Baden-Württemberg RS-Virus: Darum ist die Lage in BW in diesem Winter entspannter
Das RS-Virus hat im vergangenen Winter für überlastete Kinderkliniken gesorgt. Trotz Lieferengpässen beim RSV-Impfstoff rechnet man in Baden-Württemberg mit einer milden Saison.
Kinderkliniken am Limit und viele Babys mit Atemwegserkrankungen: Das RS-Virus hat die Krankenhäuser in Baden-Württemberg im vergangenen Winter besonders hart getroffen. Die RSV-Saison hat zwar noch nicht begonnen, aber seitdem Lieferengpässe beim Impfstoff für Babys gegen das Respiratorische Synzytial-Virus bekannt wurden, warnt der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) auch in diesem Jahr vor überlasteten Kinderkliniken. In BW rechne man aber mit einer milden RSV-Saison.
Denn seit dem Sommer 2024 empfiehlt die Ständige Impfkommission des Robert-Koch-Instituts (Stiko) eine RSV-Immunisierung auch für Neugeborene. Demnach sollen alle Säuglinge vor oder in ihrer ersten RSV-Saison gegen das Virus immunisiert werden. Wegen der Impfempfehlung der Stiko rechne man in Baden-Württemberg für diesen Winter trotz Lieferengpässe mit einer milden RSV-Saison.
Das Respiratorische Synzytial-Virus, kurz RSV oder RS-Virus, ist ein weltweit verbreiteter Erreger, der schwere Atemwegserkrankungen hervorrufen kann. Die RS-Viren können bei Menschen jeden Alters Infektionen auslösen und werden per Tröpfchen- oder Schmierinfektion übertragen. Insbesondere für Babys und Kleinkinder kann eine Infektion gefährlich werden. Denn gerade bei Säuglingen kann der Erreger Bronchitis und schwere Lungenentzündungen verursachen. Auch Kinder mit Vorerkrankungen wie beispielsweise Lungen- oder Herzerkrankungen haben ein erhöhtes Risiko für schwere Verläufe einer RSV-Infektion. Laut dem Robert-Koch-Institut machen innerhalb des ersten Lebensjahres 50 bis 70 Prozent und bis zum Ende des zweiten Lebensjahres nahezu alle Kinder mindestens eine RSV-Infektion durch. Bei den meisten Kindern verläuft die Erkrankung aber mild als harmlose Erkältung und die Infektion klingt innerhalb weniger Wochen von selbst ab.
RS-Virus: Gesundheitsministerium in Baden-Württemberg ist zuversichtlich
Wie das Bundesgesundheitsministerium Ende September im Bundesanzeiger bekannt gegen hat, bestehe derzeit europaweit eine hohe Nachfrage nach RSV-Impfstoff und es komme beim diesem zu Lieferengpässen. Deswegen haben die Bundesländer die Erlaubnis, im Einzelfall von den strengen Vorgaben des Arzneimittelgesetzes abzuweichen und damit befristet qualitativ gleiche Ware aus dem Ausland zu importieren. Deshalb dürfe der Hersteller Sanofi auch den Impfstoff aus den USA sowie Frankreich und Spanien importieren, um auf Lieferengpässe zu reagieren.
Das Gesundheitsministerium in BW gehe Stand Anfang November davon aus, dass der Bedarf aktuell durch die importierte Ware gedeckt werde und voraussichtlich auch für die Saison so bestehen bleibe. Demnach wurden dem Landesgesundheitsamt in den vergangenen Wochen nur vereinzelte Fälle des RS-Virus bei Kindern zwischen null und fünf Jahren gemeldet.
Seit Herbst 2024 empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) eine passive Immunisierung gegen RSV für Neugeborene und Säuglinge im ersten Jahr. Dabei werden Antikörper gespritzt, die dem Körper sofort zum Schutz vor RSV zur Verfügung stehen. Es handelt sich um eine aktive Schutzimpfung, die von der STIKO bisher nur einmalig empfohlen ist. Laut Studien hat die Impfung eine Schutzwirkung von sechs Monaten und schützt Babys somit in ihrem ersten Lebensjahr vor schweren Erkrankungen durch das RS-Virus.
Klinikum Stuttgart hat aktuell ausreichend Impfstoff
Auch im Kinder- und Jugendklinikum Olgahospital in Stuttgart gibt es noch keine Patientinnen und Patienten mit dem RS-Virus. Laut Friedrich Reichert, Leiter der Pädiatrischen Interdisziplinären Notaufnahme des Klinikums Stuttgart, liege man in Deutschland meist vier bis sechs Wochen hinter Großbritannien, bei denen gerade die RSV-Welle beginnt.
