Olaf Scholz
kommentar

Kanzlerkandidatur Die SPD rumpelt in den Wahlkampf 

Stand: 22.11.2024 00:06 Uhr

Desaströser hätte die SPD nicht in den Wahlkampf starten können. Olaf Scholz - der nun Kanzlerkandidat wird - geht beschädigt ins Rennen. Das liegt an ihm - aber auch an seiner Partei.

Von Georg Schwarte, ARD-Hauptstadtstudio

Rumpelig, rumpeliger, SPD. Was für ein gründlich missratener Start in einen Bundestagswahlkampf der Kanzlerpartei war das denn? Da brauchte es also am Donnerstagabend um 19.30 Uhr ein Dreiminutenvideo vom Kandidaten der Herzen, dem Umfragekönig Boris Pistorius, um allen Sozis im Lande klar zu machen: Es kann nur einen geben - Olaf Scholz.  

Wer bitte atmet jetzt auf? Der Kanzler, dem der jüngste ARD-DeutschlandTrend wenige Augenblicke zuvor attestierte, dass er in der Gunst der Deutschen als Kanzlerkandidat sogar noch hinter der AfD-Politikerin Weidel auf Platz fünf liegt?      

Soll die Parteiführung aufatmen, die tagelang der grandiosen Fehleinschätzung nachlief, die Sache sei doch längst für Olaf Scholz entschieden? Parteichef Lars Klingbeil etwa, der den eigenen Fehler, nicht direkt nach dem Ampel-Bruch Scholz zur Nominierung auszurufen, zur Strategie erklärte? Er wolle sich nicht treiben lassen von der Öffentlichkeit, sagte Klingbeil.

Am Ende aber war die Not so groß, dass Boris Pistorius offenbar getrieben werden musste, per Video auf etwas zu verzichten, was er offiziell ja nie wollte: die Kanzlerkandidatur.   

Atmen jetzt die Parteimitglieder auf, die Bundestagsabgeordneten, die sich - um Macht und Mandate fürchtend - zuletzt nicht scheuten, ihren amtierenden Kanzler öffentlich zu demontieren? Seine Schwächen aufzählten, um für die Projektfläche aller Hoffnungen namens Pistorius zu werben. Jene Parteimitglieder, die schlussendlich im Winterwahlkampf jetzt doch mit klammen Fingern Scholz-Plakate kleben werden. 

Gar nichts ist gut gelaufen

Am Ende dieses Schauspiels fühlten sich selbst sieben ehemalige SPD-Vorsitzende berufen, öffentlich Ratschläge zu erteilen. Der vorerst letzte kam von Kurt Beck mit dem immerhin erfrischenden Appell an alle Sozis: Einfach mal das Maul zu halten.   

Atmet Pistorius auf, weil er weiter Hoffnungsträger ohne Liefernachweis bleiben darf und sich in aller Ruhe auf seinen Job als Vizekanzler in einer Großen Koalition vorbereiten kann?  

Es ist bis hierher wirklich nicht gut gelaufen für diesen Bundeskanzler Scholz, der mit aller Besonnenheit, die ihm eigen ist, jetzt nur hoffen kann, dass die Wähler umsichtiger sind, als seine eigenen Genossen. Dass sie vergessen, was war.

"Der Blick in den Rückspiegel hat noch nie geholfen", sagte Pistorius am Abend. Denn was würde dieser Blick auch zeigen: Eine SPD, deren jahrelang vorbildliche Geschlossenheit und Disziplin binnen Tagen aus Panik vor aller Augen zerbröselte. Jetzt geht’s los? Dass die Jusos das am Wochenende bei ihrem Bundeskongress jubelnd über den Kandidaten Scholz skandieren werden, glaubt im Ernst wohl niemand.            

Was waren das für selige Zeiten, als ein Franz Müntefering, der jetzt selbst mit seinen Zwischenrufen zum Unheil beigetragen hat, ausrufen konnte: "Partei gut. Fraktion gut. Glück auf." Von wegen.