Interview

Affäre um Limburger Bischof Tebartz-van Elst "Auch für Bischöfe gelten die 10 Gebote"

Stand: 14.10.2013 15:42 Uhr

In Rom rechtfertigt sich der Limburger Bischof Tebartz-van Elst für seine Verfehlungen. Unter einem anderen Papst hätte er so möglicherweise eine Chance, sagt ARD-Kirchenexperte Hofmeister im tagesschau.de-Interview. Doch der angerichtete Schaden sei zu groß.

tagesschau.de: Die Empörung über den Limburger Bischof Tebartz-van Elst ist groß. Am Wochenende hat jedoch der Kirchenkritiker Eugen Drewermann gesagt: Das Problem sei nicht der Bischof selbst, sondern das System katholische Kirche. Sehen Sie das auch so?

Klaus Hofmeister: Auf diese einfache Art und Weise kann man den Bischof von Limburg nicht aus der Schuld nehmen. Natürlich hat Drewermann insofern Recht, als dass es ein Strukturproblem gibt. Das hängt damit zusammen, dass die katholische Kirche auf einem hierarchischen und teilweise monarchischen Prinzip beruht. Die Gremien haben nur beratenden Charakter - die Entscheidung trifft der Bischof. In einer solchen Unternehmenskultur hat sich unter Amtsträgern wie Tebartz-van Elst ein autokratisches Bewusstsein herausgebildet. Gerade in Finanzfragen herrscht keine Transparenz. Dadurch wird ein solches Gebaren noch einmal begünstigt.

Zur Person
Klaus Hofmeister ist Kirchenredakteur beim Hessischen Rundfunk. Der studierte Theologe beobachtet die Affäre um den Limburger Bischof Tebartz-van Elst schon lange.

"Das riecht schon nach Vetternwirtschaft"

tagesschau.de: Würden Sie sagen, dass Tebartz-van Elst die Möglichkeiten für einen Alleingang besonders extrem wahrgenommen hat?

Hofmeister: Das kann man durchaus so sagen. Es zeigt sich schon daran, dass er das Domkapitel aus der Verantwortung der Vermögensverwaltung genommen und stattdessen ein Gremium eingesetzt hat, das aus drei Personen besteht, die teilweise als befangen und nicht unabhängig gelten müssen. Das riecht schon nach Vetternwirtschaft.

tagesschau.de: Das klingt, als hätte Tebartz-van Elst genau gewusst, welche Welle der Empörung er mit seiner Prunksucht lostreten würde.

Hofmeister: Er wusste natürlich, dass die Zahlen nicht an die Öffentlichkeit gelangen durften. Die Vermögensverwaltungsräte, die für die Aufsicht zuständig wären, hatten hier nicht die Kraft, sich gegen einen starken Bischof mit viel Hintergehenspotenzial durchzusetzen und gegen ihn frühzeitig anzugehen.

tagesschau.de: Sie kennen den Bischof persönlich, was treibt diesen Mann?

Hofmeister: Ich glaube, dass ihn seine Überzeugung antreibt, dass die Kirche Präsenz und Stärke zeigen muss. Bei ihm paart sich diese Sicht mit einer gewissen Neigung, sich selbst als Bischof ebenfalls stark und imposant darzustellen.

"Es mangelt nicht an Regeln"

tagesschau.de: Würden Sie sagen, dass Aufsichtsstrukturen, in denen ein Bischof komplett alleine entscheidet, noch zeitgemäß sind?

Hofmeister: Nein, das sind sie nicht. Die Kirche müsste effektivere Kontrollen durchführen. Häufig ist es nicht so, dass es an Regeln mangelt. Vielmehr trauen sich die Untergebenen des Bischofs aus Angst oft nicht, ihm auf die Finger zu klopfen und hart in der Sache zu bleiben.

tagesschau.de: Und wie könnte man das lösen?

