Baden-Württemberg Kürzungen bei Jobcenter: Projekt "Respekt" in Stuttgart vor dem Aus
Die Caritas und die Evangelische Gesellschaft führen das Hilfsprojekt "Respekt" nicht weiter. Grund dafür sei eine unzureichende Finanzierung durch Kürzungen beim Jobcenter.
Zu geringe Projektmittel, unzureichende Bedingungen für die Teilnehmenden und weniger Raum für pädagogische Betreuung: Der Caritasverband Stuttgart e.V. und die Evangelische Gesellschaft (eva) werden sich nicht erneut um die Ausschreibung für das Projekt "Respekt" bewerben. Das teilten die beiden Träger am Donnerstag mit.
Projekt "Respekt": Hilfe für Jugendliche, die durch das System fallen
Clara Streicher ist Teamleiterin bei "Respekt". Die Botschaft, dass ihre Einrichtung geschlossen wird, mache sie wütend. "Wir fangen bereits jetzt an alles aufzulösen und unsere Teilnehmenden weiterzuvermitteln", erzählt sie im Gespräch mit dem SWR. Nach eigenen Angaben richtet sich "Respekt" an Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 15 und 24 Jahren, die durch das Hilfssystem gefallen sind und bei "Respekt" wieder eine Perspektive finden.
Das brauche Zeit und Vertrauen, erklärt Clara Streicher. Denn viele der Teilnehmenden hätten multiple Probleme: Prekäre Wohnverhältnisse, keine Familie, kein Geld, keinen oder keinen guten Schulabschluss oder auch psychische Erkrankungen. Bei "Respekt" helfen Streicher und ihre acht Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen den Jugendlichen, beispielsweise bei Amtsgängen, Konflikten oder beim Aufsuchen sozialer Dienste. Laut Caritas sollten dadurch die Jugendlichen ihren Weg zurück in die Gesellschaft finden. Doch diese Unterstützung läuft nun aus.
Keine erneute Bewerbung durch Caritas und eva
Betrieben wurde das Projekt seit 2020 durch die Caritas und die eva in Stuttgart. Die Träger haben sich in der Vergangenheit gemeinsam auf die Ausschreibungen des Jobcenters beworben. In einem gemeinsamen Schreiben teilten die beiden Träger mit, dass man entsetzt sei von der aktuellen Ausschreibung für das Projekt.
Im neuen Projektrahmen habe der Gemeinderat die Mittel für "Respekt" um 50 Prozent gekürzt, zudem wurden die Bedingungen verschärft, sodass eine zielgruppengerechte Arbeit mit den Jugendlichen nicht mehr möglich sei.
Zukünftig soll beispielsweise die Teilnahmedauer auf neun Monate begrenzt werden. In der Zusammenarbeit mit Jugendlichen aus prekären Lebenslagen sei dies viel zu wenig Zeit. "Viele der Jugendlichen haben schlechte Erfahrungen mit Ämtern gemacht", sagt Clara Streicher. Da brauche es erst Mal Zeit, um Vertrauen zu schaffen, erklärt die Noch-Teamleiterin des Projekts.
In ihrem Schreiben betonen Caritas und eva, dass durch den Wegfall des Projekts viele junge Menschen, die bereits jetzt durch das Hilfssystem nicht erreicht werden, eine wichtige Unterstützung verlieren.
Kürzungen auf Bundesebene trifft Stuttgarter Jobcenter
Neben der aktuellen finanziellen Situation der Stadt Stuttgart hängen die Einsparungen auch mit dem vorgesehenen Bundeshaushalt für 2025 zusammen. Dieser sieht bundesweit Einsparungen für die Leistungen der Jobcenter vor. Dies betrifft neben der Unterstützung für schwer zu erreichende junge Menschen auch die Förderung von Erwerbslosen zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt. Beides ist gesetzlich in Paragraf 16 im zweiten Sozialgesetzbuch unter verschiedenen Punkten verankert.
Laut der Stadt Stuttgart hat das Jobcenter für 2025 ein Gesamtbudget von 71,2 Millionen Euro, von denen aufgrund der Deckung anderer, laufender Kosten nur 5,4 Millionen Euro zur Verfügung stehen, um Leistungen zur Eingliederung in Arbeit zu finanzieren.
Clara Streicher zufolge, die auch für die SPD im Stuttgarter Gemeinderat sitzt, sei es durch diese Gesamtlage letztlich dazu gekommen, dass das Projekt nicht wie zuvor finanziert werden konnte. Für Streicher sei dadurch nun die gesetzlich verankerte Versorgung für Jugendliche in Stuttgart akut bedroht.
Sendung am Fr., 10.1.2025 18:00 Uhr, SWR4 am Abend, SWR4