Ermittlungen gegen Neonazi-Netzwerk Mutmaßlicher Video-Macher in U-Haft
Über das Netzwerk der Rechtsterroristen wird immer mehr bekannt: Beamte der GSG 9 haben einen weiteren mutmaßlichen Unterstützer festgenommmen, der nun in U-Haft sitzt. Er soll den Propagandafilm des NSU produziert haben. Für die Opfer der Neonazis soll es im Februar eine offizielle Trauerfeier geben.
Ein weiterer mutmaßlicher Helfer der Neonazi-Terroristen ist gefasst. Das Polizei-Spezialkommando GSG 9 nahm den 32 Jahre alten Andre E. in Brandenburg fest. Die Bundesanwaltschaft wirft ihm unter anderem vor, das Propagandavideo für die terroristische Vereinigung Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) produziert zu haben. Er soll bereits seit 2003 in engem Kontakt mit dem Neonazi-Trio gestanden haben. Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs (BGH) nahm Andre E. in Untersuchungshaft.
Mit dem Mann ist ein drittes mutmaßliches Mitglied des Neonazi-Netzwerkes inhaftiert - neben der Hauptverdächtigen Beate Z. und Holger G.. Die Festnahme eines weiteren Mannes ist wahrscheinlich. Generalbundesanwaltes Harald Range hatte bereits in der vergangenen Woche erklärt, es gebe zwei weitere Beschuldigte.
Rechtsextremes Brüderpaar
Die Spezialeinheit schlug im Landkreis Potsdam-Mittelmark zu, wo Andre E. bei seinem Zwillingsbruder Maik untergeschlüpft war. Dieser ist als Neonazi bekannt und wird unter anderem als Stützpunktleiter der Jungen Nationaldemokraten, der Jugendorganisation der NPD, in Potsdam vom Verfassungsschutz beobachtet. Zudem unterhielt Maik E. gute Kontakte zu Neonazi-Strukturen in Südbrandenburg, Sachsen-Anhalt und Sachsen. Nach Informationen von tagesschau.de war er beispielsweise für ein Flugblatt der "Bewegung Neues Deutschland" verantwortlich, die Adressen in Leipzig und Brandenburg angab. Auch beim "Schutzbund Deutschland" soll er aktiv gewesen sein.
Die Zwillingsbrüder stammen aus dem sächsischen Johanngeorgenstadt. Die Sicherheitskräfte durchsuchten auch die Wohnung von Andre E. in Zwickau sowie drei Wohnungen in Dresden und Jena. "Eine davon gehört zu einem der Beschuldigten", gab die Bundesanwaltschaft bekannt. In Jena war nach Angaben eines NPD-Sprechers die Wohnung eines früheren Vorstandsmitgliedes der Partei Ziel der Fahnder. Ob es sich dabei um Ralf W. handelt, der bereits seit Tagen als möglicher Helfer der Terroristen gehandelt wird, wollte der Sprecher nicht kommentieren.
Derweil soll es nach Informationen des "Weser-Kuriers" einen zweiten Verdächtigen aus Niedersachsen geben. Dabei handle es sich um den 43-jährigen Bruder des bereits festgenommenen Holger G. aus Lauenau, schreibt die Zeitung.
Zudem berichtete der MDR, eine sächsische Meldebehörde habe für ein Mitglied der Zwickauer Terrorzelle einen Pass auf falschen Namen ausgestellt. Nach Informationen aus Ermittlerkreisen wird das Dokument als "legaler illegaler" Pass bezeichnet, weil es sich um einen echten Pass aus der Bundesdruckerei handelt, der aber mit einem gefälschtem Foto und einer gefälschten Unterschrift ausgestattet ist.
Nach Informationen von tagesschau.de wurde der Vorgang im Innenausschuss des Bundestags bestätigt. Der Pass sei von einer anderen Person beantragt worden - mit einem Bild eines der Rechtsterroristen - und einem gefälschten Personalausweis, hieß es in dem Gremium. Zudem wurde eine Unterschrift gefälscht. Der Mann, der den Pass beantragte, soll einem der Terroristen ähnlich gesehen haben.
