Neue CDU-Generalsekretärin "Kramp-Karrenbauer geht Risiko ein"
Als neue CDU-Generalsekretärin läuft Annegret Kramp-Karrenbauer sich für die Merkel-Nachfolge warm, meint Politologe Jun im Interview mit tagesschau.de. Das könnte aber auch schiefgehen.
tagesschau.de: Annegret Kramp-Karrenbauer, die schon lange als mögliche Merkel-Nachfolgerin im Gespräch ist, wird jetzt CDU-Generalsekretärin. Überrascht Sie dieser Schritt?
Uwe Jun: Zwar haben viele in den vergangenen Monaten spekuliert, dass sie nach Berlin kommen wird in Zusammenhang mit einer möglichen Merkel-Nachfolge. Dass es nun der Generalsekretärsposten ist, überrascht schon ein wenig. Formal sieht das ja wie ein Rückschritt aus gegenüber dem Ministerpräsidentinnenamt.
Zudem ist sie im Saarland unangefochten und sehr beliebt und hätte dort zumindest noch vier Jahre gut regieren können. Aber sie will nach außen demonstrieren, dass mit ihr auf der Berliner Bühne zu rechnen ist. Und auch Angela Merkel setzt damit ein Zeichen, was sie inhaltlich und personell für einen richtigen Schritt im Hinblick auf ihre Nachfolge hält.
tagesschau.de: Ist das nicht ein großes Risiko für Kramp-Karrenbauer? Sie hat nicht einmal ein Bundestagsmandat.
Jun: Sie geht mit diesem Schritt durchaus Risiken ein. Allerdings befinden wir uns nicht in einer gewöhnlichen Regierungszeit, sondern in einer Legislaturperiode, die vom Übergang geprägt ist. Es ist wahrscheinlich, dass das Merkels letzte Amtszeit sein wird und dass in der Union in absehbarer Zeit wichtige Posten neu vergeben werden. Sich hier durch das Amt der Generalsekretärin in Stellung zu bringen, ist durchaus vielversprechend. Diese Position ist nicht zu unterschätzen.
tagesschau.de: Inwiefern?
Jun: Merkel selbst war vor ihrer Zeit als Parteivorsitzende und Kanzlerin Generalsekretärin. Das Amt ist keine schlechte Vorbereitung dafür, weil man die Parteivorsitzende bei ihren Aufgaben unterstützt und so die Partei nach innen gut kennenlernt. Das wird nun Kramp-Karrenbauers Aufgabe sein, sich mit den Parteigliederungen zu verständigen, mit den verschiedenen Gremien und Arbeitsgruppen, aber auch mit den Landesverbänden.
Darüber hinaus repräsentiert man in diesem Amt die Partei auch nach außen. Und zwar nicht nur nach Wahlen bei der Berliner Runde. Das sind Aufgaben, die denen der Parteivorsitzenden ähneln.
"Sie scheut die Auseinandersetzung nicht"
tagesschau.de: Ist Kramp-Karrenbauer für das Amt der Generalsekretärin nicht womöglich zu farblos?
Jun: Sie ist nicht diejenige, die polarisiert, sie ist eher eine, die moderiert. Aber sie scheut Kontroversen nicht, allerdings bevorzugt sie die argumentativ-sachliche und nicht die polemische Auseinandersetzung. Zudem beherrscht sie die mediale Klaviatur recht gut, wie man immer wieder in Talk-Shows sehen kann.
tagesschau.de: Wäre ein Ministeramt nicht geeigneter, um sich für die Merkel-Nachfolge in Stellung zu bringen?
Jun: In der Tat wäre ein Ministeramt auch eine sehr günstige Ausgangsposition. Allerdings sind nach den Koalitionsverhandlungen nicht mehr sehr viele attraktive Ministerposten bei der CDU verblieben. Die verbliebenen Posten sind nicht gerade solche, mit denen man sich in der Öffentlichkeit gut profilieren kann.
