Hubert Aiwanger (FW), stellvertretender Ministerpräsident in Bayern und Staatsminister für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie zu Gast in der Münchner Runde

Bayern Aiwanger zur Wirtschaftslage: "Wir sind zu teuer und zu langsam"

Stand: 05.12.2024 11:22 Uhr

Wie kann die schwächelnde Wirtschaft gestärkt werden? Und wie sichern wir Arbeitsplätze? Darüber diskutierte die Münchner Runde. Bayerns Wirtschaftsminister Aiwanger kritisierte hohe Lohnkosten, andere forderten mehr staatliche Investitionen.

Von Julia Meidinger

Thyssen-Krupp, Bosch, Schaeffler, VW und zuletzt die BayWa: Es häufen sich die Meldungen über geplante Stellenstreichungen in großen Unternehmen. Aber nicht nur die großen Industriekonzerne sind von der Krise betroffen. Angelique Renkhoff-Mücke führt ein mittelständisches Unternehmen in Bayern – und auch sie macht sich Sorgen: "Eigentlich befinden wir uns in einer Dauerkrise", sagte sie in der Münchner Runde im BR Fernsehen. Ihr Unternehmen Warema produziert unter anderem Sonnenschutzprodukte wie Jalousinen und Markisen.

Unternehmerin über Zukunft: "Sehr, sehr düster“

Die Corona-Krise, die Energiekrise und zuletzt der Einbruch bei der Bauwirtschaft – ihr Unternehmen habe in den vergangenen Jahren mit vielen Herausforderungen kämpfen müssen. Die Aufträge würden mittlerweile zurückgehen und vor allem der Ausblick in die Zukunft sei "sehr, sehr düster". Aktuell versuche man noch, gegenzusteuern. Aber: "Wir kommen irgendwann an die Grenzen." Renkhoff-Mücke, die auch im Vorstand eines Arbeitgeberverbandes ist, erklärte: Sie sei sich "sehr sicher", dass in ihrem Unternehmen in fünf Jahren "deutlich weniger" Menschen arbeiten würden als heute. Aktuell sind dort 5.000 Mitarbeiter beschäftigt.

Aiwanger: Hohe Lohnkosten als Wettbewerbsnachteil

Der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) äußerte sich ebenfalls besorgt über die wirtschaftliche Lage. In der Münchner Runde sagte er, Deutschland sei mittlerweile "nicht mehr wettbewerbsfähig". Er beklagte die schlechte Auftragslage für deutsche Unternehmen, die international den Anschluss zu verlieren drohten: "Die Chinesen werden schneller, billiger, rollen Märkte auf, früher haben die unsere Autos gekauft, mittlerweile exportieren sie in Kürze Autos nach Deutschland, haben die Teile selber." Sein Fazit: "Wir sind zu teuer und zu langsam, teilweise zu ideologisch." Ein entscheidender Wettbewerbsnachteil sind Aiwanger zufolge die Lohnkosten. Unternehmen würden mittlerweile ihre Produktion ins Ausland verlagern, wo Arbeitnehmer "nur die Hälfte" kosten würden. Die Unternehmen bräuchten dringend Entlastung: "Wir müssen mit den Steuern und Abgaben runter, sonst wird der deutsche Arbeitnehmer in diesem Fall nicht mehr eingesetzt werden.“

Gewerkschafter: "Bayern kann kein Niedriglohnland werden“

Bernhard Stiedl, Vorsitzender des DGB Bayern, kritisierte Aiwanger für das "einseitige Fokussieren auf die Arbeitskosten". Er warnte: "Bayern kann kein Niedriglohnland werden." Der Gewerkschafter ärgerte sich darüber, dass aktuell viele Unternehmen Stellenstreichungen in Erwägung ziehen – die Arbeitnehmer hätten einen "großen Beitrag" an den Gewinnen geleistet, die jene in den letzten Jahren erwirtschafteten. Dem bayerischen Wirtschaftsminister warf er vor, zu spät auf absehbare Entwicklungen reagiert zu haben: Der Transformationsfonds mit Geldern für die Automobilindustrie komme für Bayern "fast schon ein bisschen zu spät", was man an dem aktuellen Personalabbau sehe.

Stiedl forderte "Anschubfinanzierungen" des Staates, damit deutsche Unternehmen wieder mehr "Innovationskraft" entfalteten. Er sagte: "In den Ländern, in denen es wirtschaftlich läuft, sind massive öffentliche Investitionen getätigt worden." Als Beispiele nannte er China und die USA.

Wirtschaftsweise kritisiert Planungsunsicherheit für Unternehmen

Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm sprach sich hingegen gegen weitere staatliche Subventionen aus. Ihr zufolge mischt sich der Staat aktuell zu stark in die Wirtschaft ein, die Staatsquote betrage 50 Prozent.  "Der Staat ist kompliziert und macht vieles langsam", so Grimm.  Die Ökonomin kritisierte vor allem die fehlende Planungssicherheit für die Unternehmen: "Mit einer Wirtschaftspolitik, die immer etwas ins Schaufenster stellt, es dann aber wieder zurückzieht, wenn man es nicht finanzieren kann, ist das problematisch." Unternehmen würden aktuell eher abwarten, ob es doch noch staatliche Zuschüsse gebe, statt aktiv zu investieren. Dasselbe gelte für den privaten Autokauf.

Der SPD-Wirtschaftsexperte Sebastian Roloff plädierte hingegen für mehr öffentliche Investitionen - mit diesen könne man unter anderem "Planungssicherheit bei den Energiepreisen" gewährleisten. Er wiederholte die Forderung seiner Partei nach einem subventionierten Industriestrompreis für ausgewählte Branchen. Dieser sei in der Ampelregierung "leider nicht umsetzbar" gewesen. 

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Quelle: Münchner Runde 04.12.2024 - 20:15 Uhr