders klingen.
Scholz braucht die FDP für seine Kanzlerschaft. Dennoch kann der SPD das Genervtsein seines mittleren Koalitionspartners nicht zu egal sein. Denn trotz wochenlanger Anfeindungen gegen die Politik des Ministers für Wirtschaft und Klimaschutz und auch der Krise um den schlussendlich abgesetzten Staatssekretär Patrick Graichen stehen die Grünen in Umfragen im Vergleich zum jeweiligen Wahlergebnis 2021 besser da als ihre Koalitionspartner. Und das auch, wenn man die zu erwartenden Verluste durch die aktuelle grüne Krise rund um das Habeck-Ministerium einbezieht: Sie halten ihr Wahlergebnis und einen langfristig bisher stabilen Aufwärtstrend rund um das wachsende Klimabewusstsein in der Gesellschaft, während SPD und FDP mit Verlusten seit dem Start der Dreier-Koalition stärker kämpfen.
Andere Koalitionsoptionen in Sicht?
Die Grünen haben mit der CDU zumindest eine theoretische Option einer Regierungsalternative, wenn auch nicht erwartbar mit der Personalie Merz. Jedoch regieren sie in den Ländern ziemlich geräuschlos in schwarz-grünen Bündnissen mit Daniel Günther und Hendrik Wüst.
Das erklärt möglicherweise das aktuelle Nebeneinander in der Koalition statt eines zu anfangs aufgeführten Miteinanders. Doch das Auftreten der Ampel bleibt auch hier widersprüchlich. Am selben Tag der verbalen Scharmützel rund um das GEG-Debakel treten im Regierungsviertel drei Spitzenpolitiker der Ampel auf verschiedenen politischen Bühnen auf und beschwören ihr gemeinsames Mantra: nämlich aufzuräumen mit den Versäumnissen der Vergangenheit, auch beim Klimaschutz.
Sei es Habeck beim Wirtschaftsrat der CDU, sei es FDP-Fraktionschef Christian Dürr auf der Fraktionsebene des Deutschen Bundestages oder auch der Kanzler selbst bei der Jubiläumsrede zu "160 Jahren SPD" im Willy-Brandt-Haus: Transformation sei kein Thema für eine einzelne Partei - "das ist eine existenzielle Transformation". Scholz gerät über seine Regierung so ins Schwärmen - als ob nichts wäre -, dass man sich fragt, auf welchem Planeten er in den vergangenen Wochen war.