Hofmeister: Das könnte man lösen, indem man zum Beispiel die Etats des bischöflichen Stuhls veröffentlicht. Das ist bisher nicht der Fall. Damit könnte erreicht werden, dass eine öffentliche Person wie der Bischof mit seinem Etat auch öffentlich auf dem Prüfstand steht. Das sind Lehren, die aus der Limburger Affäre gezogen werden müssen.

tagesschau.de: Ist Limburg denn ein Einzelfall, oder gibt es nicht auch andernorts Protzerei und Prunkbauten?

Hofmeister: Es gibt schon auch andere Bischöfe, die in Residenzen wohnen, wo es einen gewissen Luxus gibt. So wie ein Schwimmbad im Keller. Der Erzbischof von München, Marx, wohnt etwa in einem historischen Gebäude, das jüngst für rund 8,5 Millionen Euro renoviert wurde. Ich glaube aber, dass eine Zuspitzung wie in Limburg außergewöhnlich ist. Bei Tebartz-van Elst ging es ja sogar soweit, dass das Sicherheitsglas für sein Haus extra aus Washington eingeflogen werden musste, weil ihm das deutsche Glas nicht verlässlich genug erschien. Diese pikanten Details sind beispiellos in Deutschland.

Mehr Rückhalt ohne Papstwechsel?

tagesschau.de: Im Bistum ist der Bau schon lange ein Thema. Welche Rolle spielt in der aktuellen Diskussion Papst Franziskus?

Hofmeister: Tebartz-van Elst versteht die katholischen Kirche anders als der Papst. Der Bischof versteht die Kirche als Brandung im Zeitgeist, als Verwalterin des Heiligen. Mit diesem Verständnis eckt er beim Papst an, denn Franziskus pflegt ein sehr menschliches Bild der Kirche. Durch diese Neuausrichtung im Vatikan sind Bischöfe wie Tebartz-van Elst ein Stück weit heimatlos geworden.

tagesschau.de: Anders gefragt: Wäre die Aufregung um Tebartz-van Elst genauso groß gewesen, wenn es keinen Papstwechsel gegeben hätte?

Hofmeister: Hätte es keinen Papstwechsel gegeben, wäre Tebartz-van Elsts Rückhalt in Rom möglicherweise noch größer. Wobei der Rückhalt immer dort aufhört, wo ein Bischof massiv gegen das achte Gebot verstößt - du sollst nicht lügen - und damit der Geltung der Gebote allgemein einen großen Schaden zuführt. Hier geht es um die elementaren Werte. Man kann sich einen Bischof, für den nur neun der zehn Gebote gelten, unter keinem Papst vorstellen.

Der Papst wird ihn um seinen Rückzug bitten

tagesschau.de: Nur der Papst selbst kann einem Bischof Weisungen erteilen. Wird sich Franziskus noch stärker einschalten?

Hofmeister: Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir am Beginn der Woche der Entscheidung über die Zukunft des Bischofs stehen. Nachdem Franziskus ein Kirchenbild pflegt, dass Prunk vermeidet, kann ich mir nicht mehr vorstellen, dass sich der Papst hinter Tebartz-van Elst stellt, denn das würde ja Rückfragen erzeugen: Wie ernst meint es Franziskus mit seiner Reform der Kirche? Deshalb glaube ich, dass die Zeit des Bischofs abgelaufen ist.

tagesschau.de: Wie geht es jetzt weiter?

Hofmeister: Ich gehe davon aus, dass ihm das nun signalisiert wird. Dann wird ihn der Papst bitten, sein Amt zur Verfügung zu stellen. Dieser Bitte kann er sich nicht widersetzen. Dabei muss man berücksichtigen, dass Erzbischof Zollitsch jüngst betont hat, dass der Schaden für die katholische Kirche in Deutschland groß ist.

Bei Amtsenthebungen von Pfarrern ist genau das entscheidend. Das scheint mir hier auch die Argumentationslinie von Zollitsch zu sein. Es geht also im Moment weniger um den Nachweis, ob Tebartz-van Elst wirklich gelogen hat, sondern ob sich Rom durch den Imageschaden nun gezwungen sieht, zu handeln.

Das Interview führte Florian Pretz, tagesschau.de