Baden-Württemberg Cloud & Joghurt: Wie die Schwarz-Gruppe rund um Lidl zum Tech-Giganten wird
Die Lidl-Mutter Schwarz-Gruppe expandiert von Brot & Joghurt zu IT & Cybersecurity. Entsteht da etwa ein Amazon 2.0? Und wird Neckarsulm zum Silicon Valley? Es gibt Parallelen.
Die Schwarz-Gruppe mit Sitz in Neckarsulm (Kreis Heilbronn) steht vor allem für Lebensmittel. Weltweit gibt es rund 13.900 Filialen von Lidl und Kaufland, daneben betreibt der Konzern auch noch eine Recyclingfirma und einen Lebensmittelhersteller für die Eigenmarken. Vor etwa einem Jahr ist mit Schwarz Digits eine Digital- und Techniksparte dazugekommen, die es in sich hat. Sie hat sich in kürzester Zeit zu einem der führenden Cloud-Anbieter in Deutschland entwickelt: Sie verkauft Cybersicherheit an viele andere Unternehmen. Einige Tech-Magazine sprechen von einem neuen Amazon, das in Neckarsulm entsteht.
Was an diesen Aussichten wirklich dran ist, hören Sie hier in unserem Plusminus Podcast. In dieser Folge gehen Anna Planken und David Ahlf der Frage nach, ob in Baden-Württemberg gerade ein neuer Weltkonzern und in Neckarsulm ein neues Silicon Valley entstehen.
Was genau macht die Schwarz-Gruppe zu einem kommenden Tech-Giganten?
Diese Entwicklung hat Ende des Jahres 2021 an Fahrt aufgenommen. Damals hat die Schwarz-Gruppe das israelische Start-up XM Cyber gekauft, einen Spezialisten für die Abwehr von Cyberangriffen. Rund um dieses Unternehmen ist im Anschluss ein Hackerabwehrzentrum auf dem Firmengelände in Neckarsulm entstanden. Das Wissen um solche Produkte wird inzwischen auch verkauft, Kunden sind zum Beispiel der Buchhändler Thalia, die Drogeriemarktkette dm, die Commerzbank oder auch die Fußballvereine Bayern München und VfB Stuttgart.
Auch die hauseigene Cloud der Schwarz-Gruppe namens Stackit wird inzwischen auf dem Markt angeboten, mit Servern, die in Deutschland und Österreich stehen. Die Schwarz-Gruppe ist zudem an der Entwicklung eines deutschen KI-Hubs beteiligt, einer Art geschützter Werkstatt für künstliche Intelligenz. In nächster Nähe zum Standort in Neckarsulm wird in Bad Friedrichshall ein riesiger IT-Campus gebaut und in Heilbronn ein Innovationspark für KI. Das ist nur eine Auswahl der größten Projekte. Um all diese Aktivitäten zu bündeln, ist 2023 mit Schwarz Digits eine neue Sparte entstanden.
Was sind die Gründe für diese Entwicklung?
Mit einer Cloud zum Beispiel lässt sich definitiv mehr Geld verdienen als mit Joghurt. Das liegt daran, dass die Margen im Lebensmittelhandel meist deutlich unter zehn Prozent liegen. Zum Vergleich: Die Marge der Cloudsparte von Amazon liegt bei 35 Prozent.
Das soll aber nicht der Hauptgrund gewesen sein, dass sich die Schwarz-Gruppe umorientiert hat. Allem voran soll es um den Schutz des eigenen Unternehmens gegangen sein. Vor dem Ukrainekrieg ist der Konzern nach eigenen Angaben 3.500 mal pro Tag von Hackern angegriffen worden, inzwischen hat sich die Zahl dieser Cyberangriffe 350.000 pro Tag vervielfacht.
Mit der aufgebauten Cyberabwehr soll also unter anderem verhindert werden, dass zum Beispiel die Kassensysteme bei Lidl oder Kaufland lahmgelegt werden. Die Schwarz-Gruppe verkauft diese Sicherheit inzwischen auch an die Konkurrenz und gibt in diesem Feld den Wettbewerbsvorteil auf. Der Vorstandsvorsitzende Gerd Chrzanowski sagt, man konkurriere bei Eiern, Bananen und Milch, aber nicht bei der Cybersicherheit.
Wie nah ist das alles schon an Amazon?
Bislang ist der Unterschied noch riesig. Schwarz Digits, also der neue Bereich, macht mit externen Aufträgen im Jahr rund 2 Milliarden Euro Umsatz. Amazon verdient mit seiner Cloudsparte Web Services 10 Milliarden Dollar im Quartal. Beim derzeitigen Wechselkurs von etwa eins, ist das etwa das zwanzigfache.
Der Vergleich rührt eher daher, dass der Weg ein ähnlicher ist. Auch Amazon hat zunächst eine hausinterne Cloud entwickelt, damit die Website stabil läuft. Der US-Riese verkaufte zu Beginn Bücher, so wie Lidl eben Lebensmittel.
Die Geschwindigkeit, mit der die Schwarz-Gruppe derzeit vorgeht, lässt aber darauf schließen, dass der Abstand zu Amazon geringer werden könnte. Rund um die Firmenzentrale entsteht eine Art deutsches Silicon Valley mit viel Forschung und Wissen. So scheint es durchaus denkbar, dass dort in den kommenden Jahren ein echter deutscher Tech-Riese entstehen könnte.