So berichteten wir Anfang des Jahres über die Situation am Olgahospital in Stuttgart. Damals waren überdurchschnittlich viele Kinder wegen Virusinfektionen in Behandlung:
Außerdem werden die Kliniken ausreichend beliefert, um Neugeborene gegen das RS-Virus impfen zu können, betont Reichert. Bei den niedergelassenen Kinderärzten sei die Belieferung dagegen sehr wechselhaft. "Das führt dazu, dass die Kinder, die zwischen April und Oktober geboren wurden, und daher nicht in der Klinik geimpft wurden, sondern eben nur in der Saison in der Praxis geimpft werden sollten, eventuell keine Impfung erhalten, oder diese verspätet bekommen", so der Chef der Kinder-Notaufnahme.
Viele Eltern in Baden-Württemberg lassen ihre Neugeborenen gegen das RS-Virus impfen, das zeigt eine nicht-repräsentative Umfrage des Evangelischen Pressedienstes. "Viele Eltern nehmen das Impfangebot gerne an, einige haben noch Nachfragen", heißt es zum Beispiel vom Klinikum Stuttgart. Die Erfahrung zeige, dass die Neugeborenen die Impfung gut bis sehr gut vertragen würden, heißt es weiter.
Das Virus führt zu einer Verengung der Atemwege. Im noch kleinen Körper eines Kindes sind diese jedoch ohnehin schon eng. Bei einer weiteren Verengung durch die Infektion steigt der Luftwiderstand schnell, so Professor Jörg Dötsch. Er ist Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin und Direktor der Kinder- und Jugendklinik der Uni Köln.
Das führt zu einer schnellen, angestrengten Atmung. Dabei bewegt sich der Brustkorb oft nach innen - dann sollte das Kind rasch zum Arzt. Auch wenn das Fieber sehr hoch steigt oder länger als drei oder vier Tage anhält, sollten Eltern mit ihren Kindern zum Kinderarzt.
Das sind die Symptome einer Infektion mit RS-Viren
- Schnupfen
- trockener Husten
- Niesen
- Halsschmerzen
- Fieber
- beschleunigte Atmung
- Rasselgeräusche beim Atmen
- Giemen (pfeifende Atemgeräusche)
- Husten mit Auswurf
- trockene, kalte und blasse Haut
- eingesunkene Fontanelle (Knochenspalte am Schädel; Kinder unter 18 Monate)
Komplizierte Abrechnung des RSV-Impfstoffs
Till Reckert, Kinderarzt in Reutlingen, bestätigt, dass die Immunisierung gegen das RS-Virus in den Praxen eher schleppend vorangeht, da vorrangig die Kliniken mit dem Antikörper beliefert werden. "Das ist gut so, denn je jünger das Kind in der RSV-Saison ist, desto eher kann es ein Problem bekommen", so Reckert. Für die Kinderpraxen sei die "Einzelrezeptlogistik" in Verbindung mit der unzuverlässigen Belieferung ein Problem.
Denn die Apotheken erhalten meist eine Packung des USA-Impfstoffs mit fünf Fertigspritzen. Die Impfdosen können zwar einzeln herausgeben werden, allerdings entsteht dadurch für die Apotheken bei der Abrechnung ein wirtschaftliches Risiko. Das erklärt Frank Eickmann vom Landesapothekerverband Baden-Württemberg so: "Abgerechnet werden kann nur die 1er-Abgabe, während die vier weiteren, übrig bleibenden Portionen nicht abgerechnet werden können."
Der Kinderarzt aus Reutlingen sowie Friedrich Reichert vom Klinikum Stuttgart blicken der RSV-Saison eher gelassen entgegen. Laut Reichert fürchte man keine Überlastung in der Klinik wie im vergangenen Winter. Denn die gefährdetsten Kinder seien Säuglinge und diese würden in den Kliniken geimpft. Somit rechnet er trotz Lieferengpass im ambulanten Bereich mit einer Abmilderung der RSV-Welle in den Kinderkliniken. "Natürlich wird es aber unschön sein, wenn Kinder stationär aufgenommen werden müssen, die die Impfung nur wegen Lieferschwierigkeiten nicht bekommen haben", so der Mediziner.
Kinderpraxen in BW auch ohne RSV-Welle am Limit
Auch Kinderarzt Reckert rechnet mit einem "normalen Infektwinter". Überlastung gebe es in den Kinderpraxen sowieso und die Versorgung werde zunehmend schwerer: "Überarbeitete Kassenärzte gehen in den vorzeitigen Ruhestand und finden oft keine Nachfolger oder arbeiten nur privat weiter", sagt Reckert. Man müsse mehr junge Kolleginnen und Kollegen in den Praxen weiterbilden.