Scholz vor Gipfeltreffen Rundumschlag des Kanzlers
Gleich drei internationale Gipfeltreffen stehen Kanzler Scholz bevor. Zuvor erklärte er den Abgeordneten im Bundestag aber noch einmal die großen Linien seiner Politik. Im Mittelpunkt - natürlich - der Krieg gegen die Ukraine.
Kurz vor den drei großen internationalen Gipfeln des EU-Rats, der G7 und der NATO hat Bundeskanzler Olaf Scholz dem Bundestag die Leitlinien seiner Politik dargelegt. Mit einem Rundumschlag von der Hilfe für die Ukraine, über die möglichen EU-Beitritte von Ukraine und Westbalkan-Staaten bis hin zur Bekämpfung der globalen Hungerkrise wandte er sich an die Abgeordneten.
NATO und Sicherheitspolitik
Die Neuausrichtung der deutschen Sicherheits- und Außenpolitik sei von Deutschlands Partnerländern anerkannt und verstanden worden, sagte Scholz. Deutschland übernehme damit nicht nur Verantwortung für sich, sondern auch für seine Alliierten. So solle die Bundeswehr dauerhaft in Litauen stationiert werden, auch als Teil der NATO-Absicherung der Ostflanke. Scholz bekräftigte, dass "jeder Quadratmeter des Bündnisgebiets verteidigt" werde. Darauf könnten sich die östlichen NATO-Länder verlassen.
Eine Partnerschaft mit Russland, wie sie die NATO noch 2010 angedacht habe, sei mit der Aggression unter Russlands Präsident Wladimir Putin "auf absehbare Zeit unvorstellbar" geworden, erklärte Scholz. Aufkündigen wolle er die NATO-Russland-Grundakte aber nicht. "Wir werden uns jedenfalls mehr denn je für den Erhalt einer internationalen Ordnung stark machen, die auf Recht statt auf Gewalt basiert", sagte Scholz.
Hilfe für die Ukraine
Seine Eindrücke, die er bei seinem kürzlichen Besuch in der Ukraine gewonnen habe - die Zerstörungen in Irpin - werde er auf die Gipfeltreffen mitnehmen, sagte Scholz. Russlands Krieg in der Ukraine sei ein "barbarisches Verbrechen" - und die Unterstützung der Ukraine deshalb "Pflicht". So grauenvoll die zerstörten Vororte von Kiew wie Irpin und Butscha auch sind, seien sie auch Orte der Hoffnung darauf, dass es möglich ist, die russischen Soldaten zurückzudrängen. Dies sei "unser Ziel", erklärte Scholz.
Hoffnungen auf Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine gebe es derzeit nicht. Ohnehin gelte der Grundsatz: "Nichts über die Ukraine, ohne die Ukraine." Kiew entscheide selbst über Verhandlungen.
Scholz zufolge werde in den nächsten Tagen die Ausbildung ukrainischer Soldaten am deutschen Raketenwerfersystem Mars II beginnen. An den Flugabwehr-Panzern Gepard laufe sie bereits. Für das Luftabwehrsystem IRIS-T sei vor wenigen Tagen der Vertrag zwischen der Ukraine und den Herstellern unterzeichnet worden, sagte Scholz. Die deutschen Panzerhaubitzen sind mittlerweile in der Ukraine angekommen.
Der Wiederaufbau des kriegszerstörten Landes sei eine Generationenaufgabe, weshalb die Ukraine einen "Marshall-Plan" brauche. Dies werde auch Thema auf dem G7-Gipfel in Bayern sein, zu dem auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erwartet wird.
Neue EU-Beitrittsverhandlungen und Reformen
Deutschland unterstütze auch Kiews Wunsch, Mitglied der EU zu werden. Scholz erklärte, er werde sich dafür einsetzen, dass alle 27 EU-Staaten dafür stimmten: "27 Mal Ja zum Kandidatenstatus", sagte er - und dies gelte auch für die Republik Moldau.
Er verwies jedoch auch darauf, dass die Kopenhagener Kriterien für einen Beitritt zur EU beachtet werden müssten. Darin ist geregelt, welche Kriterien Staaten erfüllen müssen, um Mitglieder der EU zu werden. Besonderes Augenmerk müsse Scholz zufolge auf Reformen zu Rechtsstaatlichkeit, des Justizwesens und für den Schutz von Minderheiten liegen.
Gleichzeitig brauche auch die EU selbst Reformen, um "aufnahmefähig" zu werden. So sollte nach Scholz' Vorstellung in EU-Entscheidungen zur Außenpolitik künftig eine qualifizierte Mehrheit der EU-Staaten reichen und nicht mehr das Einstimmigkeitsprinzip gelten.
Der Kanzler sprach sich zudem für neue Bemühungen des Staatenbündnisses um die Länder des westlichen Balkans aus. Es sei fast 20 Jahre her, dass die EU diesen Ländern eine Beitrittsperspektive gegeben wurde - viel zu lange, findet Scholz, und zeigte Verständnis für das Missfallen in jenen Ländern: "Jetzt gilt es: Wir wollen und brauchen den westlichen Balkan in der Europäischen Union." Konkret sprach er sich für Beitrittsverhandlungen mit Albanien und Nordmazedonien aus.
G7: Ringen um internationalen Einfluss
Eine der drängendsten internationalen Krisen sind die Nahrungsmittelknappheit und die hohen Getreidepreise, die maßgeblich durch den Krieg in der Ukraine mitverursacht wurden. Scholz versicherte erneut, dass man an Lösungen für die ukrainischen Getreideausfuhren arbeite. Denn viele Länder, die von den ausbleibenden Getreidelieferungen besonders getroffen sind, kämpften zusätzlich noch mit den Folgen der Pandemie. Sie zu unterstützen sei deshalb wichtig, auch weil sonst Russland oder China in diese Lücke vorstoßen und sie für sich nutzen könnten.
Um die internationale Kooperation zu stärken, habe er deshalb auch Senegal, Argentinien, Indien, Indonesien und Südafrika zum G7-Gipfel nach Elmau eingeladen. Für einen besseren Klimaschutz gelte es, einen fairen globalen Markt zu schaffen, auf dem Klimaschutz ein Wettbewerbsvorteil sei.