Ramsauer zur Pkw-Maut Merkel und Seehofer sollen schuld sein
Im Untersuchungsauschuss zur gescheiterten Pkw-Maut nimmt Ex-Bundesverkehrsminister Ramsauer kein Blatt vor den Mund - die Schuldigen für das Debakel? Ganz klar: Merkel und Seehofer. Seine Nachfolger nimmt er in Schutz.
Im Maut-Untersuchungsausschuss hat der frühere Verkehrsminister Peter Ramsauer seine Amtsnachfolger Alexander Dobrindt und Andreas Scheuer in Schutz genommen. Ramsauer sagte als Zeuge: Kanzlerin Angela Merkel und der damalige CSU-Chef Horst Seehofer hätten bei den Koalitionsverhandlungen 2013 mit der SPD sehenden Auges eine europarechtliche Unmöglichkeit in den Koalitionsvertrag hineinverhandelt.
"Meine Amtsnachfolger mussten mit dieser Hypothek umgehen, und der Rest ist bekannt", sagte Ramsauer mit Blick auf die später geplatzte Pkw-Maut. Er war von 2009 bis 2013 im Amt.
FDP will Merkel und Seehofer vorladen
Die FDP kündigte daraufhin an, auch Merkel und Seehofer im Ausschuss befragen zu wollen. Das unterstützt die AfD, die auch den damaligen SPD-Chef Sigmar Gabriel vorladen möchte. Er hatte 2013 den Koalitionsvertrag für die Sozialdemokraten mit verhandelt. Die Grünen wollen Seehofer auf jeden Fall befragen, mit Blick auf Merkel und Gabriel aber noch abwarten.
Konkret geht es um einen Passus im damaligen Koalitionsvertrag, dass zur zusätzlichen Finanzierung des Autobahnnetzes ein angemessener Beitrag der Halter von nicht in Deutschland zugelassenen Pkw erhoben werden solle - mit der Maßgabe, "dass kein Fahrzeughalter in Deutschland stärker belastet wird als heute".
Ramsauer sagte im Ausschuss, er habe davor gewarnt, dass das europarechtlich schwierig wäre. So wie es da drinstehe, sagte der Ex-Ressortchef, könne man es fast nicht umsetzen.
Die Opposition wirft Scheuer bei der Maut schwere Fehler zu Lasten der Steuerzahler vor. Der amtierende Minister weist das zurück. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte die deutschen Mautpläne im vergangenen Sommer gestoppt: Sie seien diskriminierend für die Halter und Fahrer aus anderen EU-Ländern.
Interne Dokumente sehen rechtliche Probleme
Interne Dokumente zeigen: Im Bundesverkehrsministerium war schon seit 2011 klar, dass eine "Ausländermaut" europarechtlich schwierig wird. Verantwortlicher Minister damals: Ramsauer. Der Staatssekretär: Scheuer.
"Die Einführung einer Maut nur für ausländische Verkehrsteilnehmer wäre europarechtlich nicht zulässig", heißt es in einem Briefentwurf vom Juli 2012, der dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt und über den zuerst der "Focus"berichtet hatte. "Auch gegen eine Kompensation über eine Absenkung der KfZ-Steuer werden EU-rechtliche Bedenken geltend gemacht."
Die einseitige Mehrbelastung ausländischer Verkehrsteilnehmer könnte "faktisch einer Diskriminierung gleichkommen", heißt es weiter. Verantwortlich für den Briefentwurf: Scheuer, der hier vorweg nimmt, was sieben Jahre später Grund für die Richter ist, die Mautpläne zu kippen.
Der Brief war an den CDU-Bundestagsabgeordneten Willi Zylajew formuliert. Zylajew hatte sich gegen Mehrbelastungen für inländische Autofahrer ausgesprochen und vorgeschlagen, die Maut für sie mit der KfZ-Steuer zu verrechnen.
Dass Scheuers klare Antwort nicht allen im Ministerium gepasst haben dürfte, darauf weist ein handschriftlicher Vermerk auf dem Textentwurf hin: "Rücksprache erforderlich, da BMVBS [das Verkehrsministerium] medial eine andere Botschaft vermittelt." Und: "tel.[efonisch] mit MdB Zylajew erörtert. Keine Antwort mehr erforderlich." Für die Opposition ist dieser Briefentwurf der Beweis: Scheuer wusste als Staatssekretär um das Risiko bei der Maut und setzte sie trotzdem als Verkehrsminister um.
Streit über Schadenersatz vor Schiedsgericht
Um die finanziellen Folgen des Maut-Debakels einzudämmen, greift das Ministerium nun rechtlichen Mitteln: Der Streit mit den inzwischen gekündigten Betreibern über Schadenersatz geht vor ein Schiedsgericht.
Das vorgeschaltete Verfahren zur Streitbeilegung sei gescheitert, sagte eine Sprecherin des Bundesverkehrsministeriums. Der Ticketvermarkter Eventim und der österreichische Maut-Kontrolleur Kapsch verlangen von Deutschland mehr als 560 Millionen Euro Schadenersatz wegen entgangener Gewinne.
Ministerium spricht von Vertragsverletzungen
Das Verkehrsministerium bestreitet die Ansprüche und spricht von Vertragsverletzungen, die jetzt ebenfalls in eine Klage und Forderungen münden, wie die Sprecherin sagte. Über deren Höhe wollte sie keine Angaben machen.
Das Ministerium wirft den Betreibern vor, schon in der Vorbereitungsphase Leistungen nicht erbracht und zugesagte Planungsunterlagen nicht geliefert zu haben. Zudem hätten sie auch nach der Kündigung des Betreibervertrags durch den Bund noch Unteraufträge vergeben und damit "treuwidrig" gegen Bestimmungen des Vertrags verstoßen.
Mit Informationen von Kristin Becker und Markus Langenstraß, ARD-Hauptstadtstudio.