Interview mit Ulrich Deppendorf "Es wird eine Lösung für Quelle geben"
Verwirrung um Quelle: Bayerns Ministerpräsident Seehofer wirbt für Staatshilfen, Wirtschaftsminister zu Guttenberg hält dagegen. Dennoch wird es eine Lösung geben, schätzt der Leiter des ARD-Hauptstadtstudios, Deppendorf. Seehofer werde Quelle nicht in Konkurs gehen lassen.
tageschau.de: Herr Deppendorf, der Fall Quelle stiftet große Verwirrung: Der bayerische Finanzminister Georg Fahrenschon verkündet, das Versandhaus könne weiterarbeiten. Der Bürgschaftsausschuss von Bund und Ländern habe sich geeinigt. Die Bundesregierung widerspricht. Was stimmt denn nun?
Ulrich Deppendorf: Ich glaube, da ist noch nichts entschieden. Es gibt einen ordnungspolitischen Konflikt zwischen dem Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg und seinem Parteichef, dem bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer. Der versucht, wie immer wieder in den vergangenen Wochen, die populistische Schiene zu fahren und mal wieder einen Betrieb retten zu wollen.
"Seehofer reizt wieder"
tagesschau.de: Was lässt Sie das glauben?
Deppendorf: Bei Quelle geht es um eine Bürgschaft von 50 Millionen Euro. Die könnte Seehofer notfalls auch aus dem bayerischen Staatshaushalt nehmen. Das tut er aber nicht. Er reizt wieder. Bayerns Finanzminister Fahrenschon hingegen ist der Diener seines Herren und muss in dasselbe Horn stoßen wie sein Chef. Fahrenschon ist derzeit ein exzellenter Mann in einer unglücklichen Rolle.
Warum kann der Staat mitunter eher einen Kredit als eine Bürgschaft geben? Mit einer Bürgschaft würde der Staat einem Lieferanten oder Kreditgeber von Quelle zusagen, offene Rechnungen zu bezahlen, wenn das Versandhaus selbst kein Geld mehr haben sollte. Weil der Staat aber nur eventuell einspringen müsste, würde die Bürgschaft im Haushalt noch nicht als Ausgabe verbucht. Es handelt sich um eine "Eventual-Verbindlichkeit". Wenn dagegen schon von vornherein klar wäre, dass der Staat zahlen muss, wäre eine Bürgschaft Etikettenschwindel. Dann müsste die Regierung das Geld aus einem anderen Topf holen - zum Beispiel als Kredit einer Staatsbank.
tagesschau.de: Wird Quelle gerettet werden?
Deppendorf: Ja. Es wird eine Lösung für Quelle geben. Wenn nicht aus Berlin, dann vielleicht aus Bayern. Seehofer wird Quelle nach all seinem Engagement nicht in den Konkurs gehen lassen.
"Zu Guttenberg ist wichtig für Seehofer"
tagesschau.de: Zu Guttenberg und Seehofer liegen auch in einer anderen Frage über Kreuz: In ihrem gemeinsamen Wahlprogramm, das am Sonntag beschlossen werden soll, kündigen CDU und CSU Steuersenkungen an. Nun fordert Seehofer, einen konkreten Termin für diese Senkungen ins Programm zu schreiben. Das lehnt nicht nur die CDU ab, sondern auch CSU-Mann zu Guttenberg.
Deppendorf: Zu Guttenberg hat einen durchgängigeren ordnungspolitischen Ansatz, und den ficht er aus. Seehofer lässt ihn aber auch gewähren, weil Guttenberg wichtig für ihn ist. Einmal für das Wählerpotenzial der Union: Mit zu Guttenberg ist nun endlich jemand Bundeswirtschaftsminister, der die Wirtschaft hoch hält.
Zweitens kommt Seehofer zugute, dass er hier in Berlin den Vertreter der reinen Lehre hat, er selbst in Bayern aber gleichzeitig auf Populismus setzen kann. Das versuchen er und Guttenberg jetzt aufeinander abzustimmen. Diese Strategie hat bei der Europawahl gut funktioniert. Ob das auch bei der Bundestagswahl so sein wird, bleibt abzuwarten. Das kann auch schiefgehen.
tagesschau.de: Sie sagen "abgestimmt". Spielen Seehofer und zu Guttenberg das Spiel "good guy, bad guy"?
Deppendorf: Ob sie sich aufgeteilt haben, weiß ich nicht. Ausschließen will ich das nicht. Aber zumindest bei zu Guttenberg steckt auch eine Überzeugung dahinter: den ordnungspolitischen Kurs zu fahren.
Das Gespräch führte Nicole Diekmann, tagesschau.de.