Baden-Württemberg Start-up-City Heidelberg: Hier wird besonders viel gegründet
In Heidelberg sind 2024 so viele Unternehmen gegründet worden, wie sonst nirgends in Deutschland - und zwar gemessen an der Einwohnerzahl. Das hat der "Startup-Verband" mitgeteilt.
Heidelberg ist deutschlandweit die Stadt mit den meisten Firmen-Neugründungen im Verhältnis zur Einwohnerzahl. Das geht aus einer aktuellen Statistik des "Startup-Verbandes" hervor. Nach Angaben des Verbandes gibt es Anstiege bei der Zahl der Start-ups vor allem dort, wo Hochschulen und Forschungseinrichtungen das wirtschaftliche Umfeld prägen.
Heidelberg schiebt sich im Ranking auf Platz eins
Heidelberg hat in dieser Statistik zum ersten Mal Platz eins erreicht und sich im Pro-Kopf-Ranking vor Berlin und München geschoben. In absoluten Zahlen liegen die beiden Großstädte natürlich trotzdem vor Heidelberg. Aber pro Einwohner gerechnet zeige sich, dass auch kleinere, forschungsnahe Standorte ganz oben bei den Start up-Gründungen mitspielen, so der Verband. Heidelberg war in dem Ranking seit 2019 immer unter den ersten sechs platziert.
In den vergangenen fünf Jahren gab es laut dem Startup-Verband knapp 115 neu gegründete Unternehmen in Heidelberg, gut 20 davon im vergangenen Jahr. Der Schwerpunkt bei den Unternehmensneugründungen liegt im Bereich Medizin, gefolgt vom Bereich Software.
Heidelberg hat einen Schwerpunkt bei Unternehmen im Bereich Medizin und Software. So wurde zum Beispiel 2018 das Software-Unternehmen Ameria in Heidelberg gegründet, bei der Software nur durch Gesten gesteuert wird.
Fertia - App aus Heidelberg bei unerfülltem Kinderwunsch
Eines der 2024 neu gegründeten Start-ups ist "Fertia Health", eine Online-Fertilitätsklinik, die mit einer Plattform und App Frauen mit unerwünschtem Kinderwunsch, Fertilitätsstörungen, Fehlgeburten oder Risikoschwangerschaften hilft. Die Heidelberger Unternehmerin Anna-Lena Hudalla und zwei Reproduktionsmediziner aus Heidelberg, Kilian Vomstein und Ruben Kuon, haben das Unternehmen gegründet. Mittlerweile hat das Unternehmen 15 Mitarbeitende, darunter Ärzte und Psychologen. Das Team werde wahrscheinlich im Laufe des Jahres auf 30 anwachsen, sagt die Gründerin.
Die App "Fertia" wird man sich ab Ende Januar herunterladen können. Die Plattform soll unter anderem Ärzte entlasten und auch Frauen in ländlicheren Regionen einen schnellen Zugang zu Reproduktionsmedizin ermöglichen und so die Versorgungsstruktur in Deutschland verbessern, erklärt Anna-Lena Hudalla.
Den Vorteil von Heidelberg und der Metropolregion Rhein-Neckar sieht sie in der hohen Dichte an Kompetenz vor Ort. Heidelberg habe aber auch Nachteile. Gerade im kreativen Bereich zum Beispiel sei es schwer, schnell genug genügend Personal zu finden und das benötigte Personal sei weniger divers als in Städten wie Berlin:
Dennoch wird das Unternehmen in Heidelberg bleiben. Die Mitarbeiter aus dem kreativen und dem Tech-Bereich hingegen sitzen in Berlin.
KI-Start-up "Kausable": KI denkt und plant erst und handelt dann
Benjamin Herdeanu hat an der Universität Heidelberg Physik studiert und promoviert und mit zwei weiteren Physikerin und KI-Experten 2024 über das Gründer-Institut der SRH Hochschule eine KI-Firma gegründet. Sie wollen eine KI-Technologie entwickeln und bauen, bei der die KI "kontinuierlich denkt, lernt, plant und dann erst handelt", erklärt Benjamin Herdeanu. Sie trainieren ihre KI darauf, aus beliebigen Sensordaten ein kausales Verständnis zu entwickeln. Damit könne man Vorhersagen machen oder mit wenigen Daten Entscheidungen treffen.
Für Heidelberg hätten sie sich bei der Unternehmensgründung auch entschieden, weil Heidelberg eine Kleinstadt ist, die aber enorm viel zu bieten habe, wie ein riesiges Netzwerk, und eine hohe Lebensqualität, sagt Benjamin Herdeanu. Es sei viel los und in zehn Minuten sei man mit dem Fahrrad fast überall.
Nähe zur Universität, Forschungseinrichtungen und Hochschulen
Nach Angaben des Sprechers des "Startup-Verbands" entstehen in Heidelberg besonders viele Unternehmen durch die Nähe zur Universität und zu anderen Hochschulen wie der privaten SRH Hochschule. Das bestätigt auch die Prorektorin des Bereichs Innovation und Transfer der Uni Heidelberg, Katja Patzel-Mattern.
Heidelberg habe eine sehr lebendige Wissenslandschaft, vor allem im Gesundheits- und Medizinbereich und im Bereich Künstliche Intelligenz, in der High-End-Forschung betrieben wird und Innovationen entwickelt werden.
Auf der anderen Seite gebe es viele Unternehmen, die Menschen Arbeitsplätze in Wissensberufen bieten. Und so entstehe ein eigenes Ökosystem, das für Unternehmensgründungen günstig sei.
