Berliner Wohnungsmarkt So funktioniert der Mietendeckel
Deckel drauf - und gut? Das Berliner Abgeordnetenhaus hat den Mietendeckel beschlossen - ein massiver Eingriff ins Mietrecht. Was steht drin? Und wird er rechtlich Bestand haben?
Einen so starken Eingriff in den Mietmarkt gab es noch nie: Das Berliner Abgeordnetenhaus hat das "Gesetz zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mietenbegrenzung" beschlossen - kurz "Mietendeckel". Rund 1,5 Millionen Mietwohnungen in Berlin fallen darunter. Und die Beschlüsse haben es in sich:
Was ist geplant?
Laut Gesetz soll der rasante Anstieg der Mieten in Berlin gebremst und dem Mietmarkt sozusagen eine Atempause verschafft werden. Vorgesehen ist ein Mietenstopp: Das heißt, in bestehenden Mietverhältnissen wird die Miete für fünf Jahre "eingefroren" und zwar auf dem Stand der am Stichtag 18. Juni 2019 wirksam vereinbarten Miete. Und auch bei Neuvermietungen darf keine höhere Miete als die vom 18. Juni 2019 verlangt werden.
Außerdem soll bald eine Mietobergrenze bei "Wuchermieten" gelten. Unter Umständen können Berliner Mieter überteuerte Mieten also absenken lassen.
Ab wann soll der Mietenstopp gelten?
In einem ersten Schritt wird der Mietenstopp wirksam: Er soll gleich nach Inkrafttreten, also nach der Veröffentlichung des Gesetzes - vermutlich Mitte Februar - gelten. Wer in der Zwischenzeit eine Mieterhöhung erhalten hat, kann die Miete auf den Stand vom 18. Juni 2019 zurücksetzen lassen.
Das betrifft insbesondere Tausende Berliner, die kurz vor Beschluss des Eckpunktepapiers des Berliner Senats im Juni 2019 noch eine Mieterhöhung bekommen haben. Denn im Gesetz heißt es, dass:
(…) eine Miete verboten [ist], die die am 18. Juni 2019 (Stichtag) wirksam vereinbarte Miete überschreitet.
"Wer also einer Mieterhöhung erst nach dem 18. Juni zugestimmt hat, für den gilt nach Inkrafttreten des Gesetzes wieder die alte Miete", sagt Stefan Schetschorke, Leiter der Rechtsabteilung beim Berliner Mieterverein im Gespräch mit tagesschau.de. Er rät Mietern, die Wiederabsenkung der Miete beim Vermieter einzufordern. Notfalls indem man den Fall dem zuständigen Bezirksamt meldet.
Der Berliner Wohnungsverband BBU hat Vermietern allerdings bereits geraten, unaufgefordert tätig zu werden und die nach Gesetz nicht mehr zulässigen Mieten zu senken. Zumal die angedrohten Bußgelder von bis zu 500.000 Euro sofort fällig seien, auch wenn Einspruch eingelegt würde.
Wie funktioniert die Mietobergrenze?
In einem zweiten Schritt sollen neun Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes die neuen Mietobergrenzen gelten. In einer Mietentabelle sind je nach Alter und Ausstattung der Wohnung Obergrenzen für Mietpreise festgelegt. Diese liegen zwischen 3,92 Euro und 9,80 Euro.
Für einen Gründerzeitaltbau mit Sammelheizung und Bad liegt die Obergrenze beispielsweise bei 6,45 Euro nettokalt. Für eine moderne Wohnung, die zwischen 2003 und 2013 erstmals bezogen wurde, 9,80 Euro. Hinzu kommen Ab- beziehungsweise Zuschläge für die Wohnlage. Bei moderner Ausstattung wie Aufzug, Einbauküche oder hochwertige Sanitärausstattung erhöht sich der Wert um einen Euro pro Quadratmeter.
Allerdings kann ein Mieter nur dann die Absenkung seiner Miete verlangen, wenn die aktuelle Nettokaltmiete mindestens 20 Prozent über den festgelegten Mietobergrenzen liegt.
Die Mietobergrenze gilt außerdem bei Wiedervermietungen: Sollte die vorherige Miete höher gelegen haben, darf bei Neuvermietung maximal die Mietobergrenze verlangt werden.
Kurz vor dem möglichen Inkrafttreten des Mietendeckels, haben zahlreiche Berliner noch eine Mieterhöhung bekommen.
