Baden-Württemberg Waldbrände in Los Angeles: "Das ist alles sehr bedrückend"
Zehn Tote und tausende zerstörte Häuser - das sind bis jetzt die Folgen der Waldbrände in Los Angeles. Susanne Bierler aus Stuttgart macht dort gerade ein Praktikum und erlebt nun Feuer und Zerstörung statt Sonne und Easy Living.
Es sind die schlimmsten Brände, die Los Angeles wohl je erlebt hat: Zehn Menschen sind bislang ums Leben gekommen, mehr als 10.000 Häuser wurden durch die Feuer zerstört, außerdem viel Infrastruktur (Stand 10.1., 17 Uhr). Tausende Bewohnerinnen und Bewohner wurden aus der Region evakuiert, mehrere 10.000 Hektar Land sind komplett verbrannt.
Susanne Bierler, Absolventin der Hochschule der Medien in Stuttgart, hatte sich so sehr auf ihr Jahrespraktikum in der "Stadt der Engel" bei Porsche Engineering Services North America im Bereich Marketing und Kommunikation gefreut: Sonne, Strandleben, Hollywood-Flair. Seit zwei Monaten ist die 26-Jährige in Los Angeles. Und jetzt ist alles ganz anders. Wir haben mit ihr gesprochen.
Susanne Bierler
SWR Aktuell: Wo bist du jetzt, wo erreichen wir dich gerade?
Susanne Bierler: Ich bin in Carson, schon im Büro.
SWR Aktuell: Das heißt, ihr seid safe und könnt auch weiterarbeiten.
Susanne Bierler: Ja, genau. Los Angeles ist ja eine riesige Stadt. Ich wohne tatsächlich näher an den Brandstellen als dort, wo das Büro ist. Wir können ganz normal arbeiten. Wir haben aber ein paar Kollegen, die noch näher am Brandgebiet wohnen. Von denen sind einige im Home Office geblieben - einfach, um abrufbar zu sein, falls sie evakuiert werden müssen.
SWR Aktuell: Und wie bist du von den Bränden an deiner persönlichen Unterkunft betroffen? Musste in deiner Nachbarschaft evakuiert werden?
Susanne Bierler: Zum Glück ist die Wohnung beziehungsweise das Gebiet nicht betroffen. Da ist auch noch ein Freeway. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass ein Feuer bis dorthin kommen würde. Deswegen war da eigentlich keine Gefahr. Aber natürlich ist auch bei uns die Feuerwehr durch die Gebiete gefahren, um zu kontrollieren, ob Brandstellen entstehen könnten, wenn Funken fliegen. Ich habe zwar trotzdem meine Sachen sortiert und mich vorbereitet. Aber das Risiko war relativ gering.
Meine Wohnung liegt circa zehn Kilometer unterhalb des Rings, den die Brände geformt haben von Pacific Palisades über Santa Monica und Eaton bis zu den Hollywood Hills und den Gebirgsrand. Da sind natürlich sehr viele Häuser dazwischen und in den Wohngebieten gibt es wenig Vegetation, wenig Wald. Deswegen ist da die Gefahr nicht so groß wie bei denjenigen, die eben in den Hollywood Hills und angrenzend wohnen.
Dicker Rauch überall in L.A.: Viele Leute tragen wieder Maske
SWR Aktuell: Trotzdem stelle ich mir vor, dass das keine tolle Situation ist. Auch gerade, wenn man weiterarbeiten muss - die Bedrohung bleibt ja. Wie empfindest du das, wie ist die Stimmung unter deinen Kolleginnen und Kollegen, und hast du persönlich Angst?
Susanne Bierler: Tatsächlich ist die Stimmung gedrückt, weil jeder irgendjemanden kennt, der in dem Gebiet wohnt oder evakuiert werden musste. Man merkt es schon im Büro. Auch die Luftqualität ist ein großes Thema, obwohl das Büro etwa 50 Kilometer von den Bränden entfernt ist. Egal, wohin man fährt, die Asche ist in der Luft, und man sieht sie auf jedem Auto. Eigentlich wäre für die nächsten Tage sehr gutes Wetter angesagt, aber da der Himmel total bedeckt ist, spürt man es eigentlich überall. Viele Leute laufen wieder mit Maske herum. Es wird auch empfohlen, Maske zu tragen. Wir bekommen täglich, auch nachts, Sicherheitswarnungen aufs Handy. Und werden informiert, welche Gebiete evakuiert werden. Das ist also tatsächlich schon ein Faktor, der immer in meinem Kopf ist.
Und man checkt die Medien, andauernd. Ich habe mir auch eine App namens "Watch Duty" installiert. Bei ihr wird alles dokumentiert und angezeigt, in welchem Gebiet was aktiv ist, also wie der Stand ist und welche Gebiete evakuiert wurden. Angst habe ich tatsächlich nicht. Aber das liegt, glaube ich, auch daran, dass ich hier in einem guten Netz bin mit meinen Arbeitskollegen und sich jeder bemüht, dass wir uns gegenseitig helfen, falls wirklich etwas wäre.
SWR Aktuell: Wie viele arbeiten denn da? Und könnten deine Kolleginnen und Kollegen in Zukunft noch betroffen sein?
