Baden-Württemberg Schwarzbuch 2024: Wo wird in BW Steuergeld verschwendet?

Stand: 09.10.2024 11:01 Uhr

Der Steuerzahlerbund listet in seinem Schwarzbuch Fälle auf, in denen seiner Einschätzung nach Geld verschwendet wurde. Einige Projekte in Baden-Württemberg stehen in der Kritik.

Der Bund der Steuerzahler hat sein Schwarzbuch vorgestellt, in dem die Verschwendung öffentlicher Gelder angeprangert wird. In der Kritik stehen unter anderem die Ausgaben im Zuge der Fußball-Europameisterschaft in Stuttgart und ein kaum genutztes Parkhaus für etwa 15 Millionen Euro in Neuenburg (Kreis Breisgau-Hochschwarzwald).

Steuerverschwendung? Diese Projekte in BW werden kritisiert:

Hohe Kosten und viele Schließtage im Naturfreibad

43 ungeplante Becken-Schließtage allein im Jahr 2023 verzeichnet das 2015 eröffnete Herrenberger Naturfreibad (Kreis Böblingen). Denn die Wasserqualität bereitete lange Zeit Probleme. In diesem Jahr - Stand Anfang September - gab es noch kein gesperrtes Becken. Allerdings mit Einschränkungen für Badegäste und Schüler: Um dem Wasser mehr Regenerationszeit zu geben, wurden die Badezeiten reduziert.

Doch die vielen Tage der Schließung des großen Hauptbeckens in den vergangenen Jahren dürften nach Einschätzung des Bunds der Steuerzahler mit dazu beigetragen haben, dass die Bädersparte in Herrenberg regelmäßig ein defizitäres Jahresergebnis im siebenstelligen Bereich aufwies. Dass ein für fast sechs Millionen Euro neu erbautes Bad teilweise jährlich an die 50 Becken-Schließtage aufweise, dürfe aus Sicht der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler nicht passieren.

"Kupferknäuel" vor der Stuttgarter Oper

Bereits zwei Jahre nach seiner Einweihung wurde ein kupfernes "Mahnmal für den fortschreitenden Klimawandel", das in einem See vor der Stuttgarter Oper platziert worden war, wieder entfernt. Etwa 25.000 Euro hatte die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler der Aufbau und weitere rund 2.000 Euro der Abbau des auch als "Kupferknäuel" bekannten Objekts gekostet.

Das Teil von einem durch Unwetter demolierten und zerknüllten Kupferdaches der Stuttgarter Oper, das als Kunstwerk und "Mahnmal für den fortschreitenden Klimawandel" wurde im Mai wieder abgebaut.

Das Teil von einem durch Unwetter demolierten und zerknüllten Kupferdaches der Stuttgarter Oper, das als Kunstwerk und "Mahnmal für den fortschreitenden Klimawandel" wird im Mai 2024 wieder abgebaut.

Durch den Verkauf des Materials und der für die Aufstellung notwendigen Stahlunterkonstruktion wurde ein Erlös von etwa 10.000 Euro erzielt. Anstatt erst im Jahr 2025 wurde das "Kupferknäuel" bereits im Mai 2024 wieder abgeräumt. Nach Angaben des Finanzministeriums wurde der Abbau des Mahnmals unter anderem aus Sicherheitsgründen vorgezogen. Man befürchtete damals, dass Fußballfans während der Europameisterschaft darauf herumklettern könnten.

Aus Steuerzahlersicht stelle sich die Frage, warum für das Mahnmal nicht von Anfang an ein Standort gewählt wurde, an dem es länger oder dauerhaft hätte stehen können, teilt der Bund der Steuerzahler mit. Auch die plötzliche Verschrottung "irritiere", denn die Gefahr, es zu besteigen, habe doch schon vorher bestanden.

Doch kein Tunnel im Stuttgarter Norden?

Lange Zeit wurde in der Stuttgarter Verwaltung sowie dem Gemeinderat darüber gestritten, ob der für Stuttgart-Zuffenhausen geplante Autobahnzubringer als Lang- oder Kurztunnel gebaut werden soll. Anfang 2022 sprach sich der Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik mit einer knappen Mehrheit für einen langen Tunnel aus. Geschätzte Kosten: etwa 400 Millionen Euro. Der Bund der Steuerzahler forderte Stadtverwaltung und Gemeinderat auf, sich - wenn überhaupt - für eine nur circa 100 Millionen Euro teure, kürzere Tunnelvariante zu entscheiden.

