Gegen Hass im Netz Recht auf Löschen und auf Widerspruch
Im Kampf gegen Hass im Netz will Justizministerin Lambrecht Nutzern mehr Rechte einräumen. Das Update zum Netzwerkdurchsetzungsgesetz bewertet Netz-Experte Buermeyer im tagesschau.de-Interview positiv - mit Einschränkungen.
tagesschau.de: Ein neuer Entwurf des Justizministeriums will das umstrittene Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) ändern. Was soll dieses Gesetz bringen?
Ulf Buermeyer: Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz verfolgt ja das Ziel, illegale Inhalte aus dem Internet zu entfernen. Und zwar, indem Betreiber von Internetplattformen diese nach Nutzerbeschwerden möglichst schnell löschen. Dazu gibt es sehr kurze Löschfristen. Dieser Grundansatz des Gesetzes bleibt erhalten, er wird aber in vielfältiger Hinsicht verbessert. Insbesondere werden Netzwerke wie Facebook und Twitter verpflichtet, eine Beschwerdeinstanz zu schaffen. Das heißt, wenn ein Netzwerk einen beanstandeten Inhalt gelöscht hat, dann kann sich derjenige, der diesen Inhalt ins Netz gestellt hat, beim Netzwerk beschweren und verlangen, dass der Inhalt wieder online gestellt wird.
Und auch andersherum: Jemand, der einen Inhalt beanstandet hat, der daraufhin nicht gelöscht wurde, wird in Zukunft die Möglichkeit haben, Widerspruch einzulegen. Das Gesetz bezeichnet das als Gegenvorstellung. Und damit greift das Justizministerium einen zentralen Kritikpunkt am NetzDG auf: Dass nämlich die Netzwerke zwar gezwungen werden, schnell zu löschen, aber bislang nicht gezwungen waren, auf solche Kritik an ihren Entscheidungen einzugehen.
"Direkte Korrekturen durch Bundesamt möglich"
tagesschau.de: Wo sehen Sie weitere Verbesserungen?
Buermeyer: Das Justizministerium hat auf breiter Front Kritik und Anregungen zum NetzDG aufgenommen. Das Bundesamt für Justiz, das beim NetzDG die Aufsicht führt, soll in Zukunft die Möglichkeit bekommen, Defizite bei der Umsetzung des Gesetzes auch direkt durch Anordnungen zu beheben. Bislang konnten nur Bußgelder verhängt werden.
Eine weitere Verbesserung betrifft auf den ersten Blick ein Detail, allerdings eines, das für die juristische Praxis sehr bedeutsam ist. Es geht um die Frage der Zustellungsadressen von Sozialen Netzwerken. Die sind in Paragraf fünf des NetzDG geregelt: Bislang haben einige Netzwerke zwar Zustellungsbevollmächtigte in Deutschland benannt, was sehr wichtig ist für die Erreichbarkeit von Netzwerken für die deutschen Gerichte und Behörden. Die Netzwerke haben sich dann aber darauf berufen, dass diese Zustellungsbevollmächtigten nur einen sehr schmalen Aufgabenbereich hätten und deswegen Zustellungen zu anderen Themen schlicht nicht entgegengenommen.
Das Justizministerium stellt jetzt klar, dass die Zustellungsbevollmächtigten bei allen relevanten Fragen rund um rechtswidrige Inhalte auf Plattformen zuständig sind - insbesondere auch, wenn jemand einen gelöschten Inhalt wieder freischalten lassen möchte. Das ist ein sehr wichtiger Schritt, um Plattformen künftig in gerichtlichen Verfahren auch zu erreichen.
tagesschau.de: Was kritisieren Sie an dem Entwurf?
Buermeyer: Nach wie vor liegt der Schwerpunkt stark auf dem Löschen von Inhalten. Das ist zwar wichtig, es lässt aber Menschen, die systematisch im Internet rechtswidrige Inhalte posten, die Möglichkeit, Inhalte immer wieder neu einzustellen.
Deswegen hätte ich mir gewünscht, dass der Gesetzgeber auch den Vorschlag aufgenommen hätte, gerichtliche Sperrungen von Accounts einzuführen - zeitweilig oder auch dauerhaft. Denn ein zentrales Problem des NetzDG ist, dass die Plattformen selbst die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit von Inhalten treffen. Da ist zunächst mal keine unabhängige juristische Prüfung vorgesehen.
Das Interview führte Sandra Stalinski, tagesschau.de
Anm. d. Red.: In einer vorherigen Version des Interviews wurde irrtümlich davon ausgegangen, dass der hier diskutierte Entwurf zur Änderung des NetzDG einen Gesetzesentwurf des gleichen Ministeriums zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität ersetzt. Tatsächlich betreffen beide Entwürfe zwar Änderungen am NetzDG, beide werden jedoch unabhängig voneinander weiterverfolgt. Wir bitten diesen Fehler zu entschuldigen.