Zahl der Deponien geht zurück Wohin mit den Bauabfällen?
Deutschland hat immer weniger Mülldeponien für Bauabfälle. Die Anzahl hat sich in den vergangenen 20 Jahren halbiert. Die Menge an Abfall aber bleibt die gleiche. Was bedeutet das für unsere Entsorgungssicherheit?
20 Sekunden dauert es, bis die Ladefläche des 40-Tonners hochgefahren ist und der Fahrer die Klappe des Lkw öffnen kann. Dann spuckt er seine Ladung auf die Deponie: 25 Tonnen Asphalt.
Auf dem matschigen Boden entsteht ein meterhoher Berg mit Abfall, den keiner mehr gebrauchen kann. Denn der Asphalt ist teerverseucht, nicht mehr recyclebar.
Hunderte Millionen Tonnen mineralischer Abfall
Die Mülldeponie Kapiteltal bei Kaiserslautern liegt im Westen von Rheinland-Pfalz, in einem Tal, umgeben von Wald. Sie ist eine der größten Deponien Deutschlands und eine von wenigen hundert, die noch große Mengen von mineralischem Abfall annimmt.
Dieser Abfall macht mehr als die Hälfte des Mülls aus, den wir in Deutschland produzieren: Schlacken aus der Metallproduktion, Asche von der Verbrennung unseres Hausmülls, Bau- und Abbruchabfälle. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes fielen im Jahr 2022 deutschlandweit fast 220 Millionen Tonnen Bau- und Abbruchabfälle an.
Laufzeiten von Deponien laufen aus
Die Deponie in Kaiserslautern sieht aus wie eine Mondlandschaft, ohne Unterlass fahren Planierraupen über das gigantische Gelände, machen Abfälle platt und verbauen sie so, dass von ihnen keine Gefahr mehr für die Umwelt ausgehen soll.
Jan Günther ist Vorarbeiter und prüft, ob das, was auf der Deponie angeliefert wird, auch das ist, was vorher angemeldet wurde: "Die Abfallannahme funktioniert bei uns digital, ich habe hier die Daten zur Lieferung auf dem Tablet und prüfe den Abfall dann auf Farbe, Konsistenz und Geruch. Teerhaltigen Straßenaufbruch zum Beispiel kann man sehr leicht erkennen, der riecht meistens sehr intensiv."
Jan Günther ist Vorarbeiter in der Mülldeponie Kapiteltal.
Lange Transportwege für Entsorgung
Die Lkw, die auf der Deponie ankommen, haben meist mehrere hundert Kilometer Fahrweg hinter sich. Denn Deponien für mineralischen Abfall sind rar in Deutschland. In den vergangenen 20 Jahren hat sich ihre Anzahl halbiert, erklärt der Vorstand der Zentralen Abfallwirtschaft Kaiserslautern (ZAK), Jan Deubner: "Wir haben seit dem Jahr 2000 die Hälfte der Deponien verloren, weil Laufzeiten endeten und kein neuer Deponieraum geschaffen wurde. Die Menge der zu deponierenden Abfälle ist aber die gleiche geblieben, also ist das ein stetiger Verbrauch von Entsorgungsressourcen und wir müssen schauen, dass wir uns für die Zukunft neue Ressourcen schaffen."
Bauwirtschaft schlägt Alarm
Die Baubranche fürchtet einen drohenden Entsorgungsnotstand. Gerade in Bundesländern mit hoher Bautätigkeit und begrenzten Deponiekapazitäten sei die Lage eng, etwa in Bayern und Hessen, sagt Andreas Pocha, Geschäftsführer des Deutschen Abbruchverbands (DA).
Auch der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (ZDB) nennt die Lage in Bayern "besonders angespannt". Die Folge sind weitere Transportwege. Und die machen die Abfallentsorgung teurer. Die steigenden Kosten müssen die Bauherren tragen.
Bis zu 600 Lkw pro Tag
Auf die Deponie Kapiteltal kommt niemand, ohne vorher angemeldet zu sein. Mitarbeiterin Heike Messing hat den Überblick über die Anlieferungen des Tages, sie nimmt die Papiere der Lkw-Fahrer entgegen und trägt die Daten ins System ein. "Hier kommen so zwischen 300 und 600 Lkw pro Tag an, die stehen hier oft in langen Schlangen vor der Einfahrt", beschreibt sie, während sie die Unterlagen eines Fahrers durchsieht. Heute kommen viele Lkw aus dem benachbarten Hessen und Baden-Württemberg.
Die Fahrer haben mehrere hundert Kilometer hinter sich und wenig Zeit - anmelden, ausladen, weiterfahren. Der Leiter der Deponie, Jan Deubig, sieht die weiten Transportwege kritisch: "Mit Blick auf die Kosten, mit Blick auf die Belastung unserer Verkehrsinfrastruktur und natürlich auch mit Blick auf die Umweltauswirkungen ist das nicht optimal."
Zu wenig Deponien? Leiter Deubig sieht die Kommunen in der Pflicht.
Rechtzeitig um Nachfolgedeponien kümmern
Deubig sagt, es gebe nicht nur zu wenige Deponien in Deutschland, sondern sie seien auch ungleich verteilt. Es sei zwingend notwendig, dass sich Kommunen in ganz Deutschland rechtzeitig um Nachfolgedeponien kümmern, vor allem, weil die Planung und Standortsuche viele Jahre dauere: "Das hat immer einen Vorlauf von zehn bis 15 Jahren. Und wenn wir heute wissen, dass mehr als die Hälfte unserer Deponien weniger als zehn Jahre Restlaufzeit hat, dann müssen wir uns dringend daran machen."
Diese Aufgabe könnten nur Kommunen übernehmen, meint Deubig, er sieht sie hier in der Pflicht, da der Betrieb von Deponien für die Privatwirtschaft nicht stemmbar sei: "Sie müssen bedenken, dass eine Deponie noch über Jahrzehnte Nachsorge braucht."
Kaiserslautern hat Deponie auf der Deponie
Auf der Deponie Kapiteltal in Kaiserslautern ist deutlich sichtbar, was Nachsorge konkret bedeutet. Denn unter der Deponie für mineralischen Abfall liegen sechs Millionen Kubikmeter Altmüll. Hausmüll, der seit den 1970er- bis Ende der 2000er-Jahre auf der von den Bürgern Kaiserslauterns sogenannten "Kipp" eingelagert wurde. Was aussieht wie eine riesengroße grüne Wiese, ist ein Sarkophag, unter dem, geschützt durch eine Spezialabdeckung, der gemischte Abfall noch klimaschädliches Gas absondert. Das muss regelmäßig abgesaugt werden. Angelegt ist dieser Sarkophag auf 100 Jahre.
Und auch der mineralische Müll oben drüber wird hier so verbaut, dass von ihm keine Gefahr mehr für die Umwelt ausgehen kann. Was am Ende an diesem Ort bleiben wird, ist ein mindestens 80 Meter hoher Abfallberg.