Papst-Rede im Bundestag "Fernbleiben als Akt der Solidarität"
Etwa 100 Abgeordnete haben angekündigt, der Papst-Rede im Bundestag fernzubleiben - und werden dafür massiv kritisiert. Elke Ferner (SPD) verteidigt ihre Haltung: Der Bundestag sei nicht der richtige Platz für eine Papst-Rede. Ein kritischer Dialog mit Benedikt XVI. sei nicht vorgesehen, so Ferner gegenüber tagesschau.de.
tagesschau.de: Der Papst redet im Bundestag, und Sie gehen nicht hin. Warum boykottieren Sie den Papst?
Elke Ferner: Es ist kein Boykott. Ich nehme mein Recht auf freie Mandatsausübung wahr und bleibe dieser Veranstaltung, die ja keine offizielle Plenarsitzung ist, fern.
tagesschau.de: Ist das nicht unhöflich?
Ferner: Höflichkeit ist ein dehnbarer Begriff. Ich glaube nicht, dass es unhöflich ist, wenn einzelne Abgeordnete dieser Veranstaltung fernbleiben, zumal ja offenbar die meisten Sitze gar nicht leer bleiben.
tagesschau.de: Warum mögen Sie nicht hören, was der Papst zu sagen hat?
Ferner: Ich habe mein ganzes politisches Leben für die Gleichberechtigung von Frauen und Männern gekämpft, für das Selbstbestimmungsrecht der Frau, wenn es um die Frage des Schwangerschaftsabbruchs geht, und für die Gleichstellung von homosexuellen Lebensgemeinschaften. Bei all diesen Themen hat die katholische Kirche und ihr Oberhaupt Papst Benedikt XVI. eine fundamental andere Position.
"Das hat mit Dialog nichts zu tun"
tagesschau.de: Im Bundestag haben schon andere Menschen gesprochen, deren politische Meinung Sie bestimmt nicht teilen, nehmen wir nur die Rede von Russlands Staatschef Wladimir Putin. Was ist denn diesmal anders?
Ferner: Der Papst spricht nicht in erster Linie als Staatsoberhaupt, sondern er spricht als Kirchenoberhaupt. Das ist für mich ein Unterschied. Ich bin nicht der Überzeugung, dass das Parlament der richtige Ort ist für die Rede des Papstes. Es hat dort ja auch noch kein Oberhaupt einer anderen Religion oder Konfession gesprochen - auch der Dalai Lama wurde damals bei seinem Besuch in Deutschland nicht zu einer Rede im Deutschen Bundestag eingeladen. Im Übrigen verstehe ich mein Fernbleiben als Akt der Solidarität mit all denen, die innerhalb der katholischen Kirche gegen die Dogmen des Papstes kämpfen.
tagesschau.de: Der Bundestag ist der Ort der demokratischen Debatte. Wäre dieses Ereignis nicht eine Möglichkeit, mit dem Papst in einen kritischen Dialog zu treten?
Ferner: Genau diese Möglichkeit besteht eben nicht. Es gibt nach der Rede des Papstes keine Gelegenheit zur Aussprache. Wenn es die gäbe, würde ich natürlich hingehen und mich in die Debatte einschalten. Normalerweise haben wir im Parlament das Prinzip der Rede und der Gegenrede. Aber hier spricht nur einer, und die Abgeordneten hören schweigend zu. Das hat mit Dialog nichts zu tun.
Der Dialog mit den Konfessionen und Religionen findet in Deutschland an vielen Orten statt, und ich bin daran beteiligt.
tagesschau.de: Das Präsidium des Bundestags hat den Papst ausdrücklich eingeladen. War das falsch?
Ferner: Man wird selten einen Gast haben, bei dem sich alle gleichermaßen freuen. Ich denke, es ist das Recht des Präsidiums, den Papst einzuladen, und es ist das Recht jedes Abgeordneten, der Veranstaltung fernzubleiben.
"Jetzt sollten auch andere Religionsvertreter eingeladen werden"
tagesschau.de: Die Abgeordneten, die nicht hingehen, werden heftig kritisiert als "respektlos" und "kleingeistig". Was sagen Sie dazu?
Ferner: Die andere Seite versucht das Fernbleiben von Abgeordneten politisch auszuschlachten. Das ist kein guter Stil. Ich bin mir gar nicht sicher, ob die, die jetzt so laut wettern, nicht genau diejenigen wären, die der Rede eines Vertreters der islamischen Glaubensgemeinschaft im Bundestag fernbleiben würden. Ich finde die Kritik kleinkariert und unehrlich. Ich bin im Übrigen dafür, dass jetzt aus Gründen der Gerechtigkeit auch Vertreter anderer Konfessionen und Religionen in den Bundestag eingeladen werden sollten.
tagesschau.de: Was machen Sie denn, während der Papst im Bundestag redet?
Ferner: Ich mache Büroarbeit. Demonstrieren gegen den Papst werde ich nicht.
Das Interview führte Simone von Stosch, tagesschau.de