Mittlerweile habe sich die Einschätzung bei der Verwaltung und auch bei mehreren Stadträten gegen einen langen Tunnel verfestigt, teilt der Bund der Steuerzahler mit. Auf der Prioritätenliste des Tiefbauamts sei das Tunnel-Projekt offenbar jetzt sogar ganz verschwunden. Man habe auch bei der Stadt bemerkt, dass für die Realisierung des Tunnelprojekts, sei es die Lang- oder die Kurzvariante, derzeit generell die finanzielle Grundlage fehle, so Bund der Steuerzahler.

Landespflegekammer für BW kommt nicht

Das baden-württembergische Sozialministerium hat im Juni 2024 bekannt gegeben, dass die Einführung einer Landespflegekammer aufgrund der fehlenden Zustimmung der Pflegefachkräfte gescheitert ist. Der Bund der Steuerzahler begrüßt, dass die baden-württembergischen Pflegefachkräfte die Notbremse gezogen haben und es daher nicht zu einer Landespflegekammer kommen werde. So würden den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern mögliche Ausgaben in Millionenhöhe erspart bleiben.

Ein Wermutstropfen sei allerdings, dass bisher bereits Kosten für die geplante Gründung der Pflegekammer entstanden seien: In einer Stellungnahme des Sozialministeriums aus dem Frühjahr 2024 würden als Größenordnung 2,4 Millionen Euro genannt, teilt der Bund der Steuerzahler mit.

Neuenburg: Parkhaus zu spät fertig und kaum genutzt

Als im April 2022 der Startschuss für die Landesgartenschau in Neuenburg am Rhein (Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald) fiel, sollten für die Besucherinnen und Besucher kurze Wege geschaffen werden: Das dafür neu gebaute Parkhaus konnte wegen Verzögerungen jedoch erst im Februar 2023 eröffnet werden. Doch da waren die Besucherinnen und Besucher der Landesgartenschau längst wieder weg. Die meisten Parkplätze stehen seither leer.

Der Bau war auch noch teurer als geplant: 15,2 Millionen Euro netto statt 9,2 Millionen Euro netto.  "Ein Desaster", teilt der Bund der Steuerzahler mit.

Wenn ein Zebrastreifen plötzlich für Furore sorgt

13 Jahre lang bot der Zebrastreifen in der Eberbacher Stadtmitte (Rhein-Neckar-Kreis) den Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit zur Überquerung der Brückenstraße. Doch Mitte November 2023 stellte sich bei einer Verkehrsschau plötzlich heraus, dass sich der Überweg zu nah an einer Bushaltestelle befindet. Die Folge: Sperrung des Zebrastreifens mit anschließender Entfernung. Kostenpunkt: etwa 3.000 Euro.

Zu viel Geld für EM in Stuttgart ausgegeben

Für die Ausrichtung der Fußball-Europameisterschaft hat Stuttgart tief in die Kasse gegriffen: So investierte man fast 40 Millionen Euro brutto in das Errichten von vier Fan-Zonen in der Innenstadt. Und auch beim EM-bedingten Umbau der MHP-Arena wurde es teuer: Nach mehreren Kostensteigerungen beliefen sich die Kosten für die Stadtkasse am Ende auf etwa 80 Millionen Euro.

Menschen gehen am Aufbau des Public Viewing für die Fußball-Europameisterschaft in Deutschland auf dem Stuttgarter Schlossplatz vorbei.

Auch die Ausgaben für die Fan-Zone in Stuttgart im Zuge der Fußball-Europameisterschaft stehen in der Kritik.

Rund um die Fußball-EM saß das Steuergeld aus Sicht des Bundes der Steuerzahler in Stuttgart "äußerst locker". So habe der Gemeinderat beim Stadionumbau mehrfach kurzfristig millionenschwere Nachbesserungen durchgewunken. Auch für die Fan-Zonen gaben andere Städte weniger als die Hälfte aus, als Stuttgart es tat, so der Verein.

Was ist der Bund der Steuerzahler?

