Einschätzung zur Wahl in Schleswig-Holstein "Es hängt an den Grünen"
Ob es in Schleswig-Holstein auf Jamaika oder eine Ampelkoalition hinauslaufen wird, sei schwer zu sagen, meint Politologe Kai-Uwe Schnapp im Interview mit tagesschau.de. "Die Grünen sind in einer Zwickmühle", denn beide Optionen hätten für sie auch Nachteile.
tagesschau.de: Ministerpräsident Torsten Albig und seine SPD müssen deutliche Verluste hinnehmen. Woran lag das?
Kai-Uwe Schnapp: Die SPD hat an einigen Stellen in Schleswig-Holstein nicht so gute Politik gemacht, wie sie glaubt. Beispielsweise in der Schulpolitik, dem Straßenbau und der Infrastrukturpolitik. Dafür hat die SPD-geführte Regierung jetzt vom Wähler die Quittung bekommen.
Kai-Uwe Schnapp promovierte 2002 am Fachbereich Politische Wissenschaften der Freien Universität Berlin und ist seit 2008 Professor für Politikwissenschaft an der Universität Hamburg.
tagesschau.de: Die CDU ist mit dem Newcomer Daniel Günther stärkste Kraft geworden und konnte sogar zulegen: Wie erklären Sie sich diesen Erfolg?
Schnapp: Schleswig-Holstein war strukturell schon immer eher ein CDU- als ein SPD-Land. Das hat mit der Sozial- und Wirtschaftsstruktur des Landes zu tun. Das heißt, dass die CDU stärkste Kraft wird, ist an sich nicht verwunderlich. Und wir sehen häufig, wenn die Wählerinnen und Wähler mit der einen der beiden großen Parteien nicht zufrieden sind, wechselt ein guter Teil bei Wahlen ins jeweils andere Lager.
Andererseits haben wir gesehen, dass die CDU auch bei den Nichtwählern stark hinzugewinnen konnte. Womöglich sind das Menschen, die frustriert waren und jetzt mit einem neuen, unverbrauchten Gesicht einen neuen Anfang sehen.
tagesschau.de: Hat sich für die CDU in Schleswig-Holstein Rückenwind vom Bund oder gar ein Merkel-Effekt ausgezahlt?
Schnapp: Ich glaube eher, dass landespolitische Aspekte hier den Ausschlag gegeben haben und glaube nicht wirklich an einen Merkel-Effekt.
Man kann allerdings nicht außer Acht lassen, dass Angela Merkel gerade in diesen Zeiten der internationalen Krisen als eine verlässliche Größe wahrgenommen wird. Die Flüchtlingskrise ist nicht mehr so akut, stattdessen geriet durch den Brexit, den neuen US-Präsidenten Donald Trump und den unsicheren Ausgang der Frankreich-Wahl einiges ins Wanken. Merkel wirkt durch ihre Erfahrung und ausgeglichene Art hier wie ein alter, wetterfester Baum, der die Stürme an sich vorbeiziehen lässt. Momentan kann sie mit diesem Politikstil wieder punkten und das färbt auch insgesamt auf die CDU ab.
tagesschau.de: Die FDP mit Wolfgang Kubicki hat ebenfalls einen großen Wahlsieg errungen. Ist der Bundestag damit für die FDP in greifbarer Nähe?
Schnapp: Die FDP hat deutlich zugelegt, aber sie war in Schleswig-Holstein auch vorher schon sehr stark. Das liegt in erster Linie an Wolfgang Kubicki. Dank ihm war Schleswig-Holstein eine der letzten Bastionen der FDP und er hat auch weiterhin für die Sichtbarkeit seiner Partei im Bund gesorgt. Aber aus diesem Wahlergebnis in Schleswig-Holstein lassen sich nicht wirklich Rückschlüsse auf den Bund ziehen. Dafür ist das Land einfach zu klein. Im Bund haben wir etwa 60 Millionen Wahlberechtigte, in Schleswig-Holstein sind es nur 2,3 Millionen.
Ich halte es zwar für sehr wahrscheinlich, dass die FDP wieder in den Bundestag einziehen wird, aber an dieser Landtagswahl festmachen kann man das nicht.
tagesschau.de: Auch die Grünen konnten trotz schlechtem Bundestrend ihr gutes Ergebnis von 2012 halten. Was könnten die Grünen im Bund von den Schleswig-Holsteiner Kollegen lernen?
