Youtube-Interview mit Merkel Die Kanzlerin sucht Kontakt
"Playstation 4 oder Xbox One?" - diese Frage könnte Angela Merkel gestellt werden, die heute von Youtube-Star LeFloid interviewt wird. Warum die Kanzlerin das tut und was sie dabei erwartet, erklärt der Kommunikationswissenschaftler Till Keyling im Interview mit tagesschau.de.
tagesschau.de: Ist es das erste Mal in Deutschland, dass ein Youtuber einen hochrangigen Politiker interviewt?
Till Keyling: Meines Wissens ist es das erste Mal. Es gab mal eine Aktion, wo über Youtube-Fragen an die Kanzlerin geschickt worden sind, aber es gab dann keine Antwort darauf, es wurde ignoriert.
tagesschau.de: Normalerweise müssen Journalisten sehr lange auf ein Interview mit der Bundeskanzlerin warten, oft wird es verweigert. Welches Interesse hat sie, mit LeFloid zu sprechen? Ist Merkel auf LeFloid zugegangen?
Keyling: Das Interview ist vermutlich nicht auf sie zurückzuführen, sondern auf ihre Kommunikationsberater. Vielleicht ist es auch ein Versuch von Frau Merkel, dem Vorwurf des sich Wegduckens in der Öffentlichkeit aktiv entgegenzutreten. Das Hauptziel ist wohl, neue und jüngere Zielgruppen zu erreichen.
Form geht vor Inhalt - auch bei klassischen Medien
tagesschau.de: Geht es dann eher darum, dass die Kanzlerin sich bei Youtube interviewen lässt und weniger darum, was sie sagt? Geht es eher um Form als um Inhalte?
Keyling: Momentan relevant ist ganz klar, dass Merkel einem Youtuber ein Interview gibt. Was dann inhaltlich übrig bleibt und ob das weiter thematisiert wird, kann man noch nicht sagen. Möglicherweise kann LeFloid ja sogar ganz neue Debatten anstoßen. Die Entscheidung darüber, ob es eher um die Form oder um die Inhalte geht, liegt also auch bei den Medien, die über das Interview berichten.
Auch in den klassischen Medien lässt sich oft schwer sagen, ob es eher um Form oder Inhalte geht. Das kann man schwer beantworten. Ich würde sagen, dass es oft Formsache ist, weil wesentliche inhaltliche Entscheidungen anderswo getroffen werden. Genau betrachtet geht es auch am Sonntagabend bei Günther Jauch meist um die Form. Viel wichtiger als was gesagt wird, ist oft, wie etwas gesagt wird. Es geht darum, einen guten Auftritt hinzulegen. Prominenz und Präsenz sind bei Politikern entscheidend. Man darf den Anspruch an Youtuber da nicht zu hoch ansetzen.
tagesschau.de: Wie unterscheidet sich ein Youtube-Interview von einem in einem klassischen Medium?
Keyling: Bei Youtube werden Inhalte, durchaus auch politische, in den meisten Fällen unterhaltsam behandelt. Humor wird in Deutschland bislang allerdings selten von Politikern eingesetzt. Es wird eher über die Verantwortlichen gelacht, also Witze gemacht. Zudem spielen Meinung und Personalisierung eine große Rolle und es wird stark überspitzt, was man bei klassischen Medien kaum so machen kann.
tagesschau.de: Kann Merkel damit wirklich punkten?
Keyling: So wie ich sie bisher kenne, wird das eher schwierig. Im Vergleich etwa zu Barack Obama sind die rhetorischen oder humoristischen Qualitäten der Bundeskanzlerin nicht so stark ausgeprägt. Obama brilliert da und kann sehr spontan sein. Frau Merkel war auf Youtube-Videos bisher oft unfreiwillig komisch und wirkte eher drollig, zum Beispiel, als ihr der Begriff "Festnetz" nicht einfiel. Viele Nutzer fanden das aber eigentlich ganz nett.
Fragen wie "Playstation 4 oder Xbox One?"
tagesschau.de: LeFloid ruft seine Follower unter #NetzFragtMerkel dazu auf, Fragen für das Interview zu stellen.
Keyling: Es werden viele Fragen eingehen, im Moment sind es 12.000 Tweets, die den Hashtag enthalten. Da muss natürlich gefiltert und ausgewählt werden. Soweit ich weiß, passiert das nicht öffentlich durch eine Redaktion, also LeFloid. Es findet wahrscheinlich wie im klassischen Journalismus im Verborgenen statt.
tagesschau.de: Es wurden Fragen gestellt wie "Playstation 4 oder Xbox One?", "Hast du WhatsApp?" oder "Was würden Sie tun, wenn eine Art Apokalypse die Welt bedroht?" Ist das politisch?
Keyling: Man müsste mal gucken, wie oft derartige Fragen gestellt wurden. Es sind sicher auch Fragen darunter, die aus Spaß gestellt wurden. Ich glaube aber schon, dass sie viele interessieren und auch berechtigt sind, zum Beispiel die Antwort zu der Frage nach der Apokalypse kann spannend sein. Und: Fragen nach dem Privatleben sind für Politiker nichts Neues. Eine Boulevardisierung ist auch in Massenmedien beobachtbar. Das ist an sich nichts Neues, nur dass wir jetzt sehen, was interessiert tatsächlich die Nutzer an Politik? Ist das auch ein Meinungsbild? Es muss nicht immer die ganz harte Sachpolitik sein.
Vor allem die Medienbranche reagiert
tagesschau.de: Wird es künftiger häufiger Interviews hochrangiger Politiker auf Youtube oder Blogs geben?
Keyling: Auf jeden Fall. Man muss natürlich abwarten, was bei dem LeFloid-Interview rauskommt. Wie wird das kommentiert? Es bleibt abzuwarten, wie sehr das die Youtuber selbst interessiert, welche Resonanz das hervorruft. Interessant finde ich, dass bisher vor allem die Medienbranche darauf reagiert. Massenmedien könnten die Fragen so ja gar nicht stellen, wie sie jetzt zirkulieren.
tagesschau.de: Löst Youtube den klassischen Journalismus ab?
Keyling: Es gab ja eine ähnliche Debatte, als der Regierungssprecher angefangen hat zu twittern. Hauptstadtjournalisten befürchteten, marginalisiert zu werden - das ist nicht eingetreten. Es bedarf immer noch einer Einordnung und Filterung und das wird auch in zehn Jahren so sein. In den Tagesthemen wäre ein LeFloid-Interview fehl am Platze, aber vielleicht sollte man das an einem anderen Ort im Öffentlich-Rechtlichen machen.
Das Interview führte Michael Stürzenhofecker.