Die Meisterschale ist vor Spielbeginn auf einem Podest zu sehen.
Mittendrin

Leverkusen vor dem Meistertitel Wird heute der Traum wahr?

Stand: 13.04.2024 07:57 Uhr

Viele können es noch fast nicht glauben: Aus "Vizekusen" soll "Meisterkusen" werden. Ein jahrzehntelanger Traum könnte sich heute für Bayer Leverkusen erfüllen. Was das für Fans und Stadt bedeutet.

"Wir für unseren Traum" - stolz und voller Überzeugung prangen diese Worte auf der Brücke direkt neben dem Leverkusener Stadion. Auch wenn es viele immer noch nicht ganz glauben können, dass der Traum von der Deutschen Fußballmeisterschaft wirklich wahr werden kann.

Unter ihnen auch Julius Manderfeld und Marcel Kotlorz, beide Fans seit vielen Jahren. "Diese Saison ist es bei mir so, dass ich bei jedem Bundesliagspiel mega nervös bin, weil man auch merkt, um was es jetzt geht", sagt Manderfeld. Der 19-Jährige ist seit seiner Geburt Bayer-Fan. Vor jedem Spiel schwört er sich gemeinsam mit seinen Jungs auf das Spiel ein. Am Stadioneck, einer Fankneipe auf dem Weg zum Stadion.

#mittendrin: Bayer Leverkusen vor der Meisterschaft?

Jan Koch, WDR, tagesthemen, 12.04.2024 21:45 Uhr

Die zweite Familie

"Es fühlt sich an wie eine kleine Familie, wo man gerne jede zweite Woche hinkommt, und das ist bei uns seit circa 15 Jahren", erzählt Manderfeld. Die Eltern waren schon Fans von Bayer Leverkusen.

In Leverkusen geboren zu sein, heißt auch meist, Fan zu sein. Nicht immer, aber häufig. "Deshalb würde ich sagen, dass Bayer Leverkusen auch speziell ist für Leverkusen. Da jeder Bewohner eigentlich im Stadion gewesen ist und auch Fan dieser Mannschaft ist", meint Marcel Kotlorz.

Leverkusen liegt direkt am Rhein und für viele scheinbar unbedeutend zwischen Köln und Düsseldorf. In der Chemie- und Konzern-Stadt arbeiten viele Einwohner auch für die Bayer AG. Wobei das nicht mehr so ist wie früher - die Bayer AG steckt in der Krise. Ein Problem für die Stadt, über der jeden Abend das große Bayerkreuz hell leuchtet. Für viele Bewohner ist das Werk identitätsstiftend.

Meisterfeier trotz fehlendem Balkon?

Über 40 Jahre ist Bayer Leverkusen Teil der ersten Fußballliga - und da herrscht im Gegensatz zum Werk alles andere als Krisenstimmung. Die Flaggen sind gehisst und wehen in rot und schwarz mit dem Emblem der Werkself vor dem Rathaus.

Andere Vereine haben in ihren Städten häufig Meisterfeiern auf dem Balkon des Rathauses abgehalten - wie in München oder Dortmund. In Leverkusen hat das Gebäude keinen Balkon. Es ist noch nicht mal ein eigenes Gebäude, sondern Teil eines Einkaufszentrums. "Irgendwie wird das aber schon gehen", scherzt Julius Manderfeld. Er rechnet mit einer Feier im Stadion.

Höhen und Tiefen

Denn das liegt mitten im Herzen der Stadt, direkt an der Stelze, wie Leverkusener sagen. Neben der Stelzenbrücke, über die die A1 führt.

Manderfeld und Kotlortz spielen auch selbst Fußball. Sie trainieren jede Woche dreimal in der U19 des SV Schlebusch, eines Stadtteilvereins.

Ihr Trainer Roger Landwehr ist ebenfalls Fan von Bayer Leverkusen, seit mehr als 40 Jahren. Er weiß, durch welche Höhen aber vor allem Tiefen ein Bayer-Fan zu gehen hatte.

Nicht umsonst trägt Leverkusen den Spottnamen "Vizekusen". Bisher hat Leverkusen erst zwei Titel gewonnen: den UEFA-Pokal 1988 gegen Espanyol Barcelona und den DFB-Pokal 1993 gegen die Amateure von Hertha BSC Berlin.

Bittere verpasste Meisterchance

Doch häufiger wurde Bayer Leverkusen Zweiter. Vize eben. Allein in der Saison 2002 dreimal: Meisterschaft, DFB-Pokal und Champions League.

Für viele fast schon noch bitterer ist die verpasste Meisterchance 1999/2000. Ein Unentschieden am letzten Spieltag hätte gefehlt. Doch das wollte gegen Unterhaching damals einfach nicht gelingen, erinnert sich Roger Landwehr, der damals im Stadion war: "Klar wir sind mittags hin, voller Überzeugung, dass wir Meister werden. Doch dann verlieren wir 2:0. Und der Rückweg im Bus war dann einfach brutal. Unfassbar."

Mit gut 50 Fans fährt er nach dem Spiel zurück. Die Trauer war endlos: "Absolute Totenstille, so, dass du eine Stecknadel fallen hören kannst. Einfach krass, ich habe noch nie - und wir waren damals kernige Jungs - so viele Tränen gesehen."

Ende der Enttäuschungen

Dieses Jahr aber endlich, gut zwei Jahrzehnte später, sollen es nun Tränen der Freude sein: "Nach den jahrzehntelangen Enttäuschungen auf jeden Fall mal ein Stück Genugtuung, dass der Fußballgott es auch mal in die richtige Richtung gedreht hat irgendwo."

Die Fans fiebern auf das Spiel gegen Bremen hin. Sie können es fast nicht glauben, doch sind sich sicher, auch wenn sie sich nicht trauen, es auszusprechen.

Julius Manderfeld freut sich auf den Spieltag: "Ich kann es kaum erwarten. Wir werden am Sonntag schon um 12 Uhr am Stadion sein." Roger Landwehr ergänzt: "Und dann wird hier nach dem Spiel die Stadt abgerissen, davon kannst du ausgehen."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR24 am 13. April 2024 um 06:57 Uhr.