Das Wappen Baden-Württembergs ist während einer Landtagssitzung im Plenarsaal des Landtags von Baden-Württemberg zu sehen.

Baden-Württemberg Umfrage: Mehr als die Hälfte der Menschen befürwortet kleineren Landtag

Stand: 12.12.2024 14:00 Uhr

Der Landtag könnte durch eine Reform nach der nächsten Wahl deutlich größer werden. Ein Volksbegehren fordert daher weniger Wahlkreise. 60 Prozent der Menschen im Land würden das befürworten. CDU und Grüne lehnen das ab.

Durch die Wahlrechtsreform könnte die Zahl der Abgeordneten im Landtag von Baden-Württemberg auf über 200 anwachsen. Das Volksbegehren "Landtag verkleinern" fordert daher, die Zahl der Wahlkreise im Land zu reduzieren. Eine SWR-Umfrage zeigt: 60 Prozent der Menschen in Baden-Württemberg würden das befürworten. Die Fraktionen von CDU und Grünen im Landtag lehnen diesen Vorschlag ab.

Aktuell 154 Abgeordnete - später mehr als 200?

Dieter Distler, der Initiator des Volksbegehrens, steht vor dem quadratischen Gebäude des Landtags in Stuttgart. Aktuell sitzen hier 154 Abgeordnete. Er befürchtet, dass es im Plenarsaal nach der nächsten Landtagswahl zu eng werden und dort dann mehr als 200 Abgeordnete sitzen könnten.

Laut Distler liegt das an der Reform des Landeswahlgesetzes, das Grüne, CDU und SPD 2022 beschlossen haben. "Wenn wir das Gesetz nicht ändern, wird der Landtag aus allen Nähten platzen", sagt Distler. Er und seine Mitstreiter befürchten zudem, dass ein größerer Landtag mehr Steuergelder kostet und ineffizienter wird. Der Landesrechnungshof hatte die Mehrkosten eines aufgeblähten Landtags im Oktober 2023 in einem internen Prüfbericht modellhaft berechnet und kommt auf bis zu 200 Millionen Euro.

Von der Politik bekommt das Begehren außer von der FDP keine Unterstützung. Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) versteckt sich laut Distler hinter der Aussage, die Größe des Parlaments sei eine Sache des Parlaments. Dem widerspricht Distler: "Die Größe des Parlaments ist eine Sache des Volkes."

Volksbegehren "Landtag verkleinern" fordert weniger Wahlkreise

Aus diesem Grund hat Distler ein Volksbegehren mit dem Namen "Landtag verkleinern" gestartet. Seit August sammelt er mit seinem Team Unterschriften. Eine zentrale Forderung: Die Zahl der Wahlkreise soll von aktuell 70 auf 38 reduziert werden. So soll vermieden werden, dass die Zahl der Abgeordneten noch weiter ansteigt.

Eine Umfrage des SWR zeigt: Drei Fünftel der Menschen im Land finden diesen Vorschlag eher gut. Nur 23 Prozent finden ihn eher nicht gut.

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Viele Wahlkreise führen zu mehr Abgeordneten

Die Anzahl der Wahlkreise ist für die Größe des Landtags die entscheidende Stellschraube. Zu diesem Ergebnis kommt auch Politikwissenschaftler Joachim Behnke von der Zeppelin Universität in Friedrichshafen (Bodenseekreis).

Man hat versäumt, an der Anzahl der Wahlkreise zu drehen, was eigentlich das wichtigste Reformvorhaben hätte sein müssen. Joachim Behnke, Zeppelin Universität Friedrichshafen

Behnke berät die Kommission im Bundestag zur Reform des Wahlrechts. Auch in Baden-Württemberg wird er von SPD, Grüne und FDP immer wieder als Experte zum Landeswahlrecht in den Landtag eingeladen. Behnke legt großen Wert darauf, als unabhängiger Wissenschaftler zu arbeiten.

