Missbrauch in katholischer Kirche Erzbistum verspricht Betroffenen mehr Hilfe
Das Erzbistum München und Freising will künftig enger mit Betroffenen sexuellen Missbrauchs zusammenarbeiten. Ihre Bedürfnisse und Belange seien entscheidend für Aufarbeitung und Prävention, stellte Kardinal Marx fest und entschuldigte sich erneut.
Der Münchner Kardinal Reinhard Marx hat sich ein Jahr nach Veröffentlichung eines Gutachtens über Missbrauchsfälle in seinem Bistum erneut bei den Betroffenen entschuldigt. "Für das damit verbundene Leid werde ich immer in der Verantwortung stehen und bitte darum nochmals um Entschuldigung", sagte der Erzbischof von München und Freising. "Ich kann Geschehenes nicht rückgängig machen, aber jetzt und zukünftig anders handeln. Und das tue ich."
Auch ein Jahr nach dem Gutachten sei das Entsetzen über die Fälle groß. "Der Schrecken ist geblieben", sagte Marx. "Missbrauch ist und bleibt eine Katastrophe."
Marx kündigt besser Zusammenarbeit mit Betroffenen an
Marx kündigte an, künftig enger mit Betroffenen sexuellen Missbrauchs zusammenarbeiten zu wollen. Diese hatte sich in der Vergangenheit häufig über zu wenig Zuspruch bei der Aufarbeitung des Missbrauchs und über bürokratische Hürden bei der Entschädigung beklagt.
Die Bedürfnisse und Belange der Betroffenen seien entscheidend für Aufarbeitung und Prävention, betonte der Kardinal jetzt. Dass die Perspektive der Betroffenen in der Vergangenheit zu wenig berücksichtigt worden sei, "war unser größtes Defizit", sagte Marx. "Das müssen wir als Kirche, das muss ich als Erzbischof selbstkritisch einräumen."
Er selbst habe 2022 seine Gespräche mit Betroffenen intensiviert, sagte Marx. "Das ist nicht perfekt, da sind immer noch mehr Dinge möglich, aber ich bin auf dem Weg.
Mehr Personal für Seelsorge- und Beratungsstelle
Als weitere konkrete Maßnahme möchte Marx die im Sommer 2022 eingerichtete Stabsstelle "Seelsorge und Beratung für Betroffene von Missbrauch und Gewalt" personell ausbauen. Derzeit ist sie mit einem Priester, der selbst als Kind von einem Geistlichen missbraucht wurde, und zwei Psychologinnen mit Therapieerfahrung besetzt. In der Stelle sind seit der Eröffnung 100 Anrufe aus ganz Deutschland eingegangen. An Präventionsschulungen im Erzbistum wirkt inzwischen ein Betroffener mit.
Marx rief außerdem dazu auf, Hinweise auf möglichen Missbrauch zu melden. Seit Veröffentlichung des Gutachtens am 20. Januar 2022 gingen nach Bistumsangaben bis Ende des Jahres 57 Meldungen bei den unabhängigen Ansprechpersonen für die Prüfung von Verdachtsfällen ein, wobei auch Hinweise zu Grenzverletzungen darunter gewesen seien, die nicht in den Bereich sexuellen Missbrauchs fallen und Gegenstand bereits bekannter Missbrauchsfälle waren.
Studie geht von etwa 500 Opfern aus
Das vom Bistum bei der Münchner Anwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) in Auftrag gegebene Gutachten hatte bei seiner Vorstellung im Januar 2022 weltweit Aufsehen erregt. Die Studie geht von mindestens 497 Opfern und 235 mutmaßlichen Tätern aus - und von einem weit größeren Dunkelfeld.
Den ehemaligen Erzbischöfen Friedrich Wetter und Joseph Ratzinger, dem an Silvester gestorbenen Papst Benedikt XVI., wurde in dem Gutachten persönlich Fehlverhalten in mehreren Fällen vorgeworfen - ebenso Kardinal Marx.
Verfahren in Sachen Benedikt XVI. ist ausgesetzt
Derweil gab das Landgericht Traunstein bekannt, dass das Feststellungsklage gegen den einstigen, inzwischen verstorbenen Papst Benedikt XVI. und andere Kirchenverantwortliche ausgesetzt ist. Wie "Correctiv" und der Bayerischen Rundfunk berichteten, hatte der Prozessbevollmächtigte von Benedikt XVI., die Kanzlei Hogan Lovells, beantragt, das Verfahren pausieren zu lassen, bis ein Rechtsnachfolger des Verstorbenen feststehe.
Sämtliche Beteiligten seien gleichwohl mit dem geplanten Beginn der mündlichen Verhandlung am 28. März einverstanden, teilte das Gericht weiter mit. "Ob es zu diesem Termin aber kommt, wird davon abhängen, ob bis dahin die Frage der Rechtsnachfolge geklärt ist."
Mit der Feststellungsklage will ein Missbrauchsopfer aus dem oberbayerischen Garching an der Alz gerichtlich klären lassen, ob Joseph Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI., als Münchner Erzbischof (1977-1982) durch sein Handeln oder Unterlassen in einem Missbrauchsfall zu Schadensersatz verpflichtet ist oder zumindest gewesen wäre. Die Klage richtet sich nicht nur gegen das frühere Kirchenoberhaupt, sondern auch gegen den Münchner Kardinal Friedrich Wetter (Erzbischof von 1982-2008), gegen den mutmaßlichen Täter sowie das Erzbistum München und Freising als solches.