Innovation geht ein langer Forschungsprozess voraus. Das wird an den wissenschaftlichen Einrichtungen geleistet. Und die Unternehmen können das dann zum Beispiel im technischen Bereich umsetzen in eine unternehmerische Lösung. Katja Patzel-Mattern, Prorektorin des Bereiches Innovation und Transfer der Uni Heidelberg
Für eine Unternehmensgründung in Heidelberg spreche zudem, dass es in der Metropolregion Rhein-Neckar viel Kapital gebe, einen guten Mittelstand und hochqualifizierte Unternehmen. Das benötige man, um eine eigene Geschäftsidee auch wirklich umsetzen zu können, sagt der Leiter des Gründer-Institutes der SRH Hochschule in Heidelberg, Bernhard Küppers.
Um die ersten Schritte zu machen, die ersten Fördermittel zu bekommen und die ersten Kontakte zur Unternehmenswelt zu erlangen, ist man in einer solchen Region besser aufgestellt als möglicherweise in Berlin, wo es am deutschen Mittelstand fehlt. Bernhard Küppers, Leiter des Gründer-Institutes der SRH Hochschule
Heidelberg hat eine Start-up-Kultur
"Heidelberg hat eine coole Start-up-Kultur", sagt Jonathan Wagner, der zurzeit ein Neuro-Feedback-Unternehmen gründet: Mithilfe einer Virtual-Reality-Software sollen Menschen mit ADHS lernen, sich zu konzentrieren. Er ist extra nach Heidelberg gekommen, um am Gründerinstitut der SRH-Hochschule sein Unternehmen zu gründen.
Heidelberg ist eine sehr junge Stadt und es hat einfach auch so eine Strahlkraft. Jonathan Wagner, gründet gerade ein Start-up
Das Gründer-Institut der SRH-Hochschule in Heidelberg stellt auch Räumlichkeiten für Start-ups zur Verfügung.
Marko Albrecht hat das Software-Unternehmen "Appose" 2019 in Heidelberg gegründet. Im Bereich Software und Künstliche Intelligenz gebe es eine richtige Szene und auch Gründer-Szene.
Der Standort Heidelberg ist so ein bisschen wie das Silicon Valley. Man will hier gerne sein. Marko Albrecht, Gründer des Software-Unternehmens "Appose"
Heidelberg ist international
Wenn ein Unternehmen dann gegründet worden ist, ist irgendwann auch eine gewisse internationale Sichtbarkeit wichtig, sagt der Leiter des Gründer-Instituts der SRH Hochschule Heidelberg, Bernhard Küppers. Heidelberg hat viele Partnerstädte, unter anderem auch Palo Alto in Kalifornien, dem Sitz der berühmten Stanford University.
Es gebe zudem einen extrem hohen Anteil an Akademikern und Forschern aus der ganzen Welt, auch an den Hochschulen und der Universität Heidelberg sowie den IT-Firmen in der Region, wie SAP, sagt auch der Gründer und heutige Vorstandsvorsitzende des Heidelberger Software-Unternehmens "Ameria", Albrecht Metter. Und in diesem internationalen Forschungsumfeld entstünden auch viele neue Ideen.
Im Europäischen Laboratorium für Molekularbiologie (EMBL) in Heidelberg arbeiten Forscher aus der ganzen Welt.
Zudem liege Heidelberg in unmittelbarer Nähe zum Frankfurter Flughafen und vielen weiteren dynamischen Städten.
Wir sind ganz schnell in Mannheim, Frankfurt oder Karlsruhe mit dem Karlsruher Institut für Technologie KIT. Heidelberg ist in dieser ganzen Metropolregion extrem eng verknüpft. Albrecht Metter, Gründer und CEO des Software-Unternehmens "Ameria"
Die Stadt fördert Unternehmensgründungen
Die Stadt Heidelberg fördert die Gründung von Unternehmen gezielt, sagt Katja Patzel-Mattern von der Uni Heidelberg. So hat die Stadt Heidelberg unter anderem Innovationsparks geschaffen, in denen sich Start-ups ansiedeln können, wie der Heidelberg Innovation Park, und auch Laborflächen zur Verfügung gestellt.
Damit hat die Stadt Heidelberg Orte geschaffen, wo junge Unternehmen von einander lernen können. Und das befördert wieder den Gründungsgeist. Katja Patzel-Mattern, Prorektorin des Bereiches Innovation und Transfer der Uni Heidelberg
Gründungswillige erhalten auch viel Unterstützung durch die Ämter der Stadt Heidelberg, sagt einer der Gründer des Unternehmens Bildbrauerei, Christopher Dengler. Zudem vergibt die Stadt Heidelberg einen Gründerpreis, mit dem sie Start-ups auszeichnet. Mit diesem sorge sie für Sichtbarkeit und Anerkennung, meint Katja Patzel-Mattern von der Uni Heidelberg.
SRH Gründer-Initiative und Förderprogramm der Uni
Die Universität Heidelberg hat vor einigen Jahren eine Transfer-Agentur gegründet, um Studierende, Doktoranden und Post-Docs zu unterstützen und zu begleiten, wenn sie ein Unternehmen gründen wollen. Unterstützung bietet auch das Gründer-Institut der SRH Hochschule Heidelberg. Es berät und unterstützt Menschen, die ein Unternehmen gründen wollen, auch bei der Beantragung von Fördermitteln, sorgt für Kontakte in die Industrie und stellt in Heidelberg auch Räumlichkeiten für Gründer zur Verfügung.
Sendung am Mi., 8.1.2025 16:30 Uhr, Regionalnachrichten Studio Mannheim