Interview mit Parteienforscher "Das Sponsoring ist ziemlich ausgereizt"
Die sogenannte "Sponsoring-Affären" in Nordrhein-Westfalen und Sachsen schlagen hohe Wellen. "Das Parteien-Sponsoring ist seit Jahren gängige Praxis", sagt Parteienforscher Gerd Langguth im Gespräch mit tagesschau.de.
tagesschau.de: Was macht die aktuellen Sponsoring-Fälle mit den Vorwürfen gegen die Ministerpräsidenten Rüttgers und Tillich so aufsehenerregend?
Gerd Langguth: Parteien-Sponsoring ist seit Jahren gängige Praxis. Das besondere ist, dass zumindest in Nordrhein-Westfalen, abgesehen davon, ob es umgesetzt wurde oder nicht, ein Stufenpaket angeboten wurde. Diese beinhaltete, dass man auch ein persönliches, vertrauliches Gespräch mit dem Ministerpräsidenten führen kann.
Es ist doch ganz klar, dass, wenn ein Landesvorsitzender, der vielleicht zudem noch Ministerpräsident ist, einen sogenannten Standrundgang macht, immer bei denen länger bleibt, die besonders viel investiert haben. Das sagen ihm die Schatzmeister oder die Organisatoren. Da braucht Herr Rüttgers den Brief gar nicht gesehen zu haben, um zu wissen, die haben mehr bezahlt als andere. Vielleicht sind die Preise bei der CDU höher als bei anderen; allerdings sind Regierungsparteien auch attraktiver als Oppositionsparteien.
"Eine Eselei ohne Gleichen"
tagesschau.de: Die Aufregung über die Sponsoring-Praxis geht quer durch alle Oppositionsparteien. Aber auch SPD und Grüne freuen sich seit Jahren über solche Einnahmen. Ist die Diskussion vor diesem Hintergrund nicht aufgebauscht?
Langguth: Auch bei der SPD gab es ja entsprechende schriftliche Hinweise an potentielle Aussteller, dass man Gespräche mit wichtigen Prominenten der Partei führen kann. Insofern ist manches, was jetzt an Klagen kommt, auch mit einem Zug zum Heuchlerischen verbunden. Obwohl das, was insbesondere in Nordrhein-Westfalen gemacht wurde, eine Eselei sondergleichen war. So was macht man in dieser Form nicht. Dieses Stufenpaket hat meines Wissens bislang noch keine andere Partei angewandt.
tagesschau.de: Die Grünen und die Linkspartei fordern jetzt eine Änderung des Parteiengesetzes. Ergibt das Sinn und wie könnte diese genau aussehen?
Langguth: Auch die Grünen haben sich ja Parteitage auf diese Weise sponsern lassen, aber sicherlich sehr viel weniger verlangt. Ich denke, dass eine Lösung herauskommen muss, die beinhaltet, dass künftig Firmen, die auf Parteitagen Stände haben, das auch öffentlich ausweisen müssen. Zumindest, wenn man diese so genannten "Sonstigen Ausgaben" beibehalten will. Fakt ist ja, es sind indirekte Spenden, auch wenn es rechtlich keine Spenden sind.
Sponsoring-Einnahmen müssen nicht deklariert werden
tagesschau.de: Wie wichtig sind für die Parteien die Einnahmen aus dem Sponsoring?
Langguth: Sie machen nur etwa ein Prozent der Einnahmen aus. Aber diese Sponsoring-Einnahmen aus der Vermietung von Standplätzen auf Parteitagen müssen im Gegensatz zu Spenden nicht deklariert werden, sondern werden als so genannte "Sonstige Einnahmen" verbucht. Und die Firmen, die einen Standplatz mieten, können das auch steuerlich günstiger abrechnen, als wenn sie eine Spende vornehmen würden. Denn Spenden sind nur noch bis 10.000 Euro steuerlich absetzbar.
tagesschau.de: Können die Parteien beziehungsweise Parteichefs die Unternehmen in der Praxis wirklich fördern?
Langguth: Auf solchen Parteitagen kann man in der Regel gar nichts Effektives tun. Aber es fördert das Image, dass man auf einem Parteitag ist, dass man dort Kontakt nicht nur mit einem Ministerpräsidenten hat, sondern mit vielen Delegierten und Abgeordneten. Und wenn ein Ministerpräsident kommt, werden schöne Fotos gemacht, die werden für die Werkszeitungen genutzt oder andere Zwecke. Das ist also allgemeine Firmen- und Imagepflege. Außerdem vermuten die Firmen, sie hätten dann leichteren Zugang zur aktiven Politik, wenn sie tatsächlich irgendwelche Fragen und Probleme haben.
tagesschau.de: Ist es möglich, dass die Parteien zukünftig freiwillig ihre Sponsoring-Einnahmen offen legen?
Langguth: In Deutschland gibt es eine Neigung, solche Dinge rechtlich zu regeln und es hat in diesem Falle auch einen guten Grund. Es wird immer wieder Versuche geben, irgendwelche Schlupflöcher zu finden.
"Das Sponsoring ist ziemlich ausgereizt"
tagesschau.de: Was glauben Sie, wie sich diese Form des Sponsorings entwickelt? Wird es vor dem Hintergrund sinkender Parteispenden noch ausgeweitet?
Langguth: Man muss zunächst sehen, dass die Parteitage allesamt sehr viel Geld kosten. Sie sind auch Medienereignisse, da nehmen auf Bundesparteitagen viele Tausend Leute teil. Und so kostet ein Parteitag schon mal mehr als eine Million Euro. Das ist das Grundproblem. Dass man die Medienbedürfnisse und die Öffentlichkeit befriedigen muss.
Ich glaube aber, dass das Sponsoring durch diese ganzen Veröffentlichungen jetzt ziemlich ausgereizt ist. Manche Firmen werden sich fragen, ob sie sich überhaupt noch an so etwas beteiligen sollten, wenn es solche negative Auswirkungen hat.
Das Interview führten Andreas Bauer und Oliver Steen.