Eine Polizistin und ein Polizist patrouillieren nach einem mutmaßlichen Anschlagsversuch um das Israelische Generalkonsulat in München.
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München Was über den vereitelten Anschlag bekannt ist

Stand: 06.09.2024 09:12 Uhr

Einen Tag nach dem Anschlagsversuch in München deuten immer mehr Hinweise auf eine islamistische Gesinnung des Täters. Was inzwischen über die Tat bekannt ist und wie die Politik reagiert - ein Überblick.

Was ist passiert?

Am Donnerstagvormittag gegen neun Uhr fiel Polizisten im Münchner Viertel Maxvorstadt ein junger Mann auf. Ein Handyvideo, das kurz nach der Tat im Internet auftauchte, zeigt, dass er mit einer Repetierbüchse mit aufgesetztem Bajonett bewaffnet war - einer Waffe wie man sie im Ersten Weltkrieg verwendet hat.

Der Mann soll gezielt auf die Polizisten geschossen haben, wie Bayerns Innenminister Joachim Herrmann nach der Tat mitteilte. Die Polizeikräfte erwiderten das Feuer, insgesamt seien fünf Polizisten an dem Schusswechsel beteiligt gewesen. Der Verdächtige wurde dabei getroffen und schwer verletzt. Er starb noch vor Ort infolge seiner Verletzungen. Abgesehen von dem Schützen wurde laut Polizei niemand verletzt.

Innerhalb kürzester Zeit waren etwa 500 Polizistinnen und Polizisten im Einsatz, um die Münchner Innenstadt abzusichern. Nach wie vor sind Bereiche rund um den Tatort für die Spurensicherung der Polizei abgesperrt. Die Straßen seien von den Sperrungen aber nicht betroffen, teilte die Polizei am Freitagmorgen mit.

Holger Schmidt, SWR, zur Sicherheitslage und weiteren Entwicklungen nach mutmaßlichem Anschlag in München

tagesschau24, 06.09.2024 09:00 Uhr

Warum gehen Behörden von einem versuchten Anschlag aus?

Zum einen ist die Lage des Tatorts brisant. In der Nähe liegen das NS-Dokumentationszentrum, das israelische Generalkonsulat und das Amerika-Haus.

Zum anderen fiel auf den Donnerstag der 52. Jahrestag des Attentats auf die israelische Mannschaft bei den Olympischen Spielen in München. Bei dem Terroranschlag hatten am 5. September 1972 palästinensische Terroristen im Olympischen Dorf zwei Männer erschossen und neun Geiseln genommen. Rund 18 Stunden später endete ein Befreiungsversuch mit dem Tod der neun israelischen Geiseln, eines Polizisten und von fünf der Attentäter.

Aufgrund dieser Umstände und infolge erster Informationen zu dem Täter hat die Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus federführend die Ermittlungen zu dem mutmaßlichen Anschlagsversuch übernommen.

Was ist über den Täter bekannt?

Bei dem Täter soll es sich um den Österreicher Emra I. handeln, geboren 2006 in Österreich, zuletzt wohnhaft in Neumarkt im Salzburger Land. Nach dem mutmaßlichen Anschlagsversuch wurde sein Wohnort durchsucht. Zahlreiche Beamte rückten nach Neumarkt am Wallersee aus, um Beweise und Spuren zu sichern.

Nach Recherchen von WDRNDR, Süddeutsche Zeitung und dem österreichischen Nachrichtenmagazin Profil soll Emra I. aus einer bosnischstämmigen Familie stammen und im vergangenen Jahr den österreichischen Behörden wegen möglicher islamistischer Radikalisierung aufgefallen sein. Der 18-Jährige war demnach 2023 wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung angezeigt und Ermittlungen durchgeführt worden.

Laut der österreichischen Nachrichtenagentur APA soll es sich bei Emra I. jedoch nicht um einen sogenannten Hochrisiko-Gefährder gehandelt haben. Auf seinem Handy seien aber Daten und ein Computerspiel sichergestellt worden, die eine Nähe zu islamistisch-terroristischem Gedankengut bezeugten. Gegen ihn bestand auch der Verdacht, Propaganda für ein terroristisches islamistisches Bündnis in Syrien (HST) zu verbreiten.

Die Staatsanwaltschaft Salzburg habe die Ermittlungen im April 2023 eingestellt, hieß es von der Polizei in Salzburg. Der Grund wurde nicht genannt. "Seither ist der 18-Jährige nicht mehr polizeilich in Erscheinung getreten", hieß es.

Den Sicherheitsbehörden in Deutschland war er nach Informationen von WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung bislang nicht als radikaler Islamist bekannt.

Wie reagiert die Politik?

Parteiübergreifend verurteilten Politikerinnen und Politiker den mutmaßlichen Attentatsversuch und riefen zum Schutz von israelischen Einrichtungen und einem harten Kampf gegen Islamismus auf.

Bundeskanzler Olaf Scholz betonte, "Antisemitismus und Islamismus" hätten in der Gesellschaft keinen Platz. Ähnlich äußerte sich auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock.

Israels Staatspräsident Izchak Herzog sprach von einem "Terroranschlag" und dankte den Einsatzkräften der Polizei für ihr schnelles Eingreifen.

Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, warnte, dass sich das "Unsicherheitsgefühl nicht nur in der jüdischen Gemeinschaft" nochmals zu verfestigen drohe. Darum müsse der "gewalttätige Extremismus wieder aus dem öffentlichen Raum zurückgedrängt werden, alles andere wäre das Ende unserer offenen Gesellschaft".

Peter Neumann, Terrorismusforscher am Kings College in London, kritisierte die fehlenden Kooperationsmöglichkeiten europäischer Behörden, um rechtzeitig auf mögliche Risiken reagieren zu können. Konkret bemängelte Neumann beim Kurznachrichtendienst X, dass es nach wie vor keine europäische Gefährderdatei gebe, auf die Polizeibehörden aller europäischen Staaten zugreifen könnten. "Wer Grenzen öffnet und einen gemeinsamen Bewegungsraum schafft (d.h. Schengen), der muss auch dafür sorgen, dass Sicherheitsbehörden reibungslos miteinander zusammenarbeiten", forderte Neumann.