Bayern Gerüstet für die nächste Flut? Sechs Monate nach dem Hochwasser
Es ist rund ein halbes Jahr her, dass das Hochwasser weite Teile Bayerns schwer getroffen hat. Um das künftig zu verhindern, ringen die Betroffenen um besseren Hochwasserschutz – auch im nördlichen Oberbayern. Was hat sich seit der Katastrophe getan?
Der Keller von Fabian Goller in Baar-Ebenhausen ist noch immer eine Baustelle. Seit kurzem funktioniert die Heizung wieder. Über vier Monate hatten er, seine Frau und die zwei Kinder kein Warmwasser. Es ist noch viel zu tun, aber Goller gehen die Ressourcen aus: "Ich bin am Ende. Auch die finanziellen Mittel, die sind in die Heizungsanlage gelaufen. Der Keller ist frühestens im Frühjahr dran", meint er. Dort hat sein Öltank den Wassermassen nicht stand gehalten. Das Öl lief in den Keller, Wohnzimmer und Garten. Einen Großteil der Renovierungsarbeiten hat er selbst gemacht, nun ist er erschöpft.
Im Video: Betroffene kämpfen noch heute mit den Folgen der Flut
Das Hochwasser traf die Gemeinde im Kreis Pfaffenhofen hart. "Es war wie ein Tsunami. Innerhalb kürzester Zeit ist das Wasser gestiegen", berichtet Familienvater Goller. Hochwasserschutz sei wichtig, aber: "Das Wasser der Paar tritt schon in der Nachbargemeinde aus, wenn die nichts machen, bringt mir der Schutz hier in Baar-Ebenhausen nichts." Und genau da wollen die Lokal- und Kommunalpolitiker jetzt ansetzen.
Arbeitsgemeinschaft für Landkreis übergreifenden Hochwasserschutz
Deshalb haben sich die Gemeinden entlang der Paar, der Ilm und dem Gerolsbach zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossen. Landkreis übergreifend wollen sie beim Hochwasserschutz zusammenarbeiten. Die große Herausforderung: Keiner weiß, wann die nächste Flut kommt. In Form von Projekten, sogenannten Reallaboren, wollen die Anrainergemeinden deshalb schnell erste Maßnahmen starten und so langwierige bürokratische Prozesse umgehen.
Retention, technischer Hochwasserschutz und Schwammregion
Im Fokus stehen drei Schwerpunkte: Rückhaltebecken, technischer Hochwasserschutz und das Projekt der Schwammregion – diese drei Maßnahmen stehen im Mittelpunkt der Arbeitsgemeinschaft. Dezentral sollen sie möglichst schnell umgesetzt werden. Denn allen ist klar: Viel Zeit haben sie nicht. "Wir können jetzt keine 15 Jahre mehr warten. Die Zeit geben uns die Bürger auch nicht. Mein Traum wäre schon im nächsten Jahr erste Maßnahmen umzusetzen", meint Pfaffenhofens Landrat Albert Gürtner (FW). Vieles ist schon lange in Planung, soll jetzt aber konkret werden.
Die Gemeinde Baar-Ebenhausen baut aktuell am technischen Hochwasserschutz. Darunter versteht man verschiedene bauliche Maßnahmen wie etwa Mauern und Deiche, aber auch Staustufen oder Flutpolder. In Baar-Ebenhausen werden mitten in der Gemeinde aktuell Mauern gebaut, um die Paar einzuhegen. Doch der letzte Bauabschnitt kommt nicht voran. Der Grund: Die Eigentümer der Grundstücke wollen nicht verkaufen. Nach jahrelangen Verhandlungen schließt der Bürgermeister nun auch Enteignungen nicht mehr aus. Es sei das letzte Mittel, das für diese einschneidende Maßnahme zuständig ist, heißt es aus dem Landratsamt. Einen konkreten Zeitplan für die Enteignung gibt es nicht.
Eine wichtige Rolle für den Hochwasserschutz entlang der Paar könnte auch das große Flora-Fauna-Habitat Goachat vor Schrobenhausen spielen. Es könnte ein riesiges Rückhaltebecken werden. Doch hier tut sich seit Jahrzehnten nichts. "Ich bin mehr als frustriert", meint Josef Plöckl von einer Initiative für den Hochwasserschutz. Hier sei es so, dass der Naturschutz den Hochwasserschutz konterkariere, erklärt auch Hans Mayer, Chef des Wasserwirtschaftsamts Ingolstadts. "Es war ursprünglich geplant, im Zuge eines Straßendammes auch einen Damm durch das Goachat zu legen und es als Hochwasserrückhaltung zu verwenden. Allerdings ist das Goachat komplett FFH-Gebiet, das heißt: Die höhere Naturschutzbehörde hat dieses Ansinnen abgelehnt."
Erste kleine Maßnahmen in Umsetzung
Ein kleiner Erfolg wurde jedoch schon erzielt: Die Region wird Schwammregion. Dafür gibt es Fördermittel und das Landwirtschaftsministerium übernimmt fünf Jahre lang das Gehalt für einen Berater. Der Experte soll helfen, dass wieder möglichst viel Wasser im Boden versickern kann. Das kann beispielsweise durch eine andere Bepflanzung erreicht werden oder dadurch, dass Flächen wieder entsiegelt werden. Es sind viele kleine Schritte beim Hochwasserschutz gemacht worden. Doch um für das nächste Hochwasser gewappnet zu sein, muss noch mehr passieren.
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Quelle: BR24 vor Ort 28.11.2024 - 12:00 Uhr