Was gilt bei Staffel- und Indexmieten?
Auch für Staffel- und Indexmieten gelten Mietenstopp und Mietobergrenze. Bei wem also zwischen dem Stichtag und Inkrafttreten des Gesetzes beispielsweise eine reguläre Mieterhöhung durch Staffelmiete erfolgte, kann - analog zu anderen Mieterhöhungen nach dem Stichtag - beim Vermieter einfordern, diese zu senken.
Gibt es Ausnahmen?
Der Mietendeckel soll für alle nicht preisgebundenen Mietwohnungen in Berlin gelten. Ausgenommen sind Neubauten, die nach 2014 zum ersten Mal bezogen wurden. Und auch für den sozialen Wohnungsbau gilt weiterhin ein Spezialrecht.
Generell gilt der Mietenstopp zwar für fünf Jahre, allerdings sind ab Januar 2022 jährlich leichte Mieterhöhungen um den Prozentsatz der seit dem Stichtag eingetretenen Inflation möglich. Allerdings um maximal 1,3 Prozent.
Eine Ausnahme gibt es außerdem bei sehr geringen Mieten von unter 5,02 Euro bei moderner Ausstattung: In diesem Fall darf bei Wiedervermietung die neue Miete um einen Euro höher liegen als die vorherige. Allerdings maximal 5,02 Euro.
Werden jetzt viele Eigentümer ihre Kredite nicht mehr zahlen können?
Eher nicht. Das Gesetz sieht eine Ausnahmeregelung für wirtschaftliche Härtefälle vor. Diese sollen auf Antrag von der Investitionsbank Berlin (IBB) geprüft und genehmigt werden. Die greift insbesondere, wenn die Instandhaltung der Immobilie gefährdet wäre. Außerdem sollen so kleine Vermieter geschützt werden, die womöglich die Abbezahlung ihres Kredits eng mit den zu erwartenden Mieteinnahmen kalkuliert haben. Immobilienkonzerne oder Großvermieter dürfte das kaum betreffen. Mieter sollen in diesem Fall einen Zuschuss beantragen können.
Welche Regelung gilt bei Modernisierungen?
Bestimmte Modernisierungen und deren Umlage auf die Miete sind grundsätzlich erlaubt, wenn sich die Miete nicht um mehr als einen Euro pro Quadratmeter erhöht. Allerdings müssen die Modernisierungen vom Vermieter bei der Investitionsbank Berlin angezeigt werden.
Kritik kommt von der Immobilienwirtschaft, die befürchtet, dass der Berliner Wohnungsbestand verfallen würde und Modernisierungen quasi nicht mehr stattfänden. Hier muss man allerdings differenzieren: Instandhaltungen wie ein kaputtes Dach oder eine defekte Heizung müssen Vermieter weiterhin gewährleisten. Richtig ist aber, dass die fürs Klima wichtigen energetischen Sanierungen wohl ins Stocken geraten dürften.
Warum ist die Regelung rechtlich umstritten?
Die Kompetenz für Mietrecht liegt eigentlich beim Bund und ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt. Kritiker zweifeln also an, dass das Land Berlin hier überhaupt eine Gesetzgebungskompetenz hat. Der Berliner Senat argumentiert, beim Mietendeckel handle es sich um eine Regelung des Öffentlichen Rechts, die mit dem Mietrecht nichts zu tun habe. Stattdessen falle das unter das "Recht des Wohnungswesens", das in der Kompetenz der Länder liege.
Ob diese Argumentation Bestand haben wird, ist unklar. Es gibt unterschiedliche Gutachten und Juristen, die das eine wie das andere für möglich halten. Sicher ist, dass gegen den Mietendeckel geklagt werden wird. Die Berliner FDP- und CDU-Fraktion haben bereits angekündigt, gemeinsam klagen zu wollen. Für eine Normenkontrollklage, mit der die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes überprüft wird, benötigen sie ein Viertel der Mitglieder des Abgeordnetenhauses, ein Quorum, das die beiden Parteien zusammen erreichen.
Wie lange die endgültige rechtliche Klärung dauern wird, ist nach Meinung von Juristen sehr schwer einzuschätzen. Stefan Schetschorke vom Berliner Mieterverein rechnet mit mindestens ein bis eineinhalb Jahren. Sollte der Mietendeckel tatsächlich gekippt werden, müssen Mieter sich auf rückwirkende Mietforderungen einstellen.