Der Bund der Steuerzahler Deutschland e.V. ist ein eingetragener Verein, der 1949 gegründet wurde. Sein Ziel ist es nach eigenen Angaben, gegen die Verschwendung von Steuergeldern zu kämpfen und generell Steuern und Abgaben zu senken. Der Verein ist laut seiner Satzung überparteilich, unabhängig und gemeinnützig. Er hat nach eigenen Angaben rund 200.000 Mitglieder und ist in 15 eigenständigen Landesverbänden organisiert. Der Bund ist in der Lobbyliste des Deutschen Bundestages registriert.

Fast vier Millionen Euro - und das für eine schöne Aussicht?

Das Schwarzbuch des Steuerzahlerbundes prangert eine drohenende Verschwendung von Steuergeldern in Millionenhöhe rund um einen geplanten Aussichtsturm im Wurzacher Ried (Kreis Ravensburg) an. Dort soll laut Beschluss des Gemeinderats ein 40 Meter hoher Turm gebaut werden. Die Stadt sieht diesen als ein Zukunftsprojekt und einen strategischen Baustein in der Stadtentwicklung. "Mit dem Turm hätten wir zusätzlich ein Markenzeichen", so Alfred Krug, Gemeinderatsmitglied der unabhängigen Wählervereinigung "Mir Wurzacher". Aus Sicht des Naturschutzes spreche nichts dagegen, hatte zudem Siegfried Roth, Leiter des Naturschutzzentrums, betont. Es habe dahingehend Untersuchungen gegeben und es seien Ausgleichsmaßnahmen geplant, sobald der Turm gebaut wird. 

Laut Bund der Steuerzahler fällt das Projekt allerdings unter die Kategorie "Wünschenswertes", sei aber "sicherlich nicht notwendig". Ein Grund: die enorme Kostensteigerung. Seit dem ersten Planungsbeschluss 2020 stiegen die Kosten extrem an, statt knapp zwei Millionen Euro wird jetzt mit fast vier Millionen Euro gerechnet, ein Großteil als Zuschuss des Landes Baden-Württemberg.

Und genau dies sei das Problem, so der Bund der Steuerzahler, denn mit dieser großzügigen Förderpolitik sorge das Land "für Mitnahmeeffekte bei den Kommunen, für die letztlich die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler aufkommen müssen." Ob es jedoch überhaupt so weit kommt, ist unklar. Auch aufgrund der Kostensteigerungen ist das Projekt bei den Bürgerinnen und Bürgern umstritten. Gegen den Baubeschluss des Gemeinderats hatte eine Bürgerinitiative über 4.000 Unterschriften gesammelt. Ein Bürgerentscheid im Januar soll jetzt Klarheit bringen, ob der Aussichtsturm gebaut werden soll oder nicht.

Reaktivierung von Eisenbahnstrecken

Baden-Württemberg treibt seit einigen Jahren die Reaktivierung von Eisenbahnstrecken voran. Wiederbelebt werden soll unter anderem die Kochertalbahn zwischen Waldenburg und Künzelsau im Hohenlohekreis. Die Investitionskosten für das Projekt wurden im Jahr 2023 mit bis zu 274,1 Millionen Euro veranschlagt.

Der Bund der Steuerzahler hält die vom Land Baden-Württemberg angeschobene Reaktivierung von stillgelegten Bahnstrecken, die mit hohen Kosten für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler verbunden ist, für fragwürdig. Deswegen solle man die angedachte Reaktivierung der Kochertalbahn unbedingt überdenken. Vor allem die Folgekosten könnten den Kreis beziehungsweise die beteiligten Gemeinden finanziell überfordern, heißt es.

Unkonventionelle Fußgängerbrücke in Ulm

Die Stadt Ulm plant den Bau einer Fußgängerbrücke über die Kleine Blau, da die knapp acht Meter lange Vorgängerbrücke an derselben Stelle nur noch eingeschränkt verkehrssicher war. Dabei entschied man sich aus Sicht des Bundes der Steuerzahler nicht für einen konventionellen Bau, sondern für eine Brücke aus Flachsfasern. Der erste Versuch ging schief. Daher muss ein zweiter Überbau produziert werden. Für die Steuerzahler bedeute dies erhebliche Zusatzkosten, so der Verein.

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