Baden-Württemberg Nationaltheater Mannheim: Drei Gründe für das finanzielle Fiasko
In Mannheim spitzt sich die Lage bei der Finanzierung der Nationaltheater-Sanierung zu. Die Stadt sucht nach einem Ausweg, denn Mitte nächsten Jahres ist das Geld alle.
Der Neubau des Nationaltheaters Mannheim im alten Gebäude ist ein finanzielles Fiasko. Die Stadt sucht nach einen Drittel der Bauzeit nach einem Ausweg. Denn Mannheim steht bei der Finanzierung mit dem Rücken zur Wand. Aktuelle Kosten: Knapp 330 Millionen Euro, weitere Kostensteigerungen sind wahrscheinlich. Für die Situation gibt es im Wesentlichen drei Gründe.
Baukostensteigerung
Das böse Wort heißt Vergabeverluste: Die Kostenplanungen stammen noch von vor Corona, seitdem sind Baukosten aus den unterschiedlichsten Gründen in die Höhe geschnellt. Allein die Vergabeverluste betragen 21 Millionen Euro, auch für nicht vorhergesehene Nacharbeiten. Das sind Mehrkosten, die Baufirmen neuerdings auf gesicherter gesetzlicher Grundlage weiterreichen können.
Schon jetzt wurde der Bau des Zentrallagers für das Nationaltheater gestrichen, um zumindest vorübergehend flüssig zu bleiben.
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Zudem machen verschärfte Sicherheitsbestimmungen das Bauen noch teurer. Die Abfuhr der schadstoffbelasteten Altstoffe kostet im Vergleich viel mehr als vorher, weil die Vorschriften zur Überprüfung möglicherweise schadstoffbelasteter Stoffe verschärft wurden. Ein weiterer Punkt: Die Suche nach Bomben aus dem 2.Weltkrieg hat ein Jahr lang Menschen und Material gebunden und enorm viel Geld gekostet.
"Nice to have"
Der englische Ausdruck "Nice to have" beschreibt die Falle, in die der Gemeinderat getappt ist. Der Entwurf, wie der langgestreckte 60iger Jahre-Bau saniert werden soll, ist ambitioniert. Tiefliegende Orchesterprobesäle, die teures, tiefes, grundwasserbefreites Bauen erfordern, ein klimaresilienter Goetheplatz vor dem Gebäude, der allein Kosten von zehn Millionen Euro verursacht. Das sind nur zwei Beispiele.
Mannheims Oberbürgermeister Christian Specht (CDU) hatte im Gemeinderat darauf hingewiesen, dass sich niemand über die hohen Kosten wundern dürfe, schließlich hat der Gemeinderat vor Jahren ja mit großer Mehrheit den ehrgeizigen Plänen zugestimmt.
Überhaupt ist das für so viel Geld renovierte Nationaltheater letztlich ein Traum der gut vernetzten Hochkulturszene in der Stadt, die an alte Traditionen anknüpfen möchte. Ein Beispiel: Am 13. Januar 1782 wurde in Mannheim am Nationaltheater Friedrich Schillers Drama "Die Räuber" uraufgeführt.
Für die Kleinen bleibt kaum was übrig
Dass für die anderen Kulturschaffenden in Mannheim aktuell nicht mehr viel übrigbleibt, ist allerdings für den Generalintendanten Tilmann Pröllochs nicht das Thema. (siehe untenstehendes Interview). Sein Motto lautet: In der 250-jährigen Geschichte des Nationaltheaters, das von Kurfürst Carl Theodor gegründet worden war, hat es schon viele solcher Situationen gegeben.
Denkmalpflege als Kostentreiber
Das Haus soll so bleiben wie es ist - im Aussehen, aber auch in wesentlichen Bestandteilen. Das hat das Landesamt für Denkmalpflege bestimmt. Das wird teuer, denn die Bauarbeiten müssen sich an Auflagen und Verboten orientieren. Für Jörg Widmaier vom Landesamt für Denkmalpflege ist das nicht das Problem. Er weiß, dass der Denkmalschutz Bauen teuer macht, hält es aber für verkraftbar und notwendig. Im SWR-Interview räumt er ein:
Wie viele Projekte wird auch dieses Projekt teuer - und wahrscheinlich auch aufgrund des Denkmalschutzes. Dr. Jörg Widmaier, Referent im Landesamt für Denkmalpflege
Es seien ganz grundlegende Standards der Denkmalpflege, die dafür sorgen, das Denkmal substanziell anschaulich zu erhalten. Am Ende orientiere sich die Behörde nicht an schwarzen Zahlen, sondern an dem Versuch, authentisch zu überliefern. Ob eine Stadt dafür Geld habe, sei nicht entscheidend. Jörg Widmaier wirft auch die provokante Frage auf: Wenn eine Stadt sich den Denkmalschutz nicht leisten kann, kann sie sich dann einen Neubau leisten?
Suche nach weiteren Finanzquellen
Sollte das Nationaltheater mit viel Geld und Mühe vielleicht wie geplant 2028, wahrscheinlich aber erst 2029 fertig sein, präsentiert sich das Gebäude im Wesentlichen unverändert - siehe Denkmalschutz. Wie das der Bevölkerung verkauft werden soll, dass dort bis zu 400 Millionen Euro verbaut wurden, bleibt unklar. Der Landtagsabgeordnete Boris Weirauch (SPD) ist jedenfalls überzeugt, dass ein schicker Neubau mehr private Mäzene angelockt hätte.
Die Kosten für das Nationaltheater werden auf viele Jahre hinaus die Stadtentwicklung bremsen, schon jetzt sind Projekte abgesagt oder auf Eis gelegt worden.
Ob die große Kultureinrichtung, bei der rund 800 Menschen beschäftigt sind, dann auch im Bewusstsein der Mannheimer Bürgerinnen und Bürger andockt, vielleicht auch bei den vielen Migranten, bleibt eine offene Frage. Die Besucherzahlen jedenfalls sahen in den vergangenen Jahren nicht danach aus. Im Gemeinderat waren schon Stimmen laut geworden, bitte weniger kunstorientiert zu sein und lieber populärer zu werden.