Kindergrundsicherung SPD kritisiert FDP-Blockade
Der Koalitionsstreit um die Kindergrundsicherung geht weiter. Nach den Grünen kritisiert nun auch SPD-Generalsekretär Kühnert Finanzminister Lindner, der erklärt hatte, er sehe kaum Spielraum im Haushalt. Auch von anderen Seiten kommt Kritik.
Im Koalitionsstreit um die Kindergrundsicherung hat SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert Kritik an Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) geübt. "Einfach nein sagen, wird nicht reichen, um die Diskussion zu überstehen", sagte Kühnert bei RTL und n-tv. Er wies darauf hin, dass die Kindergrundsicherung Teil des Koalitionsvertrages ist. "Wir haben eine klare Verabredung - die Kindergrundsicherung soll kommen und wird kommen."
Wenn im Koalitionsvertrag vereinbart werde, dass die Bekämpfung von Kinder- und Jugendarmut ein zentrales Anliegen sei, müsse auch alles dafür getan werden, betonte Kühnert. Dazu würden neben der Finanzierung aber auch Vorschläge zählen, wie das Geld besser abgerufen werden könne. Nur 30 Prozent der Menschen würden aktuell den Kinderzuschlag für Familien mit geringem Einkommen abrufen, sagte Kühnert.
Kühnert übt deutliche Kritik an Lindner.
Esken will Anzahl der Empfänger erhöhen
Auch SPD-Parteichefin Saskia Esken sprach sich dafür aus, die Anzahl der Empfänger bereits bestehender Leistungen wie dem Kinderzuschlag deutlich zu erhöhen. "Ich will, dass der Anteil derer, die die Leistungen in Anspruch nehmen, von derzeit gerade mal 30 Prozent auf mindestens 80 Prozent steigt", sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Dagmar Schmidt übte ebenfalls Kritik an Lindner: Sie warf dem FDP-Chef vor, die Lebensrealität von Eltern nicht zu berücksichtigen. "Viele Eltern, insbesondere Alleinerziehende, können doch gerade deshalb nicht im gewünschten Umfang arbeiten, weil sie Kinder haben und die Kinderbetreuung in Deutschland immer noch ausbaufähig ist", sagte Schmidt den Zeitungen der Mediengruppe Bayern.
Kritik an Familienministerin Paus
Aber auch Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) steht wegen der von ihr geforderten zwölf Milliarden Euro pro Jahr für eine Finanzierung der ab 2025 geplanten Kindergrundsicherung weiter in der Kritik. Die Bundesregierung müsse "endlich Prioritäten setzen und auch in der Familienpolitik staatliche Leistungen auf ihre Wirksamkeit überprüfen", forderte der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei (CDU) gegenüber der "Bild". Paus jedoch arbeite offenbar nach dem Motto "viel (Geld) hilft viel".
"Nur mehr Geld auf den Haufen zu legen, bringt nichts", meint auch FDP-Fraktionschef Christian Dürr. Er dringt deshalb vor allem auf eine Vereinfachung der Antragsverfahren für familienpolitische Leistungen. "Familien, die es schwerer haben, wollen sich nicht mit aktenweise Bürokratie herumschlagen", sagte er im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF. Derzeit sei das Problem, dass verfügbares Geld nicht abgerufen werde, weil das Verfahren "zu bürokratisch ist". Es gehe darum, mit dem vorhandenen Steuergeld der Bürgerinnen und Bürger auszukommen. Er forderte, Prozesse zu digitalisieren und zu vereinfachen.
Lindner hatte ablehnende Haltung bekräftigt
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hatte am Wochenende seine ablehnende Haltung der Kindergrundsicherung bekräftigt. Für Familien mit Kindern sei bereits viel passiert, sagte Lindner der "Bild am Sonntag". Für die Kindergrundsicherung - ein Vorzeigeprojekt von Familienministerin Lisa Paus - sei damit finanziell das Wesentliche getan, so Lindner weiter.
Stattdessen hatte er andere Ansätze zur Bekämpfung der Kinderarmut betont. Diese sei oft in der Arbeitslosigkeit der Eltern begründet. Deshalb seien "Sprachförderung und Integration der Eltern in den Arbeitsmarkt entscheidend, um die Chancen der Kinder zu verbessern". Umverteilung von Geld stoße "irgendwann bei der Armutsbekämpfung an Grenzen".
Einnahmen in Billionenhöhe
Für das Jahr 2024 rechnet der Bundesfinanzminister mit Rekordeinnahmen von voraussichtlich erstmals mehr als einer Billion Euro. Dennoch reiche das Geld nicht aus, um die gesetzlichen Verpflichtungen des Bundes zu finanzieren, so Lindner. Diese Regierung müsse sparen. An Mehrausgaben sei momentan nicht zu denken.
Bei den Grünen war Lindner damit bereits auf Widerspruch gestoßen. Der Kampf gegen Kinderarmut sei eine "gesamtgesellschaftliche Aufgabe, der sich auch Herr Lindner verpflichtet fühlen sollte", hatte die stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Maria Klein-Schmeink, gesagt. Sie forderte den Finanzminister auf, noch in diesem Jahr "alle Eckpunkte und die Finanzmittel" zu klären, damit die Auszahlung am 1. Januar 2025 beginnen könne.
Aufforderung von den Linken an die Grünen
Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch forderte die Grünen derweil auf, sich in der Koalition gegen Lindner durchzusetzen. "Die Kindergrundsicherung steht im Koalitionsvertrag", sagte Bartsch dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Über Nacht konnte Olaf Scholz 100 Milliarden für die Bundeswehr locker machen." Nun müsse der Bundeskanzler erneut handeln: "Es braucht jetzt eine klare Ansage des Kanzlers in Sachen Kindergrundsicherung."
Mit der Kindergrundsicherung will die Ampel-Regierung das Kindergeld, Sozialleistungen für Kinder wie das Bürgergeld und die Beträge für die Teilnahme an Sport- und Kulturveranstaltungen sowie den Kinderzuschlag für Eltern mit geringen Einkommen zusammenfassen. Umstritten ist, ob mit der Grundsicherung eine Erhöhung der Leistungen für Kinder in einkommensarmen Familien einhergehen soll.