Hintergrund

Hintergrund Deutsches Asylrecht immer wieder verändert

Stand: 27.08.2007 11:44 Uhr

Seit der Verschärfung des Asylgrundrechts 1993 gehen die Zahlen der Antragsteller in Deutschland zurück. Und auch die Terroranschläge des 11. September 2001 haben Spuren im Rechtssystem hinterlassen. Ein Blick auf das deutsche Asylrecht.

"Politisch Verfolgte genießen Asylrecht" - so heißt es kurz und knapp in Artikel 16a des Grundgesetzes. Grundlage ist die Genfer Flüchtlingskonvention, wonach in Deutschland asylberechtigt ist, wer wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung verfolgt oder in seiner persönlichen Freiheit eingeschränkt wird. So weit die Theorie.

Laut aktueller Gesetzgebung haben jedoch nur diejenigen einen Rechtsanspruch auf Asyl in unserem Land, die unter staatlicher Verfolgung leiden. Deutschland ist damit einer der wenigen Staaten, die nicht-staatliche Gefahren, zum Beispiel durch extremistische Gruppierungen oder geschlechtsspezifische Verfolgung, nicht als Asylgrund anerkennen. Dieser Punkt soll im Zuwanderungsgesetz, über das Union und Regierung seit Monaten ringen, neu geregelt werden. Bislang werden nicht-staatlich Verfolgte zumindest befristet geduldet.

Einschränkungen seit 1993

Nach der Änderung des Asylgrundrechts im Juli 1993 unterliegt der Rechtsanspruch auf Asyl erheblichen Einschränkungen: Wer aus einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union nach Deutschland kommt oder aus einem so genannten sicheren Drittstaat, hat keine Chance auf Asyl. Zu den sicheren Drittstaaten gehören derzeit alle Nachbarstaaten Deutschlands sowie Norwegen und die Schweiz. Flüchtlinge, die über diese Staaten nach Deutschland einreisen, können sofort zurückgeschickt werden. Ebenso abgewiesen werden in der Regel Anträge, die von Menschen aus "sicheren Herkunftsstaaten" stammen. Welcher Staat als "sicher" gilt, wird auf Grundlage der Lageberichte des Auswärtigen Amtes entschieden. Der Asylantrag wird in einem solchen Fall per Schnellverfahren geprüft und abgelehnt, es sei denn, der Betroffene kann politische Verfolgung nachweisen.

Wer aus einem "sicheren Staat" per Flugzeug nach Deutschland einreist oder ohne Papiere aus dem Flieger steigt, verlässt in der Regel gar nicht erst den Transitbereich des Flughafens. Nach der Ablehnung des Asylantrages wird umgehend die Ausreise verfügt.

1993 wurde in Deutschland ferner im Ausländergesetz ein spezieller Rechtsstatus für Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlinge geschaffen. So sollte gewährleistet werden, dass diese Flüchtlingsgruppen ohne langwierige Verfahren vorübergehend aufgenommen werden und eine Arbeiterlaubnis erhalten. Allerdings wird nur derjenige als Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtling geduldet, der keinen Asylantrag stellt und erklärt, dass er in seiner Heimat nicht politisch verfolgt wird.

Daneben gibt es die große Gruppe von so genannten De-facto-Flüchtlingen. Diese Ausländer haben entweder keinen Asylantrag gestellt, ihr Asylantrag wurde abgelehnt, sie sind vor Folter, Todesstrafe oder anderen gravierenden Menschenrechtsverletzungen geflohen oder sie sind Staatenlose, die kein Land aufnehmen will. Diese Menschen sollen laut Ausländergesetz so lange nicht abgeschoben werden, wie ihnen im Herkunftsland Verfolgung droht. Im Jahr 2002 hielten sich 415.000 so genannte De-facto-Flüchtlinge in Deutschland auf.

Die Folge: Weniger Asylanträge, viele "Illegale"

Die genannten Änderungen hatten zur Folge, dass die Zahl der Asylanträge in Deutschland seit 1993 stetig zurückgeht. Stellten damals noch etwa 322.600 Menschen einen Antrag, so waren es 2002 nur noch rund 71.100. Wie kann man auch hierzulande eine Chance auf Asyl bekommen, wenn man über einen "sicheren Staat" oder ohne Papiere einreisen will? Viele Migranten versuchen deshalb, illegal nach Deutschland zu kommen und tauchen anschließend unter. Wie groß diese Gruppe ist, lässt sich naturgemäß nicht ermitteln. Mindestens 90.000 Menschen hielten sich 2002 illegal in Deutschland auf – dies ist laut Schätzung des aktuellen Migrationsberichts die "Untergrenze".

Änderungen nach dem 11. September 2001

Die Terroranschläge vom 11. September 2001 in den USA haben etliche und zum Teil höchst umstrittene Spuren im deutschen Rechtssystem hinterlassen, so auch im Bereich Zuwanderung und Asyl. So wird einem Ausländer laut der Ergänzung des Paragraphen 8 des Ausländergesetzes der Aufenthalt verweigert, wenn er "die freiheitlich demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik gefährdet". Wer falsche Angaben zu seiner Person macht, wird ebenfalls ausgewiesen. Zudem wurden fälschungssichere Aufenthaltsdokumente eingeführt. Sicherheitsbehörden und Geheimdienste haben Zugriff auf die im Visumverfahren erhobenen Daten.

Die Sicherheitsdebatte bestimmt zunehmend die Debatte über ein Zuwanderungsgesetz. Ohnehin soll das Gesetz ein breites Spektrum abdecken - die gezielte Zuwanderung ausländischer Arbeitnehmer ebenso wie den Schutz von Flüchtlingen. Aus Brüssel liegen jetzt erste Grundpfeiler vor, die auch im deutschen Recht Eingang finden müssen. Bundesinnenminister Otto Schily wird mit dem Asylkompromiss, den er und seine EU-Amtskollegen ausgehandelt haben, gut leben können. So hat zumindest die umstrittene Drittstaaten-Regelung Eingang in das europäische Recht gefunden - eine Regelung, die in Deutschland schon seit Jahren Anwendung findet.

Susanne Ofterdinger, tagesschau.de