Die Industrie BW stieß 2023 etwa 14,5 Prozent weniger CO2 aus

Baden-Württemberg Schwache Konjunktur und milder Winter: CO2-Ausstoß in BW auf neuem Tiefstand

Stand: 04.07.2024 10:57 Uhr

In BW wurden so wenig Treibhausgase in die Luft geblasen wie lange nicht. Der starke Rückgang hat aber kaum etwas mit politischen Maßnahmen zu tun.

Seit 1990 sind in BW noch nie so wenige klimaschädliche Treibhausgase ausgestoßen worden wie im vergangenen Jahr. Das geht aus Schätzungen des Statistischen Landesamts hervor, die dem SWR vorliegen. Demnach wurden 62,7 Millionen Tonnen Kohlendioxid (CO2) in die Luft geblasen. Das ist ein Minus von 9,3 Millionen Tonnen oder fast 13 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Allerdings hat der starke Rückgang nur wenig mit politischen Maßnahmen der grün-schwarzen Landesregierung zu tun.

BW: Im Autoland kommt ein Drittel der Emissionen aus dem Verkehr

Stattdessen profitierte BW beim Klima davon, dass die Konjunktur lahmte und die Energiepreise wegen des Gasmangels infolge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine hoch waren. Die Industrie verbraucht weniger Energie und somit wurde deutlich weniger Steinkohle verbrannt. Auch die milde Witterung besserte die Bilanz auf, weil weniger geheizt wurde. Einen leichten Anstieg gab es lediglich im Verkehr. Im Autoland BW ist der Verkehr für knapp ein Drittel aller CO2-Emissionen verantwortlich. 

Bis 2030 muss CO2-Ausstoß um Hälfte gesenkt werden

Grüne und CDU haben sich ehrgeizige Klimaziele gesetzt - doch es dürfte äußerst schwer werden, diese zu erreichen. Bis 2030 soll es ein Minus von 65 Prozent der Emissionen im Vergleich zu 1990 geben. Um das Ziel zu erreichen, dürfte nur noch knapp die Hälfte der Emissionen von 2023 ausgestoßen werden. Das wäre ein Rückgang von 30,9 Millionen Tonnen CO2. Bis 2040 soll BW klimaneutral sein - fünf Jahre früher als der Bund.

Warum bei Treibhausemissionen 1990 als Referenzjahr gilt

Wenn es um Klimagase geht, wird immer das Jahr 1990 als Referenzjahr angegeben. Damit will man Klimaschutzziele international vergleichbar machen. Im Kyoto-Protokoll der Vereinten Nationen von 2005 wurden erstmals verbindliche Zielwerte zur Treibhausgas-Reduktion festgelegt - und die Werte aus dem Jahr 1990 als Grundlage herangezogen. In Baden-Württemberg lagen die CO2-Emissionen im Jahr 1990 laut Statistischem Landesamt insgesamt bei 90,85 Millionen Tonnen.

Fast ein Drittel weniger Emissionen bei der Energieerzeugung

Der Rückgang im Jahr 2023 ist vor allem auf die Energiewirtschaft zurückzuführen, die hinter dem Verkehr mit 23 Prozent der größte Klimasünder ist. Da fast die Hälfte weniger Kohle als 2022 für die Stromerzeugung verbrannt werden musste, sank der Anteil der Energiewirtschaft an den Emissionen um 31,6 Prozent.

Neben der schwachen Konjunktur waren auch die geringeren Stromexporte, etwa an Frankreich, ein Grund dafür. Zudem verzeichnete BW beim Ausbau der Solarenergie einen neuen Rekord. Mit einem Zubau von fast 1,9 Gigawatt lag BW hinter NRW und Bayern auf Rang drei. Die Landesregierung setzt bei der Energieerzeugung vor allem darauf, dass der Karlsruher Energiekonzern EnBW schon 2028 komplett aus der Kohle aussteigt. Die EnBW gehört fast zur Hälfte dem Land Baden-Württemberg.

Industrie produziert weniger - auch weniger CO2

Die Industrie BW stieß 2023 etwa 14,5 Prozent weniger CO2 aus, Folge einer schwachen Wirtschaftslage. Besonders macht sich die Flaute am Bau bemerkbar, aber auch die hohen Energiepreise. So produzierten die Zement-, Kalk-, Chemie- und Papierindustrie deutlich weniger - und stießen damit auch weniger Kohlendioxid aus.

Die Emissionen bei den Gebäuden sanken 2023 um 7,7 Prozent. Zum einen war es im Winter nicht so kalt und viele Menschen versuchten wegen der hohen Preise Energie zu sparen. Auch bei der Landwirtschaft gab es mit 1,7 Prozent ein - wenn auch geringes - Minus bei den Treibhausgas-Emissionen. Als Gründe werden die Verringerung der Tierbestände und weniger Stickstoff-Dünger genannt.

Verkehrsminister Hermann nennt Klimastatistik ernüchternd

Beim Verkehr ging der CO2-Ausstoß um 0,3 Prozent hoch. Die Emissionen durch Autos stiegen sogar um 2,3 Prozent. Dagegen bliesen Lastwagen 2,6 Prozent weniger Treibhausgase in die Luft. Auch dies liegt an der geringeren Industrieproduktion, die auch zu weniger Transporten führte. Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) sagte dem SWR: "Trotz des Rückgangs im Güterverkehr ist die Statistik ernüchternd." Der Weg aus der Klimakrise sei in Deutschland zwar eingeschlagen, aber es gehe zu langsam voran. "Unsere klimapolitische Flanke in Deutschland ist der Verkehr." Darum arbeite er am Ausbau von Bussen und Bahnen. "Die Zahl der Fahrgäste steigt bereits, Ziel ist eine Verdopplung bis 2030." Doch das allein werde nicht reichen, sagte der Grünen-Politiker. "Wenn allerdings die Zahl der gefahrenen Kilometer mit dem Auto nicht sinkt, müssen die Autokilometer klimafreundlicher werden. Der Umstieg auf E-Autos ist ein entscheidender Beitrag, den Autonutzer leisten können." Hier gebe es auch Unterstützung des Landes, die man ausbauen wolle.

Hermann droht bei Haushaltverhandlung Rückschlag

Allerdings muss Hermann kämpfen, um weitere Mittel im nächsten Haushalt 2025/2026 zu bekommen. Bislang ist nur klar, dass der Verkehrsminister einen Sparbeitrag leisten muss. Die grün-schwarze Koalition plant bisher, eine Milliarde Euro über die Ministerien hinweg einzusparen, um neue Schwerpunkte in der gleichen Höhe setzen zu können. Aus der Koalition heißt es, klar sei bislang, dass etwa 500 Millionen Euro in das geplante Sprachförderpaket und die Innere Sicherheit investiert werden solle. Außerdem müsse man eine erhebliche Summe für die Kommunen reservieren.

Sendung am Do., 4.7.2024 5:00 Uhr, Guten Morgen Baden-Württemberg, SWR1

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