Susanne Bierler: Wir sind etwa 70 Leute im Büro. Ja, einige wohnen in den Gebieten. Von einer Person, die in Beverly Hills wohnt, weiß ich, dass sie jetzt auf gepackten Koffern sitzt. Wir hatten uns tatsächlich schon bereit gemacht, um die Person zu unterstützen, Autos abzuholen, alle Wertsachen mitzunehmen und dann hierher ins Büro zu bringen und so weiter. Es wurde sehr schnell reagiert, auch hier im Büro Unterstützung angeboten für diejenigen, die in den Gebieten leben.
Die Waldbrände in Los Angeles sind ungefähr am oberen Bildrand von Santa Monica aus bis zu den Hollywood Hills. Das Büro von Porsche Engineering Services befindet sich in Carson, etwa 50 Kilometer südlich.
Dienstag noch am Strand bei Sonnenuntergang
SWR Aktuell: Das hast du dir ja sicherlich alles anders vorgestellt. Was für ein Traum, dass man in Los Angeles arbeiten kann und direkt für ein Jahr dieses Praktikum hat. Das kalifornische Strandleben und noch viel mehr, das kannst du ja jetzt alles gar nicht genießen.
Susanne Bierler: Ja, tatsächlich gingen mir die letzten Tage da einige Gedanken durch den Kopf. Ich glaube, am Dienstag, als es mit dem Feuer losging, war ich abends nach Feierabend am Strand und habe dann die Flammen gesehen. Auch alle um mich herum waren total geschockt und hatten noch gar nicht realisiert, dass das so ein Ausmaß haben wird. Also jeder wusste: So nah an der Stadt war das Feuer noch nie oder zumindest nicht die letzten 20 Jahre.
Aber welche Auswirkungen das dann hatte, hat sich erst danach in den letzten Tagen gezeigt. Wenn ich mir jetzt die Videos auf Social Media anschaue... Zum Beispiel der Pacific Coast Highway, der nach San Francisco hochführt - den bin ich letzte Woche noch gefahren, habe da den Sonnenuntergang genossen und dachte mir, das ist so ein schöner Ort hier, da werde ich auf jeden Fall wieder hinkommen und joggen gehen am Strand. Und jetzt sieht man von dort die Videos der Zerstörung. Da steht kein einziges Haus mehr. Das ist schon sehr traurig und bedrückend. Das wird nie wieder so sein, wie es mal war.
Waldbrände in Los Angeles: Alle hielten es anfangs für normal
SWR Aktuell: Wie wurde denn gewarnt oder welche Vorkehrungen wurden denn getroffen - von den App-Warnungen abgesehen?
Susanne Bierler: Tatsächlich war da wenig. Diese Sicherheitswarnungen aufs Handy, die bekam man ein paar Stunden nach dem Ausbruch, als die ersten Evakuierungen starteten. Aber ansonsten... Ich glaube, in den ersten Stunden am Dienstag haben die wenigsten realisiert, dass es so gravierend wird, weil man hier Waldbrände gewohnt ist. Es ist zwar im Januar unüblich - generell im Winter eigentlich - dass die Feuer so stark sind. Und auch am Dienstag war der Wind schon spürbar. Dass das Feuer dann so stark weiter angefacht wird, damit haben die wenigsten gerechnet, glaube ich.
Auch bei mir im Haus - ich wohne mit mehreren jungen Leuten zusammen - war keiner beunruhigt, das hielten alle für üblich. Am Mittwoch wurden dann weitere Brände bemerkt und die Luft wurde immer stickiger. Da habe ich dann auch überlegt: Was habe ich an? Was nehme ich sonst mit? Ich bin hier nur mit einem Koffer. Das Wichtigste habe ich jetzt immer bei mir, also den Reisepass mit dem Visum und den Laptop.
SWR Aktuell: Willst du das Jahr trotzdem durchziehen?
Susanne Bierler: Ja - also Stand jetzt, soweit es möglich ist. Ich bin gespannt, wie sich das die nächsten Wochen entwickelt, ob dann wirklich alle Brände gelöscht und die Straßen wieder frei sind. Das wird aber natürlich dauern, bis die Gebiete, die niedergebrannt sind, überhaupt wieder bewohnbar sind.
SWR Aktuell: Hast du von der schwierigen Lage der Feuerwehr etwas mitbekommen? Ist das Trinkwasser bei euch eingeschränkt oder ähnliches?
Susanne Bierler: Nein, Trinkwasser ist nicht eingeschränkt. Vielleicht wäre es tatsächlich sinnvoller, da anzuordnen, mehr zu sparen. Am Dienstagabend war kurz ein Stromausfall. Aber sonst haben wir bisher keine Einschränkungen erlebt oder Auflagen bekommen. Dass das Wasser für die Feuerwehr knapp ist, bekommt man mit. Da rührt sich jetzt auch langsam Kritik, ob man nicht hätte früher agieren müssen. Zumal Feuerwehr-Kräfte aus dem ganzen Land geschickt wurden, und dann können die gar nicht richtig arbeiten, weil nicht genügend Wasser da ist.
Sendung am Fr., 10.1.2025 16:00 Uhr, SWR1 Baden-Württemberg, SWR1 Baden-Württemberg