Gedenkfeier im Februar
Derweil wurde bekannt, dass es im Februar für die Opfer der Neonazi-Mordserie eine Gedenkfeier geben soll. Dies habe Bundespräsident Christian Wulff den Hinterbliebenen bei einem Treffen am Mittwochabend in Berlin zugesagt, teilte sein Büro mit. Die Feier soll demnach in Abstimmung mit der Bundesregierung vorbereitet werden.
Die Morde der rechtsextremen Terrorgruppe beschäftigten auch den Mainzer Medien Disput. Die rund 380 Medienschaffenden gedachten der Opfer und sprachen sich für ein NPD-Verbot aus. Zugleich übten die Medienleute aber auch scharfe Kritik an der eigenen Branche. Die Medien hätten in den zurückliegenden Jahren über rechtsextreme Umtriebe "nicht mit der nötigen Intensität aufgeklärt". Damit hätten die Medien der Gesellschaft "einen Bärendienst" erwiesen, heißt es in dem Appell.
Zahlreiche namhafte Persönlichkeiten positionierten sich zudem in einer Zeitungsanzeige gegen den Neonazi-Terror in Deutschland - und bekundeten ihre Trauer über die Opfer. "Wir sind beschämt, dass unser Staat ihnen keinen Schutz vor diesen terroristischen Verbrechen gegeben hat", heißt es in der Anzeige, die im "Tagesspiegel" erschien. Am Freitag soll sie auch in der türkischen Tageszeitung "Hürriyet" gedruckt werden, hieß es aus SPD-Kreisen. Zu den Unterzeichnern gehören die Bundesvorsitzenden von SPD, Linkspartei und Grünen sowie der Filmemacher Fatih Akin, die Schauspieler Iris Berben, Senta Berger und Adnan Maral und die Schriftsteller Günter Grass, Navid Kermani und Yüksel Pazarkaya.
Friedrich weist Rücktrittsforderung zurück
Die Debatten über die Konsequenzen aus der Terrorserie gehen indes weiter. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) wies Rücktrittsforderungen zurück. SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz hatte Friedrich wegen seines Umgangs mit der Mordserie aufgefordert, den Posten zu räumen. Der Bundesinnenminister sei "dieser Herausforderung nicht gewachsen", sagte er dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Mittlerweile kündigte Friedrich an, er habe eine hochrangige Expertenkommission zur Gesamtaufklärung und dem Fall des NSU berufen.
Auch über ein Verbot der NPD wird weiter diskutiert. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger betonte, ein erneutes Verfahren gegen die Neonazi-Partei dürfe es nur geben, wenn die V-Mann-Praxis beendet werde. "Wenn ein Bundesland sich entscheidet, seine V-Leute nicht abzuziehen, wäre das eine Hürde, die man kaum nehmen kann", sagte sie der "Passauer Neuen Presse". Dies wäre ein "zu hohes Risiko". Bundesinnenminister Friedrich hatte zuvor angekündigt, er wolle prüfen, ob ein Verbotsverfahren möglich ist, ohne alle V-Leute aus der Partei abzuziehen. An der unklaren Rolle der V-Leute war 2003 der erste Versuch eines NPD-Verbots gescheitert.
Anzeige gegen NPD-Abgeordneten
Die Grünen zeigten derweil den NPD-Landtagsabgeordneten David Petereit wegen Volksverhetzung an. Petereit vertreibe über seinen Internethandel eine CD mit Liedtexten, die den Tatbestand der Volksverhetzung erfülle, sagte der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern, Jürgen Suhr. So werde in einem Lied eindeutig zu Gewalt gegen einen Teil der Bevölkerung aufgerufen. Suhr erstattete für seine Partei die Anzeige. tagesschau.de hatte über das Lied in Petereits Versandhandel berichtet.