Schnapp: Dieses gute Ergebnis der Grünen beruht auf der als sehr gut wahrgenommenen Regierungsarbeit von Umweltminister Robert Habeck und Finanzministerin Monika Heinold, der Spitzenkandidatin. Beide haben ihre Ministerien gut geführt. Habeck hat im Land einen sehr guten Ruf, er versteht es mit den Leuten zu reden. Das ist im Bund nicht so ohne weiteres nachzumachen.
Ampel eher unwahrscheinlich
tagesschau.de: Welche Koalition halten Sie für die wahrscheinlichste?
Schnapp: Es wird auf ein Dreierbündnis hinauslaufen und am Ende wird es an den Grünen hängen. Die beiden Spitzenkandidaten haben ja bereits angedeutet, dass sie eine Ampel favorisieren würden. Es wird aber für die Grünen eine sehr schwere Entscheidung. Inhaltlich würde sicher am meisten für eine Ampelkoalition sprechen. Aber wenn man sich fragt, was ist eigentlich der Wählerwille, sieht das ganz anders aus. Denn die Grünen würden mit einer Ampelkoalition letztlich erneut einer SPD-geführten Regierung ins Amt verhelfen, die wohl ein großer Teil der Wähler nicht mehr will.
tagesschau.de: Mit einer Jamaika-Koalition würden sie aber womöglich - auch im Hinblick auf die Bundestagswahl - weiter bei ihren eher linken Anhängern verlieren?
Schnapp: Eine Jamaika-Koalition bringt zwei Probleme mit sich: Die Grünen könnten in dieser Koalition weniger grüne Inhalte durchsetzen. Und eine solche Koalition würde von einigen auch als Signal für den Bund gelesen werden. Die Grünen müssen sich dann fragen, ob sie dieses Signal senden wollen oder ob es ihnen nicht auch schaden könnte. Sie stecken tatsächlich in einer Zwickmühle.
tagesschau.de: Kommt es nicht ebenso sehr auf die FDP an wie auf die Grünen?
Schnapp: Für die FDP ist ganz klar, dass sie am liebsten eine Jamaika-Koalition eingehen würde. Aber wie ich Wolfgang Kubicki einschätze, wäre es für ihn auch kein größeres Problem, bei einer Ampel mitzumachen. Wenn sich für die FDP die Chance zum Mitregieren ergibt, wird sie diese Chance ergreifen. Sie hat ja auch in der Vergangenheit schon mit der SPD gemeinsam regiert.
tagesschau.de: Wäre eine Ampel aus FDP-Sicht nicht auch im Hinblick auf die Bundestagswahl ein interessantes Experiment?
Schnapp: Ich würde die Signalwirkung auf den Bund, die von dieser Landtagswahl ausgeht, nicht überschätzen. Wo Christian Lindner mit der FDP im Bund hin will, ist meines Erachtens noch nicht ganz klar.
tagesschau.de: Nach dem zwischenzeitlichen Höhenflug der SPD durch den Schulz-Effekt ist das jetzt nach der Saarlandwahl bereits die zweite Niederlage für die SPD. Hat die Schulz-Euphorie sich bereits erledigt?
Schnapp: In Schleswig-Holstein hat der Schulz-Effekt tatsächlich keine Rolle mehr gespielt. Weder im positiven noch im negativen Sinne. Sowohl das Saarland als auch Schleswig-Holstein sind aber sehr spezielle Bundesländer, an denen sich solche Trends nicht gut ablesen lassen.
Generell wissen wir aber, dass solche Effekte keine besonders lange Lebensdauer haben. Zumindest dann nicht, wenn sie nicht weiter unterfüttert werden. Die SPD hat vielleicht kurzzeitig gedacht, mit der Nominierung von Martin Schulz die Lösung ihrer Probleme gefunden zu haben. Jetzt ist aber der Zeitpunkt gekommen, wo sie mehr liefern müssten, um diesen Effekt am Laufen zu halten. Im Moment zeichnet sich das aber noch nicht ab.
Das Interview führte Sandra Stalinski, tagesschau.de