Zudem wird mit Peter Altmaier bereits ein anderer Saarländer für ein Ministeramt gehandelt. Und da der Saarländische Landesverband nicht der allergrößte ist, wären zwei Ministerposten hier eher unwahrscheinlich.
"Pragmatisch, sachlich, verlässlich"
tagesschau.de: Was zeichnet Kramp-Karrenbauer als mögliche künftige Parteivorsitzende und Kanzlerkandidatin aus?
Jun: Sie führt schon seit längerem sehr geräuschlos eine Große Koalition im Saarland und bringt daher einiges an Regierungserfahrung mit. Sie ist sehr pragmatisch und gehört zu denen, die nicht das Persönliche in den Vordergrund stellen, sondern versuchen auf der Sachebene zu wirken. Und sie ist sehr verbindlich und verlässlich in allem, was sie anpackt.
Und ihr größter Vorzug ist vielleicht: Sie hat zwei Wahlen sehr erfolgreich für die CDU im Saarland bestritten und gerade die letzte Wahl war ja auch eine, die von ihr als Persönlichkeit stark geprägt war.
tagesschau.de: Vieles von dem, was Sie sagen, gilt auch für Angela Merkel. Doch die steht in der Partei zuletzt ja stark in der Kritik. Könnte das für Kramp-Karrenbauer nicht auch ein Nachteil sein, zumal sie ja als eine von Merkels engsten Vertrauten gilt?
Jun: In der Tat unterscheiden sich der Politikstil von Merkel und Kramp-Karrenbauer nicht so sehr. Kramp-Karrenbauer ist aber noch stärker in der Partei verankert, gerade durch das Sozialkatholische, das bei ihr sehr wichtig ist. Bei Merkel ist es auch weniger der Politikstil als vielmehr einzelne politische Inhalte, die kritisiert werden, insbesondere die Flüchtlingspolitik.
Merkel selbst hat jedenfalls mit dieser Personalie ein Zeichen gesetzt, dass der Modernisierungskurs der Partei fortgesetzt werden soll. Denn dafür steht Kramp-Karrenbauer. Ob das in der CDU auch in Zukunft eine Mehrheit haben wird, muss die Partei entscheiden.
tagesschau.de: Kramp-Karrenbauer selbst hat betont, dass sie die Erneuerung der Partei vorantreiben will. Für welche Themen steht sie?
Jun: Sie steht für die soziale Seite der Union, hat aber auch Expertise in der Europa-, Bildungs-, Familien-, Frauen- und Wissenschaftspolitik. Ohnehin wird im Amt der Generalsekretärin von ihr primär erwartet, den organisatorischen Erneuerungsprozess mitzugestalten.
"Noch keine Kronprinzessin"
tagesschau.de: Wie verwurzelt ist Kramp-Karrenbauer in Partei und Fraktion?
Jun: In der Partei hat sie ein sehr gutes Standing, sie hat bei ihren verschiedenen Auftritten, auch bei Parteitagen hohe Zustimmung erfahren. Was die Fraktion beziehungsweise die Berliner Bühne betrifft, könnte es helfen, dass sie dem Vernehmen nach ein recht gutes Verhältnis zu Altmaier hat. Der könnte ihr eine wichtige Stütze sein.
tagesschau.de: Ist mit dieser Personalie der Kampf um die Merkel-Nachfolge jetzt schon so gut wie entscheiden?
Jun: Nein, auf keinen Fall. Prognosen sind hier sehr schwierig, weil die Politik immer kurzatmiger geworden ist und kurzfristige Ereignisse, die Situation grundlegend verändern können. Sie ist definitiv eine der aussichtsreichen Kandidatinnen. Sie aber als Kronprinzessin zu bezeichnen, die auf jeden Fall Merkel beerben wird, ginge zu weit.
Das Interview führte Sandra Stalinski, tagesschau.de.