Zwei Menschen stehen in einer Kiesgrube in Schleswig-Holstein.
Mittendrin

Bedenken gegen Bauschutt "Wir wollen nicht die Deponiestadt Eckernförde sein"

Stand: 13.03.2024 11:30 Uhr

Inmitten von Natur- und Landschaftsschutzgebieten und einer beliebten Tourismusregion soll eine Bauschutt-Deponie entstehen. In Eckernförde und den Nachbargemeinden regt sich Protest dagegen.

Von Anke Rösler, NDR

Je näher man Eckernförde kommt, desto mehr Holzkreuze tauchen in den Vorgärten und an der Straße auf. Aufschrift: "Deponie stoppen". Die Gemüter sind erregt seit bekannt ist, dass der private Betreiber einer Kiesgrube eine Deponie für Bauschutt plant.

Die Anwohner der Gemeinden Kosel und Gammelby, auf deren Gebiet die Deponie entstehen soll, sind besorgt. "Eigentlich wird ja heute alles recycelt und was übrigbleibt, ist nicht einfach Sand, sondern hat meist auch toxische Nebenwirkungen. Und wir haben hier schöne Gewässer, in denen wir schwimmen und planschen. Ich habe keine Lust, dass das alles kaputt geht", sagt eine Frau aus Kosel bei einer Infoveranstaltung in Eckernförde.

Eckhard Voss vom Wirtschaftskreis Eckernförde befürchtet, dass die Stadt bald ein seiner Meinung nach unschönes Attribut bekommen könnte: "Wir brauchen Menschen, die Lust haben, hier zu arbeiten und eine Familie gründen wollen und intakte Natur. Wir wollen nicht die Deponiestadt Eckernförde sein."

Mehr als dreitausend Menschen haben sich im Dezember an den Petitionsausschuss des Landtages gewandt, um das Vorhaben zu stoppen.

#mittendrin: Streit über mögliche Bauschuttdeponie in Windeby

Anke Rösler, NDR, tagesthemen, 12.03.2024 22:15 Uhr

Kiesgrube soll Deponie werden

Der Fall ist komplex: Der Betreiber der Kiesgrube will diese zur Deponie für Bauschutt umrüsten. Die Gegner befürchten Imageschäden für die Tourismusregion, Lärm und Schmutz durch LKW-Transporte. Ihre größte Sorge aber ist, dass Schadstoffe ins Grundwasser gelangen könnten.

Das Problem: Die Deponie würde mitten zwischen Natur- und Landschaftsschutzgebieten liegen, inmitten sensibler Natur. Der angrenzende Bültsee ist Teil einer Seenkette zwischen Eckernförde und der Schlei, einem Meeresarm der Ostsee; und alle sind durch das Grundwasser miteinander verbunden.

Allein der Bültsee ist einer von nur noch drei Seen mit einer Vielzahl äußerst seltener Pflanzenarten: der Strandling oder das Wechselblütige Tausendblatt stehen auf der Rote Liste 1 in Schleswig-Holstein.

Naturschützer wie der Biologe Gerd Kämmer hoffen für die seltenen Arten, sich auch in der renaturierten Kiesgrube anzusiedeln. "Das wäre eine einmalige Chance für den Naturschutz", sagt er.

In einer solchen Umgebung den Bauschutt nur knapp zwei Meter über dem Grundwasser zu lagern, sei maximal ungünstig - auch weil im Falle eines Lecks tausende Haushalte betroffen wären, so die Koseler Gemeindevertreterin Christiane Knabe. Die Grünen-Politikerin ist Mitglied der kommunalen Arbeitsgruppe Deponie.

"Wir werden alle gesetzlichen Vorgaben erfüllen"

Der Betreiber der Kiesgrube, die Glindemann-Gruppe, verweist darauf, dass in Schleswig-Holstein noch nie verunreinigtes Wasser einer Deponie ins Grundwasser gesickert sei. "Wir werden alle gesetzlichen Vorgaben erfüllen", sagt der Sprecher der Gruppe bei einem Ortstermin in der Kiesgrube.

Noch hat er keinen Antrag für das Planfeststellungsverfahren gestellt. Er wartet nach eigenen Aussagen noch auf das Ergebnis der "Deponiebedarfsstudie". Diese hat das Land in Auftrag gegeben, um zu ermitteln, welchen Bedarf es an Deponien in Schleswig-Holstein gibt. Diesen bezweifeln die Deponie-Gegner.

Studienergebnis im Frühjahr erwartet

Schleswig-Holsteins Umweltminister Tobias Goldschmidt geht davon aus, dass der Bedarf besteht. "Das ist traurig, weil wir ja eine Kreislaufwirtschaft sein wollen. Das sind wir aber nicht", so der Grünen-Politiker. "Wir bauen, wir reißen ab. Dabei entstehen Abfälle. Die müssen irgendwo hin."

Ob der Standort einer Deponie bei Kosel überhaupt in Frage kommt, sei Gegenstand eines Genehmigungsverfahrens, sagt er. "In der Tat ist gerade der Standort in Kosel wegen der vielen Umweltbelange nicht ideal und zu prüfen." Im Frühjahr soll das Ergebnis der Studie vorliegen.

Noch ist nichts entschieden

Knackpunkt ist die Standortsuche. Nach der geltenden Rechtslage kommen nur Areale in Betracht, die die Entsorgungsfirma selbst empfiehlt. In diesem Fall wäre die einzige Alternative ein Gebiet in der Nähe von Langwedel gewesen, das ebenfalls als biologisch sensibel gilt.

"Dass eine Deponieplanung auf Grund wirtschaftlicher Interessen eines Einzelnen gestartet wird und möglicherweise einen Schaden für uns alle bringt", sieht Christiane Knabe als Hauptproblem.

Auch wenn noch nichts entschieden ist, der Protest gegen die Pläne für eine Bauschuttdeponie wächst. Ob bei Infoveranstaltungen, durch Plakate, Resolutionen oder eben Holzkreuze im eigenen Vorgarten: Die Menschen in der Region zeigen ihren Unwillen deutlich.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichteten die tagesthemen am 12. März 2024 um 22:15 Uhr.