Einsatz in Lützerath Polizei setzt Räumung fort
Die Räumung des Braunkohleortes Lützerath geht weiter. Klimaaktivisten halten noch Häuser und Scheunen besetzt. Heute will "Fridays for Future" bundesweit gegen den Polizeieinsatz demonstrieren.
In dem von Klimaaktivisten besetzten Braunkohleort Lützerath im Rheinischen Revier geht die Räumung durch die Polizei heute voraussichtlich weiter. Aachens Polizeipräsident Dirk Weinspach sagte, die eigentliche Herausforderung liege noch vor der Polizei - dabei bezog er sich auf die Räumung der sieben Gebäude auf dem Gelände.
Die Einsatzkräfte gingen bis in die Nacht gegen Aktivisten vor, die das Abbaggern der Kohle unter dem Ort verhindern wollen. Polizisten holten gut zehn Aktivisten mit Hebebühnen aus etwa zehn Metern Höhe vom Dach einer früheren landwirtschaftlichen Halle. An einer anderen Stelle waren die Beamten in der Nacht mehrere Stunden damit beschäftigt, eine Aktivistin aus einem Autowrack zu befreien, das als Hindernis auf einem Weg aufgebaut worden war. Die Frau hatte sich in dem Wrack verschanzt und ihre Füße in den Weg zementiert. In den frühen Morgenstunden konnte sie herausgeholt werden.
"Fridays for Future" ruft zu Demonstrationen auf
In diesen Häusern sowie in selbstgebauten Baumhäusern halten sich weiter Aktivisten auf. "Fridays for Future"-Aktivistin Luisa Neubauer nannte das Vorgehen der Polizei "absolut unverständlich". "Räumungen nachts in der Dunkelheit. Das ist gefährlich, provozierend, eskalierend. Was soll das, wovor hat man solche Angst?", fragte sie auf Twitter.
Das Bündnis "Lützerath unräumbar" hat für heute Protestaktionen wie Sitzblockaden in der Umgebung angekündigt. "Fridays for Future" will am zweiten Tag der Räumung bundesweit demonstrieren. So will unter anderem Neubauer um 10.00 Uhr im rund vier Kilometer von Lützerath entfernten Erkelenzer Ortsteil Keyenberg eine Rede halten.
Doppelzaun um Lützerath
Lützerath ist nun von einem neuen, anderthalb Kilometer langen Zaun umgeben. Die Konstruktion sei fast fertig, nur die Tore fehlten noch, sagte ein RWE-Konzernsprecher am Morgen. Die Tore sollten im Laufe des Tages eingehängt werden. RWE hatte gestern mit der Errichtung des etwa zwei Meter hohen Doppelzauns - also von zwei Zäunen nebeneinander - begonnen, um die Ortschaft als Betriebsgelände zu markieren und "eine lückenlose Umfriedung" zu schaffen.
Der Zaun solle Unbefugte daran hindern, die Ortschaft zu betreten, sagte der RWE-Sprecher. Sobald die Polizei einzelne Bereiche für geräumt erklärt hat, sollen Bagger mit dem "geordneten Rückbau" - also dem Abriss - beginnen. "Wann das sein wird, wissen wir nicht", sagte der Sprecher. "Sicherheit für alle Beteiligte hat für uns dabei absoluten Vorrang."
Friedliche Proteste, Molotow-Cocktail und Steine
Die Siedlung Lützerath soll abgerissen werden, um die darunter befindlichen Kohlevorkommen fördern zu können. Klimaaktivisten wollen dies verhindern. Am frühen Mittwochmorgen war es zum Auftakt der Räumung zu Rangeleien gekommen. Laut Polizei wurden ein Molotow-Cocktail, Steine und Pyrotechnik in Richtung der Beamten geworfen. Eine Sprecherin der Initiative "Lützerath lebt" warf der Polizei einen "überharten Einsatz" vor.
Im Laufe des Tages blieb es dann aber überwiegend friedlich. Polizisten holten Aktivisten von Bäumen und Podesten und setzten dabei an verschiedenen Stellen Hebebühnen ein. Am Ortseingang von Lützerath gab es Abrissarbeiten mit Baggern, auch eines der Ortsschilder wurde bereits entfernt.
Habeck verteidigt Vorgehen
Angesichts von Kritik aus der Klimabewegung an den Grünen wegen der Räumung von Lützerath zeigte sich Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck betroffen. "Das fasst mich auch an oder treibt mich um, so wie alle in meiner Partei", sagte Habeck am Abend im "heute-journal" des ZDF. "Aber trotzdem müssen wir das erklären, was richtig ist. Und richtig war - leider -, die Gasmangellage, eine Energienotlage in Deutschland abzuwehren, auch mit zusätzlicher Verstromung von Braunkohle - und hintenraus den Kohleausstieg vorzuziehen."
Lützerath sei nicht "das Weiter-So der Energiepolitik der Vergangenheit: Verstromung von Braunkohle", betonte Habeck. "Es ist nicht, wie behauptet wird, das ewige Weiter-So, es ist der Schlussstrich darunter." Leider habe man das Dorf Lützerath nicht mehr retten können - "aber es ist das Ende der Braunkohleverstromung in NRW". "Insofern - mit großem Respekt vor der Klimabewegung - ist meiner Ansicht nach der Ort das falsche Symbol."
Die von den Grünen geführten Wirtschaftsministerien in Bund und Land NRW hatten mit dem Energiekonzern RWE einen Kompromiss vereinbart, der das Abbaggern der Kohle unter Lützerath beinhaltet - aber auch einen auf 2030 vorgezogenen Kohleausstieg in NRW.