Baden-Württemberg Gebärdensprache im Bundestag: "Rede des Jahres 2024"
Die gehörlose Heike Heubach hat die "Rede des Jahres 2024" gehalten. So würdigt das Rhetorische Seminar der Uni Tübingen die erste Bundestagsrede in Gebärdensprache.
Die Auszeichnung "Rede des Jahres" des Seminars für Allgemeine Rhetorik an der Universität Tübingen geht in diesem Jahr an die SPD-Abgeordnete Heike Heubach. Die Rede vom 10. Oktober ist die erste im Deutschen Bundestag, die in Gebärdensprache gehalten wurde.
Heike Heubachs Rede "rhetorisch glänzend"
Der Tübinger Rhetorik-Professor Dietmar Till lobt die Rede als "rhetorisch glänzend", durchkomponiert, thematisch wichtig, und auch in der Körpersprache sehr überzeugend präsentiert. Das werde durch die Gebärdensprache noch unterstrichen.
"Freie Rede", sagt Till, da denken wir sonst immer an Mündlichkeit, an Akustik, Ton und Laute. Eine Rede in Gebärdensprache bricht mit unseren Gewohnheiten. Das ist nicht nur ungewohnt, sondern auch entscheidend für die Frage, wie wir die Gesamtheit der Gesellschaft repräsentieren wollen - auch die, die anders sprechen.
Heubach gebärdete eine Rede zur geplanten Novellierung des Baugesetzbuches. Simultan übersetzte eine Gebärdendolmetscherin. Diese trockene Materie, so die Jury, habe Heubach an die Lebenswelt der Bürgerinnen und Bürger herangeführt. Dabei ging es auch um Klimaschutz im Städtebau.
Tübinger Jury lobt Schlusssatz der Rede
Die Tübinger Rhetoriker sehen die erste Bundestagsrede in Gebärdensprache als bewegendes Beispiel politischer Redekultur im Zeichen von Inklusion. Heubachs Rede sei klar gegliedert und pointiert. Sie münde in einer eingängigen Schlusssentenz.
Ein Mehr an Klimaschutz wird Leben retten und den Bundeshaushalt bei den Kosten von Naturkatastrophen entlasten. Am teuersten wird es dann, wenn wir nichts tun. Schlusssatz, "Rede des Jahres 2024" von Heike Heubach
Heubachs erste Rede im Plenum kam an: Viele Abgeordnete der Linken, Grünen und der SPD applaudierten mit hochgestreckten, winkenden Händen. Die Gebärde für Applaus. Am Ende gab es Standing Ovations. Heubach formte ihre Hände zu einem Herz.
Heike Heubach (SPD), erste gehörlose Bundestagsabgeordnete, bei ihrer ersten Sitzung im Bundestags. Die Abgeordneten begrüßen Heubach mit der Geste, die in der Gebärdensprache für Applaus steht.
Heubach wurde in Rottweil geboren
Im März war Heike Heubach (SPD) als Nachrückerin ins Parlament eingezogen. Die Sozialdemokratin ist in Rottweil geboren und für den Wahlkreis Augsburg-Land angetreten. Sie sitzt für ihre Fraktion im Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen, in dem der Gesetzentwurf beraten wurde.
In den vergangenen Jahren hat das Seminar für Allgemeine Rhetorik die "Rede des Jahres" an Robert Habeck, Luisa Neubauer, Maren Kroymann und Angela Merkel vergeben.
Sendung am Do., 12.12.2024 10:30 Uhr, SWR4 BW Regionalstudio Tübingen