Ein Grabkreuz auf dem Friedhof in Hauzenberg.

Bayern Ein Sterbeverein will nicht sterben

Stand: 12.11.2024 06:43 Uhr

Beerdigungen sind teuer. Ein Verein im Kreis Passau kümmert sich deshalb darum, Hinterbliebene finanziell zu unterstützen. Doch zuletzt sind mehr Mitglieder gestorben als neue beigetreten. Der Verein will sein Image ändern – und setzt aufs Diesseits.

Von Katharina Häringer

Es dürfte kaum einen anderen Verein geben, der so seinen Mitgliedsbeitrag erhebt: 1,50 Euro werden immer dann fällig, wenn ein Vereinsmitglied stirbt. Doch ausgerechnet das Sterben hat beim Sterbekassenverein Hauzenberg im Landkreis Passau zuletzt eine gewisse Unwucht erzeugt.

Mitgliederzahl ist deutlich gesunken

In den vergangenen Jahren sind mehr Vereinsmitglieder gestorben als neue dazugekommen sind. Die Mitgliederzahl ist von rund 2.000 auf 1.500 gesunken. Ein Problem für einen Verein, der auf finanzielle Solidarität setzt. Deshalb wollen die Vorstände nun am Vereins-Image arbeiten. Weniger Sterben, weniger Tod, mehr Ausflüge und geselliges Miteinander. "Wie kann man was feiern bei uns in Bayern? Mit einem Bier. Deswegen spendieren wir jedem Neumitglied zehn Liter Freibier, wenn mindestens drei oder mehr Leute von einer Gemeinschaft gleichzeitig dem Verein beitreten", erklärt Zweiter Vorstand Hans Jürgen Anetzberger.

Mitglieder anderer Vereine unterstützen

Ein paar Neumitglieder hat der Verein tatsächlich gewonnen. Klara Windpassinger, Gerald Kristl und Kerstin Angerer von der Stadtkapelle Hauzenberg stoßen mit ihrem Freibier an. "Morgen haben wir Probe, da nehmen wir den Kasten gleich mit", sagt Klara Windpassinger. Das Bier sei für sie aber nicht der Grund gewesen, dem Sterbeverein beizutreten. Ihnen geht es vielmehr darum, einen anderen Verein im Ort zu unterstützen. "Das ist jetzt ein kleiner Betrag, den ich pro Tod zahle, der tut mir nicht weh. Und ich kann anderen damit helfen. Deswegen bin ich dazu gegangen", betont Kerstin Angerer.

Idee aus dem 19. Jahrhundert

Der Gedanke der Solidarität war in der Granitstadt Hauzenberg schon früh wichtig. Steinhauer wurden wegen der harten Arbeit in den Steinbrüchen nicht alt. Deshalb gründeten sie 1857 die Sterbekasse. Das Prinzip ist einfach: Alle zahlen zu Lebzeiten einen kleinen Beitrag ein, damit die Hinterbliebenen im Todesfall bei der Beerdigung finanziell unterstützt werden. "Es dürfte eine der ersten Sozialversicherungen weltweit gewesen sein", sagt Hans Jürgen Anetzberger. Otto von Bismarck führte knapp 30 Jahre später Kranken- und Unfallversicherung ein.

Zuschuss zwischen 500 und 2.100 Euro

Die Angehörigen eines Vereinsmitglieds heute bekommen im Todesfall je nach Länge der Mitgliedschaft zwischen 500 und 2.100 Euro Zuschuss zur Beerdigung. Musik, Kranz und Leichenschmaus für Vereinsmitglieder werden zusätzlich übernommen. "Das Geld kam unbürokratisch und schnell", erinnert sich Ludwig Kühberger. Sein Vater war Vereinsmitglied. Im Sommer vergangenen Jahres ist er gestorben. Kühberger schätzt aber nicht nur die Finanzhilfe: "Man hat den Kopf ganz woanders in dieser schweren Stunde. Dann kommt der Unterstützungsverein, greift unter die Arme und nimmt gewisse Lasten ab."

Altersdurchschnitt bei 65

Die Vorstände Hans Jürgen Anetzberger und Christoph Amsl hoffen, mit der Bier-Aktion junge Neu-Mitglieder zu gewinnen, um den aktuellen Altersdurchschnitt von 65 Jahren der Vereinsmitglieder zu senken. Gerade heute – wo vielerorts soziale Kälte zu spüren sei – wünschen sie sich, dass der Solidaritätsgedanke von 1857 wiederbelebt wird.

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Quelle: Mittags in Niederbayern und Oberpfalz 12.11.2024 - 12:03 Uhr