Er hat die mögliche Anzahl der Abgeordneten auf Basis aktueller Prognosen durchgerechnet: "Wenn man die wahrscheinlichen Ergebnisse betrachtet, dann ist eine Größe von mindestens 180 und auch deutlich mehr bis zu 200 eher der Fall, mit dem wir zu rechnen haben."

Warum könnte der Landtag größer werden?
In Baden-Württemberg gibt es aktuell 70 Wahlkreise. Nach dem neuen Wahlrecht wird, wie bei der Bundestagswahl, mit der Erststimme ein Kandidat aus dem Wahlkreis und mit der Zweitstimme eine Partei gewählt. Das bedeutet: Aus jedem der 70 Wahlkreise zieht per Direktmandat ein Kandidat in den Landtag ein. Politikwissenschaftler Behnke von der Zeppelin Universität Friedrichshafen nennt eine einfache Faustformel: Die Direktmandate mal drei ergeben die Größe des Landtags. Gewinnt eine Partei mehr Direktmandate als ihr laut Gesamtstimmen zustehen würden, entstehen Überhang- und Ausgleichsmandate, die das Parlament vergrößern. Um die Normalgröße von 120 Abgeordneten einhalten zu können, müsse man auf ungefähr 40 Direktmandate reduzieren. "Das ist eigentlich die ideale Größe", so Behnke.

Laut Behnke würde durch das neue Wahlrecht mit Erst- und Zweitstimme die Wahrscheinlichkeit steigen, dass der Landtag größer wird. "Das neue Wahlsystem hat das Problem nicht nur abgeschafft, sondern vermutlich sogar noch einmal vergrößert", sagt Behnke.

Grüne halten Berechnungen für Spekulation

Andreas Schwarz, Grünen-Fraktionsvorsitzender im Landtag, hält nichts davon, die Wahlkreise zu verändern. Die Berechnungen bezeichnet er als "spekulativ" und "hypothetisch". Er ist überzeugt, dass das neue Wahlrecht nicht für eine Vergrößerung sorge. Man habe das neue Wahlrecht mit dem Wahlergebnis von 2021 nochmal durchgerechnet und komme auf das gleiche Ergebnis, so Schwarz.

Der Grünen-Fraktionsvorsitzende fügt aber hinzu: Sollte es zu Unwuchten kommen, dann müsse man überlegen, ob man einen Deckel einziehe. "Ich sage zu, dass wir das Landtagswahlrecht in der nächsten Legislaturperiode für diesen sehr, sehr unwahrscheinlichen Fall nochmals evaluieren werden." 

Die SWR-Umfrage zeigt, dass rund 64 Prozent der Grünen-Anhänger den Vorschlag des Volksbegehrens, die Wahlkreise zu reduzieren, eher gut finden.

CDU-Fraktion sieht Bürgernähe in Gefahr

Noch höher ist die Zahl bei den Anhängern der CDU (71 Prozent). Der parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion im Landtag, Andreas Deuschle, widerspricht der These, dass der Landtag automatisch größer werde. Prognosen in Bezug auf die Zukunft seien schwierig. Deuschle hält nichts von einer Reduzierung der Wahlkreise: "Ich sehe einfach die Gefahr, dass das auf Kosten von Bürgernähe und Präsenz der Abgeordneten bei den Bürgerinnen und Bürgern geht."

Mitstreiter des Volksbegehrens "Landtag verkleinern" zuversichtlich

Dieter Distler mit seinen Mitstreitern vom Volksbegehren "Landtag verkleinern" hat bis Februar noch einiges zu tun. Stand jetzt haben sie Ende November bereits 57.000 Stimmen gesammelt - erforderlich sind 770.000. Das sind nicht mal zehn Prozent. "Das ist schon eine Herausforderung, aber wir sind auf einem guten Weg", sagt Distler.

Sendung am Do., 12.12.2024 19:30 Uhr, SWR Aktuell Nachrichten

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