Soldaten bei einer Übung der "Very High Readiness Joint Task Force"
interview

Krieg gegen Ukraine "Fähig und bereit, NATO-Gebiet zu verteidigen"

Stand: 26.01.2023 19:03 Uhr

Oberstes Ziel der NATO sei, einen Angriff Russlands auf das Bündnisgebiet zu verhindern, sagt Generalleutnant Sollfrank. Dazu müsse Abschreckung erfolgen, erklärt der NATO-Kommandant im Interview mit tagesschau.de.

tagesschau.de: Wie steht es um den Zusammenhalt im NATO-Bündnis - fast ein Jahr nach Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine?

Alexander Sollfrank: Aus Sicht der NATO, und ich bin ja als NATO-Kommandant in Ulm eingesetzt, hat das Bündnis seit dem 24. Februar 2022 sehr geschlossen und sehr schnell reagiert. Gerade diese Geschlossenheit ist sehr wichtig. 32 Nationen, wenn Schweden und Finnland dann in die NATO aufgenommen werden, stehen Schulter an Schulter, Seite an Seite und haben sehr überlegt und konzentriert alle Maßnahmen eingeleitet und durchgeführt.

Alexander Sollfrank
Zur Person
Generalleutnant Alexander Sollfrank leitet das Multinationale Kommando Operative Führung in Ulm. Dort, in der Wilhelmsburgkaserne, werden im Auftrag der Vereinten Nationen, der NATO und der EU weltweite Krisenmanagementeinsätze geplant, wie etwa die Verlegung und Versorgung der Truppen im Bündnisgebiet. 

tagesschau.de: Welche Maßnahmen genau wurden getroffen, um auf den russischen Angriffskrieg zu reagieren?

Sollfrank: Sehr schnell wurden rund 40.000 Soldaten unter das Oberkommando des oberstrategischen Befehlshabers gestellt, das sind rund 130 Flugzeuge, rund 140 Schiffe unter seinem Kommando.

Und damit hat - und das ist ein wesentliches Signal, das ausgesendet wurde - Russland die Botschaft erhalten, diesen Krieg nicht über die Ukraine hinaus auf NATO-Territorium auszuweiten. Ich denke, das war ein sehr klares Signal der Geschlossenheit und auf dieser Grundlage wird nun weiter aufgebaut.

tagesschau.de: Ihr Ziel ist also Abschreckung?

Sollfrank: Unser Auftrag ist es, alles zu tun, dass ein Ausbreiten des Konfliktes, also ganz konkret ein Angriff Russlands auf NATO-Bündnisgebiet, nicht stattfindet. Und dazu muss Abschreckung erfolgen und Abschreckung besteht aus der Fähigkeit, sich zu verteidigen, aber auch aus der Bereitschaft, sich zu verteidigen.

Und diese beiden Komponenten sind Teil einer Glaubwürdigkeit, wie wir sie nach Osten senden müssen: Dass wir bereit, aber auch fähig sind, unser Bündnisgebiet zu verteidigen. Das tun wir momentan mit unseren Überlegungen und dazu passt die NATO gerade ihre konkreten Planungen noch weiter an. Es werden weitere Kräfte, größere Kräfte vorgesehen, sodass es möglichst eben nicht zu einem russischen Versuch kommt.

tagesschau.de: Was kann man sich unter den konkreten Verteidigungsplänen vorstellen?

Sollfrank: Um eine Verteidigung glaubwürdig planen zu können, müssen die Fähigkeiten der unterschiedlichen Truppenteile, Seestreitkräfte, Luftstreitkräfte, Landstreitkräfte, in einer koordinierten Form ausgeplant werden. Das erfolgt in diesen Verteidigungsplanungen. Das gesamte Bündnisgebiet wird hier betrachtet und es wird sich überlegt, je nach regionaler Lage, wie man dort mit Kräften so zum Einsatz kommen kann, dass eine Abschreckung erfolgreich erfolgen kann.

tagesschau.de: Wie gehen sie bei der Planung weltweiter Kriseneinsätze vor?

Sollfrank: Wir haben hier eine Operationszentrale, wie so ein Herzstück, wo die Informationen zusammenlaufen. Wir haben den gesamten Raum, von der Ostküste der USA bis in den Osten, vom Norden, dem Nordkap, bis zum Mittelmeer vor Augen. Und in diesem Raum werden dann die entsprechenden Truppenbewegungen koordiniert und abgesprochen.

tagesschau.de: Hat sich dieser Auftrag seit Beginn des Kriegs verändert?

Sollfrank: Nein. Der Auftrag ist derselbe. Wir machen das, was wir tun sollen. Wir lernen natürlich jeden Tag dazu und es kommt auch immer wieder zu unvorhergesehenen Situationen, das ist völlig normal. Aber wir entwickeln uns auf diese Weise fort und ich kann nur feststellen, dass wir sehr solide in unserer Aufgabe stehen.

tagesschau.de: Bald werden "Leopard"-Panzer an die Ukraine geliefert, aber andere Waffensysteme wurden ja bereits bereitgestellt. Wir ist deren Wirksamkeit einzuschätzen? 

Sollfrank: So weit ich weiß, ist die Wirksamkeit ausgesprochen gut. Wenn ich die "Gepard"-Panzer betrachte, eine weitere Lieferung ist ja vorgesehen, wenn ich das richtig verfolge, Panzerhaubitze 2000, Iris-T-Systeme … also Deutschland hilft, Deutschland hilft gut, und sehr wirksam. Das wird gut angenommen und gern gesehen.

Das Interview führten Jenni Rieger und Peter Schmid, SWR

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 26. Januar 2023 um 13:11 Uhr.