Attac-Sprecher zu den Zielen des G8-Gegengipfels "Wir wollen nicht erschrecken, sondern überzeugen"
Beim "Alternativen Gipfel" in Rostock will das Netzwerk Attac zeigen, wie den Problemen Klimawandel oder Armut begegnet werden könnte. Denn viele Themen des G8-Gipfels in Heiligendamm seien "alte Hüte", meint Attac-Sprecher Peter Wahl.
tagesschau.de: Herr Wahl, eigentlich werden doch in Heiligendamm die Themen besprochen, die Sie bei Attac auch als vorrangig ansehen: Klima und Afrika.
Peter Wahl: Stimmt, aber die Tagesordnung von Heiligendamm sieht ja genau wegen unserer jahrelangen Proteste so aus. Wir freuen uns über diese Anpassung. Andererseits ist es aber so, dass die G8 den Herausforderungen gar nicht gerecht werden können.
tagesschau.de: Wie meinen Sie das?
Wahl: Es gibt für den G8-Gipfel von Heiligendamm keine substanziellen Vorschläge, wie die dringenden Probleme gelöst werden können. In der Klimafrage verhindert die US-Regierung alle Fortschritte, die in einer guten Erklärung münden könnten. Die Bush-Regierung weicht jeden Beschlussvorschlag so sehr auf, dass es sogar besser wäre, wenn es in Heiligendamm gar keine Erklärung zum Klima gibt.
tagesschau.de: Und das andere große Gipfelthema Afrika?
Wahl: Auch dort ist wenig Gutes zu erwarten. Viele der Themen, die auf der Agenda des Gipfels stehen, wie die Investitionsfreiheit in Afrika, sind jahrzehnte alte Hüte. Nicht einmal die Entwicklungshilfezusagen, die beim G8-Gipfel vor zwei Jahren in Gleneagles gemacht wurden, werden in Heiligendamm untermauert.
tagesschau.de: Was wollen Sie mit dem Rostocker Gegengipfel erreichen?
Wahl: Die Menschen sollen sehen, dass unsere Kritik zum einen berechtigt ist und wir zum anderen durchdachte Vorschläge haben, wie es alternativ gehen könnte.
tagesschau.de: Wie sehen beispielsweise Ihre Vorschläge bezüglich Afrikas aus?
Wahl: Die finanzielle Hilfe für Afrika sollte auf 50 Milliarden Dollar verdoppelt werden. Uns ist klar, dass das nicht aus den laufenden Haushalten der G8 zu bedienen ist. Wir fordern deshalb neue Finanzierungsmodelle. Zum Beispiel eine Devisentransaktionssteuer oder eine Steuer auf Flugtickets.
Deutsche Vorreiterrolle beim Klimaschutz
tagesschau.de: Und was soll beim Klimaschutz geschehen?
Wahl: Deutschland soll hier endlich eine Vorreiterrolle einnehmen. Wir brauchen wirksame Maßnahmen gegen den CO2-Ausstoß im Straßen- und Flugverkehr. Gerade der Flugverkehr ist einer der größten Klimakiller. Berlin soll sich deshalb auch bei der EU massiv dafür einsetzen, dass Kerosin endlich besteuert wird.
tagesschau.de: Das wäre doch so, als wenn sich ein Wettläufer Bleigewichte an die Beine hängt ...
Wahl: Mit der Metapher kann ich leben, es geht ja um einen Wettlauf in den Abgrund. Diejenigen, die jetzt am schnellsten sind, erreichen möglicherweise die Klippe als erstes.
tagesschau.de: Aber den Kapitalismus als Wirtschaftssystem können Sie doch auch nicht ersetzen, oder?
Wahl: Es geht uns darum, dem Turbokapitalismus - Helmut Schmidt sagt auch „Raubtierkapitalismus“ dazu - Zügel anzulegen. Das heißt aber nicht, dass wir heute oder morgen den Markt oder den Kapitalismus als System abschaffen wollten oder könnten. Es gibt keine gangbare Alternative dazu.
tagesschau.de: Im Vorfeld des Gipfels von Heiligendamm sind mutmaßlich oder tatsächlich gewalttätige Demonstranten ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt. Wie distanzieren Sie sich von denen?
Wahl: Unser Ziel bei Attac ist es von jeher nicht, Menschen zu erschrecken, sondern sie zu überzeugen. Das bedeutet: Wir sind für friedlichen Protest und gegen Gewalt.
Die Fragen stellte Christian Radler, tagesschau.de