BVerfG zu Kinderehen Warum das Gesetz nachgebessert werden muss
Im Ausland geschlossene Ehen mit unter 16-Jährigen sind in Deutschland unwirksam - ohne Ausnahme. Das ist auch weiter möglich, beschloss nun das Bundesverfassungsgericht. Allerdings müsse der Gesetzgeber die Folgen für die Minderjährigen regeln.
Als 2015 und 2016 Hunderttausende Menschen vor dem Krieg in Syrien nach Deutschland flüchteten, wurden Kinderehen rasch ein Thema. Rund 1500 verheiratete Minderjährige lebten Mitte 2016 in der Bundesrepublik. Die Berliner Politik meinte damals, schnell handeln zu müssen.
Im Sommer 2017 wurde das "Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen" verabschiedet. Die wesentliche Neuregelung: Wenn ein Partner unter 16 Jahre alt ist, sind im Ausland geschlossene Ehen automatisch unwirksam. Bei 16- bis 18-Jährigen kann die Ehe durch ein Gericht aufgehoben werden.
Syrer klagte gegen die pauschale Regelung
Schon damals gab es Kritik von Fachleuten an der pauschalen Regelung für unter 16-Jährige. Nicht weil sie die Kinderehe schützen wollten, sondern weil ihnen die Einzelfallprüfung durch Gerichte wichtig ist. Denn in Einzelfällen kann das Eherecht minderjährige Ehepartner auch schützen. Ist die Ehe hingegen automatisch unwirksam, entfallen alle familienrechtlichen Ansprüche.
Die Neuregelung landete vor Gericht wegen der Klage eines Mannes aus Syrien. 2015 hatte er in Syrien seine Ehefrau geheiratet. Er war damals 21, sie 14 Jahre alt. Zusammen flohen sie vor dem Krieg über die Balkanroute nach Deutschland. Das Paar wurde getrennt. Die Frau kam in eine Jugendhilfeeinrichtung und unter die Obhut des Jugendamtes.
BGH: Gesetzgeber hat Folgen zu wenig berücksichtigt
Der Mann klagte dagegen bis zum Bundesgerichtshof. Der hielt das pauschale Verbot von im Ausland geschlossenen Kinderehen für verfassungswidrig und schaltete das Verfassungsgericht ein. Der BGH meinte, der Gesetzgeber habe sich keine Gedanken über die Folgen gemacht, wenn eine Kinderehe automatisch nichtig sei.
Das Grundgesetz sehe für Ehe und Familie einen besonderen Schutz vor. Insbesondere seien Ehepartner füreinander verantwortlich. Sei die Ehe einfach nichtig, könne das für minderjährige Ehepartner auch negative Folgen haben. So verlieren sie beispielsweise Ansprüche auf Unterhalt.
BVerfG: Einzelfallprüfung nicht zwingend nötig
Das Bundesverfassungsgericht ist dem nun gefolgt und hat das Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen für verfassungswidrig erklärt. Die Richterinnen und Richter stellten dabei aber ausdrücklich klar, dass ein Verbot von Kinderehen möglich ist, vor allem um minderjährige Mädchen zu schützen. Der Gesetzgeber darf dafür auch die Ehe für unter 16-Jährige pauschal für unwirksam erklären. Und es ist auch nicht unbedingt eine Einzelfallprüfung nötig.
Das Verbotsgesetz von 2017 habe jedoch die Folgen einer unwirksamen Kinderehe nicht geregelt. Sei die Ehe unwirksam, müsse dennoch der soziale Schutz der minderjährigen Partnerin gewährleistet sein.
Scheidungsrecht gilt auch für Minderjährige
Wie wichtig den Richterinnen und Richtern beides ist - das Kindereheverbot und der soziale Schutz -, zeigt sich auch daran, dass sie selbst eine Übergangsregelung geschaffen haben. Die Politik müsse bis Juni 2024 die Kinderehe verfassungsgemäß neu regeln, entschied das Gericht. Bis dahin bleibt das pauschale Kindereheverbot bestehen. Kinderehen mit unter 16-jährigen Partnerinnen oder Partnern sind unwirksam.
Damit die Minderjährigen trotzdem sozial abgesichert sind, gilt für sie ab sofort das Scheidungsrecht. Das bedeutet, dass minderjährige Partnerinnen einer unwirksamen Kinderehe Anspruch auf Unterhaltszahlungen haben können.
Az. 1 BvL 7/18